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aus: Interim Nr.16, 12.08.1988 < zu den Kapiteln:    1    2    3    4    5   

Kampftag gegen den Zwang zur Arbeit

Frauenarbeit als Grundlage für HERRschaft und Ausbeutung
1. Tag Montag, 26. 9.1988

Das patriarchale kapitalistische System lebt von der Ausbeutung menschlicher Arbeit. Gearbeitet wird Tag für Tag, zu jeder Zeit und überall, nur ein Bruchteil wird als Lohnarbeit geleistet. Die ganze unbezahlte Arbeit erscheint gar nicht als Arbeit fürs Kapital,obwohl sie nicht nur für unser eigenes Üerleben wichtig sein kann, sondern auch Voraussetzung für den Fortbestand von HERRschaft und Ausbeutung ist.

Von zentraler Bedeutung bei der unbezahlten Arbeit ist die sog. Hausarbeit, die unbezahlte Reprodruktionsarbeit. Sie wird fast ausschließlich von Frauen, meist unter dem Ehe-Arbeits-Vertrag, in ihrer Kleinfamilie geleistet. Frauen sollen die Ware Arbeitskraft von Männern, Kindern und sich selbst fürs Kapital erhalten bzw. schenken. Dazu gehört Sexualität, Gebären und Erziehen von Kindern, Beziehungsarbeit, kochen, Putzen, Wäsche waschen, Einkaufen gehen .......

"Hausarbeit wird als private, persönliche und vor allen Dingen aus Liebe verrichtete Dienstleistung angesehen. Dem Haushaltsvorstand Ehemann wird die VorHERRschaft über das Geld gesetzlich und ideologisch zugeschrieben und somit auch die HERRschaft über Frau und Kinder. So bilden die Macht- und Arbeitsverhältnisse innerhalb der Familie die Grundlage der Geschlechter- und Klassenspaltung." (aus einem Redebeitrag zur Frauendemo am 8. März)

Der Sektor, in dem in den letzten Jahren die meisten neuen (Lohn-)Arbeitsplätze entstanden und - gerade wegen der besonders niedrigen Löhne - die größten Profite gemacht werden, ist der sog. "Dienstleistungssektor", unter den auch die bezahlte Reproduktionsarbeit gezählt wird. Hier hat gerade die Anzahl der Arbeitsplätze in Fast-Food-Restaurants, Puffs, Peep-Shows, in der Pornofilmproduktion, sowie der Werbung zugenommen. In Krankenhäusern, Altersheimen, im ganzen sozialen Bereich dagegen, wo ständig Gelder gestrichen werden, bedeuten keine weiteren Arbeitsplätze noch mehr Arbeit für die dort Arbeitenden.

Über die starke Ausdehnung eines Teils dieses Sektors und die Kürzungen im "Gesundheits"- und "Sozial"bereich, sowie die besonders niedrigen Löhne darin, wird eine Senkung des Einkommens und des Reallohnes gegen alle Teile der Klasse der BeHERRschten und Ausgebeuteten durchzusetzen versucht.

Während sich z.B. die Kirchen bei der Propagierung, Organisierung von "ehrenamtlicher Arbeit" hervortun, verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor und gleichzeitig werden bisher bezahlte Arbeiten zu freiwilliger Hausarbeit in den Familien. Durch Zusammenarbeit mit Frauen und Männern, die im "Gesundheits"-Sektor arbeiten, können wir uns in der nachfolgend genannten Aktion genauer auf den Widerstand und die Verweigerung sowie die darin liegenden Widersprüche beziehen.

