Inhalt
Einleitung
Anmerkungen
Korrekturen
Antrag Indizierung
AG Grauwacke
Verfahren
|
Einleitung zum Buch
Die Geschichte der Autonomen" - dieses Buch kann es eigentlich
gar nicht geben. Der Begriff "Autonome" geistert seit Mitte der
70er Jahre durch die deutsche Linke und war zu keinem Zeitpunkt,
weder personell noch politisch, genau einzugrenzen. Autonome sind
weniger als eine Bewegung, aber mehr als eine Fraktion oder
Strömung. Es gibt kein Programm oder Manifest, weder
Mitgliedschaft noch Austritt, keine Vorsitzende, keinen Kassenwart.
Ab und zu werden sie für aufgelöst erklärt. Es gibt
böswillige Gerüchte, sie seien es schon längst, oder
sie seien bereits wiedergegründet. Manche sind Autonome, ohne
sich selbst so zu bezeichnen, andere nennen sich so, sind's aber
vielleicht gar nicht.
Die Geschichte der Autonomen lässt sich nicht durch
soziologische Forschung und akademisches Quellenstudium
nachzeichnen. Sie muss erzählt werden von denen, die dabei
waren und sind. Die Autoren dieses Buches sind fünf
Männer, die sich über lange Zeit und teils bis heute als
Autonome empfinden. Gemeinsam ist uns, dass wir mindestens seit
Anfang der 80er Jahre in (West-) Berlin politisch aktiv sind und
stets mehr Gewicht auf Praxis als auf Theorie gelegt haben. Wir
können von Demos und Kampagnen erzählen, von Besetzungen,
von sozialen Beziehungen und Arbeitskollektiven, aber auch von
nächtlichen militanten Aktionen. Wir sind uns dabei keineswegs
immer einig in unserer Erinnerung und Bewertung, sondern haben beim
Schreiben viele deutliche Unterschiede zwischen uns bemerkt und
manchen Streit ausgetragen.
Wir erheben mit diesem Buch keinen Anspruch auf
Repräsentativität. Andere würden dieselben
Geschichten ganz anders erzählen. Einiges, das wir hier selbst
nicht oder zu unvollständig erzählen könnten, haben
andere aufgeschrieben. Aber insbesondere wollen wir, dass das Buch
viele dazu anregt, ihre eigene Geschichte beizusteuern. Geschichte
wird von vielen gemacht, nicht von fünfen. Schreibt, Freunde
und Freundinnen! Die Internet- Seite http://autox.nadir.org ist
nicht nur zum Nachlesen, sondern vor allem für eine aktive
Diskussion und Beteiligung vieler gemacht!
Für uns ist dieses Buch mehr als nur ein Rückblick.
Wir haben bestimmt nicht vor, uns nun zur Ruhe zu setzen und aus
dem Ohrensessel darüber zu plaudern, wie wild es "damals" zur
Sache ging. Jeder von uns wird weiterhin linksradikale,
undogmatische, antagonistische Politik machen. Unsere Hoffnung ist,
dass wir mit diesem Buch dazu beitragen können, diese Politik
erkennbarer und attraktiver zu machen - für die, die mal dabei
waren, aber wieder davon abgekommen sind, bis hin zu denen, die zum
ersten Mal da reinschnuppern.
Es ist klar, dass viele Themen und Aspekte im Buch zu kurz
kommen oder ganz fehlen. Auf drei wollen wir besonders hinweisen,
sie ergeben sich aus der Zusammensetzung der Autorengruppe. Wir
schreiben über (West-)Berlin, und diese Stadt mit ihrer
großen linken Szene war stets ein Sonderfall. In anderen
Städten ist manches anders verlaufen. Wir gehören alle
zur politischen Generation der frühen 80er, und was sich
seitdem an kulturellen Umbrüchen und Generationswechseln
abgespielt hat, kann besser von denen erzählt werden, die
unmittelbar Teil davon waren. Und wir sind alle Männer und
haben uns schwer getan mit der Darstellung des
Geschlechterkonfliktes. Unsere individuellen Beiträge zum
Thema sind unausgegoren, widersprüchlich und stellen uns
selbst nicht zufrieden (vor allem die Beiträge der jeweils
anderen). Hier sind wir besonders angewiesen auf die Beteiligung
anderer, die widersprechen, ergänzen, ihre eigene Geschichte
aufschreiben.
