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Gegen IWF

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aus: Interim Nr.16, 12.08.1988 < zu den Kapiteln:    1    2    3    4    5   

Aktionstage Westberliner Autonomer Gruppen 1

Was sind die Funktionen von IWF und Weltbank?

Vom 26.9.88 bis zum 29.9.88 finden in West-Berlin die Aktionstage gegen den parallel ablaufenden Kongreß von Internationalen Währungsfonds (IWF) und Weltbank (WB) statt.
Im September 1988 kommen sie alle hier her: die Finanzchefs aus den kapitalistischen Zentren von Tokio, Frankfurt bis New York; die Bankmanager vor Chase Manhattan bis zur Deutschen Bank; die Schreibtischtäter aus den Schaltzentralen der Multis Toyota, Lockheed, Siemens; die Spekulanten von den Computerterminals des internationalen Währungsdeals. Dazu Minister, Staatssekretäre, Experten, Journalisten und ihre Bewacher. Mehr als 14.000 werden es sein, die den Kongreß abhalten. Für wenige Tage wird die "Frontstadt" im Scheinwerferlicht des kapitalistischen Imperiums stehen.

Die Ausgangslage ist klar: die Verantwortlichen für Hunger, Ausbeutung, Terror und Kriege auf der ganzen Welt kommen in diese Hauptstadt der "Freien Welt". Unser Motto: Verhindern wir den Kongreß !

Doch wer sind IWF und WB? Welche Funktionen haben sie im kapitalistischen System? Wie haben sich diese historisch entwickelt ?

Nach dem 2. Weltkrieg entstanden im Rahmen der Neuordnung des kapitatistischen Weltwirtschaftssystems auf der Konferenz von Bretton Woods 1944 WB und der IWF als Institutionen der kapitalistischen Weltherrschaft. Es ging und geht um die Umsetzung der Politik auf Weltmaßstab, die der Nationalsozialismus vorexerziert hat: Entwicklung durch Vernichtung. Die revolutionären Kämpfe in Europa (insbesondere Süd- und Südosteuropa), den USA und in den drei Kontinenten bildeten den Hintergrund der Entstehung von IWF und WB. Diese Kämpfe zwangen die neu entstehende imperialistischen Weltordnung, in deren Zentrum nun die USA stand, zum Beginn einer schrittweisen Entkolonialisierung der drei Kontinente und der Errichtung von abhängigen imperialistischen Wirtschaftsräumen in Europa und Japan. Dieses Konzept geriet Ende der 50er Jahre endgültig in die Krise. Ursächlich hierfür waren antikolonialistische Kämple und Befreiungsbewegungen und der Zusammenbruch der Industriealisierungsentwürfe der am weitesten entwickelten Länder in Lateinamerika und in Asien

Die Antwort hierauf war die 1961 von der UNO ausgerufende "Enlwicklungsdekade" mit ihrem Kernstück der "Grünen Revolution". Dies bedeutete für die trikontinentalen Massen die Zerstörung ihrer Subsistenzstrukturen, die Vertreibung der sogenannten ländlichen Überbevölkerung in die Slums der neu entstehenden Industriezentren. Dies war gleichzeitig der Beginn einer neuen Umsetzung partriarchaler Gewalt durch die Durchsetzung der Geldökonomie.

Integraler Bestandteil der Entwicktungsdekade waren die Kredite der WB, die hauptsächlich infrastrukturelle Voraussetzung für die Durchdringung der trikontinentalen Ökonomien finanzierten Häfen, Straßenbau, Staudämme.

Doch gegen Ende der 60er Jahre erhob sich eine Serie von Aufständen in der Peripherie wie auch in den Metropolen. Diese Kämpfe führten direkt in die Krise der 70er Jahre. Die Antwort des Kapitals war der frontale Angriff auf die Klasse weltweit: Verteuerung und Verknappung des Weizens, Verteuerung des Öls und die verschärfte Inflationierung des Dollars. Kalkulierte Folgen waren Millionen von Hungertoten in der Peripherie, Verlagerung der "unproduktiven Industrien" von den Metropolen in die Peripherie (niedrigeres Lohnniveau) und Massenarbeitslosigkeit und Reallohnsenkung in den Metropolen.

