aus: Taz, 30.04.1982
Demonstrations-Lehren
Der Kreuzberger Besetzerrat reagierte schnell auf die Erfahrungen der letzten beiden Demonstrationen. Ohne uns mit den darin enthaltenen Aufrufen zu identifizieren, halten wir es für wichtig, zu dokumentieren, welche Wirkung die in den letzten Ausgaben beschriebene "neue Härte" der Polizei zeitigt:
Wir waren ja toll überrascht, daß endlich wieder einmal so viele Leute auf die Straße gegangen sind, und ihre Wut - sicher nicht nur über die Räumung der Kopischstr. 5 - mit uns zum Ausdruck gebracht haben. Die auf Dauer"rot" gestellten Ampeln an den Kreuzungen, die zugeklebten Schlösser an Banken und Schulen und die anderen Kleinaktionen zeigten erstaunliche Wirkung ("denn für das Echte gibt es keinen Ersatz").
Das harte Vorgehen der B. hat uns nach den letzten Wochen weniger überrascht, jedoch ihr taktisches Vorgehen: Massiver Tränengaseinsatz aus größerer Distanz (auch gezieltes Flachschießen auf einzelne Leute und auf Autos), und die weiträumige Einkreisung von Orten, wo sich Leute sammelten. Sie waren weniger auf Festnahmen aus, sondern versuchten möglichst viele von uns zusammenzuschlagen, um unseinzuschüchtern, auch im Hinblick auf den Reagan-Besuch im Juni.
Eins haben wir daraus gelernt: Wollen wir uns die Straße nicht nehmen lassen, müssen wir uns untereinanderbesser organisieren. Folgende Punkte erscheinen uns wichtig:
- Macht Euch schon vorher darüber Gedanken, was Ihr dort wollt, schaut
Euch die Demoroute an und geht zusammen in Gruppen.
- Erscheint bei Spontandemos besonders pünktlich, steht nicht zu lange
vereinzelt rum, sondern trefft Euch an einer Stelle, damit wir möglichst schnell losziehen können.
- Der Lautsprecherwagen ersezt nicht Euren eigenen Kopf, also selber mitdenken!
- Während der Demo Ketten bilden. In den Ketten selbst sollten nur Leute sein, die sich kennen; noch besser ist, wenn vorne und hinten auch bekannte Leute sind. Auf den Gehwegen, außerhalb der Ketten, hat eigentlich keiner was zu suchen; oft lösen nämlich genau diese Leute Panik bei Übergriffen der B. aus.
- Ketten alleine schützen nur begrenzt, bei Übergriffen/Angriffen der B. müssen Barrikaden hinten gebaut werden, um das Hineinfahren von Wannen in die Demo und das nachfolgende Hineinschlagen erstmal unmöglich zu machen.
- Diejenigen, die immer noch meinen, durch "sich-auf-die-Straße-setzen" das Zusammenschlagen und Verletzwerden verhindern zu können, sollten sich mal überlegen, ob sie die o.g. Vorschläge nicht mehr schützen. Und noch was dazu; die B. schreiten gegen uns nicht wegen Barrikadenbau ein (Dienstagnacht), sondern um auf der Straße wieder Ruhe einkehren zu lassen. Behindert also keine Leute, die Barrikaden bauen, sondern packt am besten selbst mit an.
Aggressionen nach Innen auszutragen ist das Schlechteste, was auf Demos passieren kann.
Zur Not müssen wir eben auch Privat-PKWs querstellen! Es geht darum, die B. aufzuhalten und nicht Autos zu zerstören.
- Die B. versuchen (sowie Dienstagnacht) mit allen Mitteln, diesen Schutz zu brechen: Sie schickten einen Feuerwehrwagen voran, für den Leute die Sperren wegräumten, in der Annahme, es handelte sich um einen Notfall. Kaum war die Straße frei, rasten die Wannen heran, und der Notaztzwagen blieb stehen und machte sein Blaulicht aus. Kein Notfall mehr! Dies beweist wieder einmal die Zusammenarbeit zwischen B. und Feuerwehr. Ein wirklicher Notfall wird über Funk umgeleitet! Also Krankenwagen und Feuerwehr nicht einfach durchlassen, jedoch mit den Fahrern versuchen zu reden, diese jedoch nicht mit Steinen etc. angreifen.
-Auch bei Tränengaseinsatz keine Panik aufkommen lassen. Patronen zurückwerfen (Handschuhe!) und sich mit Brillen, Tuch, Zitrone oder Wasser ausrüsten.
siehe auch: Häuserkampf-Chronologie
1982
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