Durch die Lohnzahlung an den Mann, bzw. durch die höheren Männerlöhne, wird das patriarchale Gewaltverhältnis in die Familie hineinverpflanzt. Die Lohnarbeit von Frauen erscheint dann meistens nur als Zuverdienst, da sie schlechter bezahlt wird. Das heißt:
Quer durch die Klasse verläuft eine sexistische Spaltung, eine sexistische Hierarchie, die durch das Patriarchat bedingt ist. Eine Spaltung und Hierarchie, die die Frauen nicht nur einem doppelten Gewaltverhältnis unterwirft, sondern in der Entfaltung und Entwicklung von Widerstand und Verweigerung quasi eine 'zweite' (oder erste) Konfrontationslinie darstellt." (aus: Für einen klassenkämpferischen Internationalismus, Traibsand-Reader No. 70)

Über die Drehscheibe Arbeitslosigkeit sind in den letzten zehn Jahren Millionen Frauen und Männer in unsichere und niedrig entlohnte Jobs zwangsmobllisiert worden.

"Seit den 80er Jahren versucht das Kapital auch vermehrt über Sklavenhändler und private Subunternehmer neue ArbeiterInnenschichten zu rekrutieren, mit deren Hilfe es die Stammbelegschaft der Betriebe zersetzen und ihre erkämpften Garantien, Löhne und Arbeitsbedingungen angreifen will. Besonders geeignet scheinen hierfür AusländerInnen, Jugendliche ohne Ausbildung und natürlich die 'zuverdienenden' Frauen."

Darüber konnte vom Kapital langsam ein Reallohnabbau gegen die Klasse durchgesetzt werden. Gleichzeitig zwingt das, zusammen mit dem Sozialabbau wieder zu mehr unbezahlter Hausarbeit, die in den Familien geleistet werden muß: "Der Anteil von festangestellten und vollzeitbeschäftigten Frauen ist also (seit 1977) gleich geblieben. (Im gleichen Zeitraum werden eine Million AusländerInnnenarbeitsplätze abgebaut.) Während es insgesamt eine Zunahme von Frauenarbeitsplätzen infolge der Ausdehnung der Teilzeitarbeit gibt." (aus: Für einen...)

Erziehen und uns untereinander Spalten, Strafen und Regulieren sind Formen von Gewalt, mit denen die Arbeitsdisziplin gegen das Verweigerungsverhalten der Klasse durchgesetzt werden soll. In Knästen und Heimen bzw. im gesamten Strafvollzugssystem spielt der Zwang zur Arbeit eine wichtige Rolle. Einerseits werden vermehrt Strafen als Geldstrafen verhängt bzw. es wird die Aussetzung der Strafe auf Bewährung an eine regelmäßige Arbeit gebunden. Gleichzeitig werden die Knäste mehr zu Fabriken umgebaut.

Ob in der Schule, im Haushalt, im Krankenhaus. Im Büro oder in der Fabrik, ob im Behindertenheim oder im Knast, überall sollen wir auf die eine oder die andere Art malochen, werden für die Arbeit diszipliniert und auf sie zugerichtet, sollen wir uns für sie qualifizieren. Klassenkämpferischer Internationalismus heißt für uns, daß wir uns auf alltägliche Widerstandsformen der Klasse weltweit beziehen wollen. Individuelle (Krankfeiern, Blaumachen, Sabotage, Verweigerung gegen den Ehe-Knast, Schwarzfahren, Mietstreiks) sowie organisierte Formen der Verweigerung (Streiks, Haus- und Landbesetzungen, Plünderungen, bewaffnete Kämpfe u.s.w.) können Ansatzpunkte für Klassenkämpfe sein. Wir wollen anknüpfen an den Kampf gegen den Zwang zur Arbeit als eine zentrale Waffe gegen Herrschaft und Ausbeutung.

Weltbank und IWF sind nur zwei von vielen Instrumenten mit denen das Kapital den Zwang zur Arbeit weltweit durchzusetzen versucht. Andere Firmen bzw. Institutionen, über die wir hier tagtäglich mit entlohnter und unentlohnter Arbeit konfrontiert sind, wollen wir in einer öffentlichen Aktion an dem ersten Aklionstag benennen und politisch angreifen.