Vor dem Hintergrund der nun entstehenden massenhaften Kreditvergabe, die sich aus den durch überschüssige Petro- und Eurodollars aufgeblähten internationalen Finanzmärkten speist, tritt nun die sog. "Stabilisierungspolitik" des IWF mehr und mehr in den Vordergrund. Im Kern bedeuten diese Programme Abbau der "unproduktiven" Ausgaben (Nahrungsmittelsubventionen etc.) und die Umstrukturierung der trikontinentalen Nationalökonomien zu Zulieferern für die multinationalen Konzerne.

Doch schon am Ende der 70er Jahre zerbrach dieses Entwicklungskonzept durch den weltweit explodierenden Widerstand, der in der nicaraguanischen und iranischen Revolution seinen Höhepunkt hatte, vollends. Die vom Kapital inszenierte 2.Ölkrise 79 war das Sprungbrett in die Politik des "teuren Dollars". Durch die Erhöhung des Zinsniveaus werden die trikontinentalen Schulden autgewertet: daraus folgt die sog. Schuldenkrise. Hauptorganisatoren dieser Schuldenkrise sind IWF und WB.

Die Höhe der Schulden sollte uns allerdings nicht den Blick auf den eigentlichen Kern des kapitalistischen Angriffs verstellen: durch aufeinander abgestimmte Vernichtungs- und Verwerfungsprogramme den Profit des Kapitals zu sichern.

Das hohe Zinsniveau der internationalen Finanzmärkte blockierte endgültig die Kreditvergabe in jene Bereiche, die eine Profiterwartung unterhalb des Zinsniveaus.
Zusätzlich verschafte sich das Kapital mithilfe der IWF-Auflagenpolltik ein wesentliches Instrumentarium zur Durchsetzung seiner Weltsozialpolitik.

Ob die Menschen etwas zu essen haben, unter welchen Bedingungen sie arbeiten müssen, ob sie zwangssterilisiert oder dem Hungertod preisgegeben werden, liegt fast vollständig jenseits der Entwscheidungsmöglichkeiten von nationalen Regimen, egal ob es sich um Militärdiktaturen, nationale Bourgoisien oder ehemalige Befreiungsbewegungen handelt. Überall ähneln sich die Folgen dieser Weltsozialpolitik. Millionen Menschen werden ihrer Existenzgrundlage beraubt und aus ihren Lebenszusammenhängen vertrieben.

Im Zentrum dieses Angriffs stehen die Frauen. Massensterilisationen und eine regelrechte "Vernichtung durch Arbeit" in den Weltmarktfabriken und -bordellen bilden nur die Spitze dessen, was patriarchale Ausbeutung in den 8Oern bedeutet. Dieses Konzept verläuft nicht bruchlos. Gerade die Frauen sind heute mehr und mehr die Trägerinnen der trikontinentalen Sozialrevolten.

Auch bei uns in den Metropolen wird die IWF-Polilik deutlich sichtbar. Mithilfe der Hochzinspolitik werden auch hier die Einkommen gesenkt und der Klasse neue Verwertungsbedingungen aufgedrückt (flexible Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit, Zwangsarbeit, Streichung in allen sozialen Bereichen, Steuerreform etc.).

Unser Motto heißt:
Verhindern wir den Kongreß !

"Unsere Verhinderungsparole ist ein Schritt zur Bündelung unserer Kräfte hier", heißt es im ersten Aufruf. Wir haben viel verstreichen lassen, was uns diesem Ziel noch ein Stuck näher gebracht hätte. Aber nach wie vor heißt verhindern für ins "ihnen klar zu zeigen: Es wird keine Prestigetagung der Reichen und Mächtigen werden, sondern eine Demonstration des weltweiten Widerstandes." Es ist uns wichtig, diese Parole als Ausdruck einer gemeinsamen Zielsetzung der radikalen Linken verstanden zu wissen, auch wenn sie uns den Vorwurf der Konsensunfähigkeit und Selbstüberschätzung einbringt.

