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aus :radikal nr.155, Mai 1998

RAF - final statement

Zur Abschlußerklärung der RAF

Die beschränkte Seitenzahl und auch die Kürze der Zeit, grüßt momentan keine wirklich fundierte Auseinandersetzung zu. Auf der anderen Seite macht sich bei vielen von uns mittlerweile auch ein gewisser Unmut breit, sich überhaupt genauer mit Erklärungen hochrangiger Vereine auseinanderzusetzen. Zu lange war diese Bemühung absolut einseitig. Gerade in Richtung RAF war alles gegen die Wand gesprochen.

Nun ist sie also da, die Auflösungserklärung der RAF. Sie beinhaltet als einen wesentlichen Aspekt die Aussage, daß es nach 1977 innerhalb des Projekts Bemühungen gab, sich anderen linksradikalen Gruppen anzunähern um eine gemeinsame Handlungsbasis zu erreichen. Daß all diese Versuche, zunächst im Frontkonzept umgesetzt, trotzdem relativ starr an den Vorgaben der Guerilla, am 'alles oder nichts' und an der militärischen Aktion festhielten und deshalb fehlschlugen, hatten auch diejenigen festgestellt, die sich zu der Generation nach 1984 und damit zu einem großen Teil zu den VerfasserInnen der Auflösungserklärung zählen.

Die "Transformation der Guerilla" hat nicht stattgefunden, das neue "revolutionäre Projekt" der "Gegenmacht von unten" ist über seine Formulierung nicht hinausgekommen. Ihr erneuter Versuch der Veränderung erschöpfte sich letztendlich zumindest nach Außen in der Benutzung einer allgemein üblicheren Sprache, in der sie ihre Erklärungen schrieben und in der Durchführung der Weiterstadtaktion, die aus dem gewohnten Aktionsrahmen der Tötungen von Herrschenden hinausfiel und auf breite Zustimmung stieß.

Daß in einer Phase, wo keineR in der Linken so recht weiterwußte, auch die GenossInnen aus der RAF Zweifel hatten, sie diskutieren wollten und dies auch halbherzig öffentlich zugaben, war ein Schritt in die richtige Richtung, und ließ hoffen. Daß sie aber wiederum nur in der Lage waren diese Botschaft in Form einer neuen Phase des Befreiungskampfes, die sie jetzt bestimmt hätten, zu transportieren, zeigte, wie schwer sie sich taten mit dieser Transformation, "unten" anzukommen, wo wir grad alle sind.

Die Neubestimmung der RAF-Politik muß ein enormer auch persönlicher Kraftakt gewesen sein.

Der subjektive Wille zum Bruch, die Entschlossenheit, das 'Sich-reinstellen' welches im 'RAF-sein' seinen vollkommensten Ausdruck fand, war bislang der einzig richtige Weg gewesen. Dieser Weg war nicht nur das Kriterium dafür revolutionär und 'neuer-mensch' zu sein, sondern auch dafür, 'Das-richtige-zu-tun' und nicht zuletzt 'Das-richtige-überhaupt-sehen-zu-können'. Einige Generationen an Linksradikalen haben sich mit ernsthaften Bemühungen um Auseinandersetzung an dieser rechthaberischen Position die Zähne ausgebissen. Das werden auch diejenigen sein, die nachfolgende Abschlußerklärung nur mit Wut im Bauch lesen können. Klar, hier steht jetzt endlich auf einigen Seiten, daß der Weg der RAF nicht der richtigste und einzigste war, der zu gehen gewesen wäre, aber es liest sich fast so, als wäre die letzte RAF-Generation ganz von selbst draufgekommen und keineR zuvor hätte die RAF-Politik jemals vernünftig kritisiert. Außerdem ist die Erklärung insgesamt viel zu knapp, um wirklich fundiert mit einer 28jährigen Guerillageschichte und den jeweiligen Etappen darin, abzuschließen. Sie kann nicht als Aufarbeitung gewertet werden (was eine einzelne RAF-Generation sowieso nicht leisten kann), in dem Sinn, daß sich die Geschichte und die Entscheidungen der RAF den nachfolgenden Generationen vermittelt.