Mit den nachfolgend genannten Ideen wollen wir das praktisch zum Ausdruck bringen, was vorher theoretisch grob umrissen ist.
Wir planen eine Großkundgebung am Breitscheldtplatz. Hier befinden sich Sklavenhändler, Kaufhäuser, Krankenversicherungen, Kirche, Fast-Food-Buden, Pornokinos, Fluggesellschaften...

Hier ein Beispiel, was wir für Aktionen zur Mobilisierung im Vorfeld planen. Fluggesellschaften verdienen nicht nur am Sextourismus. PanAm mit Büro am Breitscheidtplatz ist auch Nutznießer von Zwangsarbeit im Knast. Über Kontakte zu Knackies und zu Knastgruppen/Zeitungen wollen wir anknüpfen an Verweigerung gegen Zwangsarbeit im Knast und wollen Verbindungslinien aufzeigen zu Zwangsarbeit in Heimen oder beim Sozi. Weiter geht es um Zusammenhänge zwischen Zwangsarbeit und Zwang zur Arbeit am Beispiel Geld und Bewährungsstrafen sowie Arbeitsdiensten. Dies soll dann z.B. durch Knastkundgebungen, Aktionen beim Sozi oder Flugis ausgedrückt werden.

Durch die zentrale Citylage vom Breitscheidlplatz bietet eine Großkundgebung an diesem Ort nicht nur die Möglichkeit, mehrere Objekte gleichzeitig politisch zu thematisieren und in einen Zusammenhang mit dem Kongreß zu bringen, sondern gleichzeitig wäre mindestens noch eine Behinderung des Verkehrs durch die Massen der Leute gegeben. Wir halten eine gut vorbereitete, vielschichtige Mobilisierung für die nötige politische Offensive, um die Kundgebung gegen ein Verbot durch die Bullen zu schützen..

Durch die bisherige Zusammensetzung der Vorbereitungs-AG (Jobbergruppen, Frauen-Gruppen, Knastgruppen) zeichnen sich Schwerpunkte ab, an denen Aktionen (auch möglichst schon im Vorfeld) zur Mobilisierung geleistet werden können. Dies wären entgarantierte Arbeit / Sklavenhändler / Zwangsarbeit im Knast / PanAm / Arbeit im 'Gesundheits'-Sektor / Krankenversicherungen.

Desweiteren wird die Anti-AKW-Bewegung an diesem Tag zu vielfältigen Aktionen aufrufen und mobilisieren.

"Am Montag dem 26. September werden wir mit zentralen Aktionen dem Siemenskonzern in Siemensstadt - einen wesentlichen Profiteur der IWF/WB-Politik - ins Handwerk pfuschen. Siemens steht für uns exemplarisch für eine lebensfeindliche, patriarchalisch kapitalistische Organisation von Arbeits- und Lebensbedingungen. Dabei ist die Frauenarbeit in der Lohnarbeit und im Reproduktionsbereich Grundlage und materielle-Basis zur Aufrechterhaltung von Herrschaft und Profit.

Mit den Aktionen wollen wir Konzernstrategien thematisieren und praktischen Widerstand drinnen und draußen - dagegen entwickeln.

- Umstrukturierung/Flexibilisierung in und durch Siemens (Entwicklung von 'neuen Technotogien').

- Arbeitsbedingungen hier und im Trikont - Produktion in Weltmarktfabriken / Frauenarbeit / Leiharbeit.

- AKW/WAA Bau und Export, Siemens der Atomkonzern...

sind erstmal nur einzelne Schwerpunkte zu denen Vorbereitungen laufen. Politisches Ziel ist die öffentlichkeitswirksame Einmischung in den Alltag des Bezirks Siemensstadt, der entscheidend von Siemensproduktionsstätten und in diesen Septembertagen vom unweit entfernt stattfindenden IWF/WB-Kongreß bestimmt ist."
(Ausschnitt aus dem Aufruf der Anti-AKW-Bewegung)

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