Gliederung des Buches
Drei Themen bilden die Schwerpunkte des Buches, zum einen, weil sie
von zentraler Bedeutung in unserem bisherigen politischen Leben
waren, zum anderen, weil sie exemplarisch für wichtige Aspekte
autonomer Politik stehen. Das ist zum einen die West-Berliner
Hausbesetzer-Bewegung Anfang der 80er Jahre, die wir als
beispielhaft für den Begriff der Bewegung ansehen; zweitens
die autonome Kleingruppen-Militanz, die ihren Höhepunkt etwa
1986/87 erreichte; drittens die Mobilisierung gegen das Treffen von
Internationalem Währungsfond und Weltbank 1988 in West-Berlin,
die hier gleichzeitig für den Begriff der politischen Kampagne
an sich steht. Dazwischen stehen kürzere Beiträge zu
Einzelthemen und -kämpfen und Erläuterungen zur
Gesamtsituation.
Die Einteilung der 80er Jahre in zeitliche Phasen erhebt keinen
Anspruch auf historische Genauigkeit oder Zitierfähigkeit, sie
dient der besseren Übersicht. Für die 90er Jahre konnten
wir keine vergleichbaren Phasen identifizieren, weshalb sie ohne
Schwerpunkt bleiben - vielleicht ist der zeitliche Abstand noch
nicht groß genug? Die einzelnen Kapitel haben jeweils einen
durchgehenden Text mit einer subjektiv gefärbten, aber doch
nach Möglichkeit umfassenden Beschreibung der Ereignisse.
Daneben werden in grau unterlegten Kästen persönliche
Erlebnisse und Berichte dokumentiert: Anekdoten, die teils von uns
selbst, teilweise aber auch von anderen Personen stammen und einen
möglichst authentischen Eindruck der jeweiligen Zeit
vermitteln sollen. Manchmal gibt es auch "Tickermeldungen", die den
"offiziellen" Teil der Geschichte, also die Seite von Staat und
bürgerlichen Medien, darstellen.
Die Internet-Verweise beziehen sich auf Quellen und Texte, die
auf der Internet-Seite unter Archiv/ Dokumente zu finden sind. Sie
sind unsystematisch und unterschiedlich gründlich. Wenn uns
Texte oder andere Dokumente wichtig erschienen und sie uns
vorlagen, haben wir sie nach Möglichkeit ins Netz gestellt.
Dieses Archiv ist erweiterbar, Beiträge sind erwünscht!
Am unteren Rand läuft durch das ganze Buch eine kleine
Zeitleiste, die dazu dienen soll, anhand streng subjektiv
ausgewählter Ereignisse anzudeuten, welche "Weltnachrichten"
unsere jeweilige Praxis begleitet haben.
Schliesslich gibt es ganz am Ende des Buches ein Glossar, das
sowohl Fremdworte als auch Szene- Sprache erklärt.
Auf eine Literaturliste haben wir verzichtet, was nicht
bedeutet, dass wir die diversen Erscheinungen zum Thema nicht
gelesen hätten...
Noch eine Bemerkung zur Schreibweise: Anfang der 80er Jahre
sagte "man" "Besetzerbewegung", dann verbreitete sich nach und nach
die Ansicht, dass Sprache auch etwas mit Geschlecht und Herrschaft
zu tun hat, und "mensch" sprach - oder schrieb zumindest - von
"BesetzerInnen- Bewegung". Wir fanden es angemessen, die jeweils
zur Zeit übliche Sprache auch so wiederzugeben. Bedanken
wollen wir uns bei all denen, die sich beteiligt haben und viel
Arbeit für wenig oder kein Geld geleistet haben: Durch Kritik
und Lob, durch Korrektur und Lektorat, durch Layout, durch eigene
Texte, durch die Arbeit an der Internet- Seite, durch das
Überlassen von Fotos.
|