Wir können nur dann die richtigen Schritte machen, wenn wir nicht in die falsche Richtung laufen. Der Ruf nach Schuldenstreichung mag zwar eine momentane Erholung für die abhängigen Länder bedeuten, aber neue Mechanismen werden die alten ablösen, langfristig ändert sich nichts. Die defensiven Verlautbarungen der Banker und Staatsmänner zur Schuldenrückzahlung in letzter Zeit deuten eher darauf hin, daß eine teilweise Streichung der Schulden oder günstigere Rückzahlungsbedingungen ganz im Sinne der Erhaltung der Politik von IWF und WB sein können. Der weltweite massenhafte Widerstand zwingt das System sich zu reformieren und seine Mittel subtiler zu wählen, um weiter effizient arbeiten zu können, ohne allzu schnell als Mordmaschinene identifizierbar zu sein.

Sie werden versuchen während der Tagung jede Art von Protest - geschweige denn Widerstand - über verschärfte Repression zu brechen. Aber wir werden uns nicht in unsere befriedete Häuser zurückdrängen lassen. Wir werden nicht die Feigenblattfunktion für dieses System übernehmen, indem wir ins vor dem Kongreß auf der oppositionellen Spielwiese austoben und die feinen Herren danach ungestört ihre Show abziehen lassen, ihre Demonstration der Macht über unsere Straßen und Köpfe.

Genau an diesen Tagen werden wir auf die Straßen gehen und mit den unterschiedlichsten Aktionen massenhaft und unmißverständlich sagen, warum wir meinen, daß IWF und WB in ihrer Struktur über Reformen genausowenig veränderbar sind wie das System, daß dahintersteht und dessen einzige Logik heißt: Einigen die Macht und den anderen die Arbeit, den Hunger und den Tod.

Das Kapital arbeitet allemal international unsere Antwort heißt Internationalismus. Heißt aufzeigen, daß wir uns von der scheinbaren Trennung zwischen § 218 hier und Zwangssterilisation dort, der Freizügigkeit innerhalb der Grenzen der EG und den geschlossenen Grenzen für Flüchtlinge, deren Herkunftländer von der Türkei bis in den Trikont reichen, dem 14-Stunden-Tag in den Weltmarktfabriken im Trikont und der Flexibilisierung der Arbeitszeit hier nicht irre machen lassen, sondern den Angriff als das begreifen, was er ist: der Versuch, uns bis in die Gene zu Profit zu machen.

Gegen den Kongreß ist schon im Vorfeld einiges geplant. Ein breites Spektrum linker reformistischer Gruppen von den Jusos bis zum BUKO organisiert einen Gegenkongreß und als Abschluß eine Großdemonstration vor Beginn der Tagung. Die Analysen, die auf dem Gegenkongreß vorgetragen werden sollen, verstehen sich als Kritik an der Politik von IWF und Weltbanbank in deren Auswüchsen, das Bestreben ist, diese Institutionen reformieren. Forderungen - und Motto der Großdemonstration - sind die sofortige Schuldenstreichung und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung. Eine Reform der Institutionen kann im Sinne von Modernisierung und Anpassung an veränderte Bedingungen zwar erfolgen, am Charakter ihrer langfristigen Politik ändert das jedoch nichts.

Dieses Spektrum unterstützt soziale Bewegungen und mitunter auch bewaffnete Befreiungsbewegungen in der "Dritten Welt", thematisiert aber nicht den Angriff auf das Kapital in den Metropolen. Die Kämpfe der Trikontvölker werden als reformistisch begriffen. Die Notwendigkeit, das System in seinen Metropolen anzugreifen und so für die Befreiung auch der "Dritten Welt" zu kämpfen, wird nicht gesehen.

Wir begrüßen jedoch die initiative aller Gruppen, auch derer aus dem Reformerspektrum, die sich zu den Aktionstagen verhalten werden, aufs Schärfste.

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