Auch zu Ereignissen und Entscheidungen, die eindeutig in die Verantwortung der letzten Generation fallen, wird nichts neues gesagt. Dazu zählt, genauere Informationen zu geben, über das Mitwissen von Spitzel Steinmetz, an Struktur und Aktionen der RAF. Auch inhaltlich geht die letzte Generation nicht viel über die bekannte Oberflächlichkeit vieler bisheriger Beiträge hinaus. Eine genauere Auseinandersetzung mit dem Antisemitismusvorwurf an die Generation, die die Mogadischuaktion unterstützt hat, läßt sich genauso vermissen, wie die Zurücknahme der Vorstellung, daß mit der Waffe in der Hand die Unterschiede zwischen Mann und Frau beseitigt seien und deshalb nicht länger von Feministinnen am Istzustand des patriarchalen Alltags 'herumgedoktort' werden muß. Frauenbefreiung ist trotz zahlreicher weiblicher AktivistInnen kein Thema der Auseinandersetzung. Genauso wird Rassismus und insbesondere Faschismus nach wie vor hauptsächlich als eine Inszenierung der Herrschenden, zur Sicherung ihrer ökonomischen Interessen, gewertet - eine für die meisten Linken inzwischen überholte Theorie. Insofern ist die Abschlußerklärung ein Zeitdokument von zweifelhaftem Wert.

Zweifel und Selbstkritik zuzulassen ohne ganz umzukippen, nachdem vorher alles einzig darauf zugerichtet war, möglichst fest mit der ganzen Person die Front zu glauben und zu leben, muß ein weitgehender und auch schmerzlicher Wandel für die Gruppe gewesen sein. Das Kollektiv RAF/Gefangene ist daran anscheinend zerbrochen, wozu sicherlich auch die Vernichtungshaftbedingungen mit beigetragen haben.

Der anschließende Streit sowie die Verratsvorwürfe zwischen Teilen der Gefangenen und noch bestehender RAF außerhalb der Knäste, mußten Außenstehende im Unklaren lassen, worum es denn eigentlich bei der Neubestimmung ging, um 'Abwicklung der RAF' oder einen Neuanfang?

Die Situation war so verfahren, daß seit Birgit Hogefelds abschließender Prozeßerklärung, in der sie die Gewalt der RAF-Aklionen bereut und ihr Mitleid mit den Opfern bekundet, auch das Umkippen in Reue zu befürchten war. Die RAF war in den Strudel des Zerfalls geraten, wie so viele andere Projekte und Gruppen auch.

In dieser Situation ist die Erklärung der Auflösung konsequent und richtig. Nach dem langen Schweigen ist es sogar erfreulich, daß sie überhaupt erscheint und das Verschwinden nicht ein sang- und klangloses ist, wie z.B. das der restlichen revolutionären Zellen, die vor Jahren noch vorgaben, weitermachen zu wollen, als sich eine ihrer Gruppen verabschiedete. Stören mag, daß die GenossInnen der nun ehemaligen RAF heute Erkenntnisse als ihre eigenen ausgeben, wofür vor Jahren ihre solidarischen KritikerInnen als halbherzig, wenn nicht gar als VerräterInnen beschimpft worden sind.

Trotzdem, die desolate Situation der Linken heute wurde nicht von der RAF verschuldet. Sie ist eine kollektive Verantwortung. Auch in der Zeitung wurde vor Jahren noch ganz selbstverständlich von revolutionärer Politik geredet, die man/frau meinte zu machen, obwohl eine Revolution nirgends in Sicht war. Heute kommt kaum noch einer/einem dieses Wort über die Lippen. Oh wir hier in diesem Land jemals die Massen auf unserer Seite haben werden, ist mehr als fraglich. Trotzdem ist Widerstand wichtig und legitim! Angesichts der Verhältnisse muß die Option auf klandestine Organisierung und Aktion weiterbestehen. Es muß nicht die RAF sein.

Ein Projekt aufzugehen, welches in 21 Jahren nicht zu den gewünschten Veränderungen der Starre und Eingegrenztheit geführt hat, kann nicht verkehrt sein. Vielleicht ist ein Schlußstrich unter das Alte für einen Neuanfang förderlich. Auch für die Gefangenen könnte ein Schlußstrich eine neue Option auf Freiheit bedeuten. Der Staat wird allerdings keine Scheu haben, die repressiven Instrumente, die er sich seit den Siebzigern angehäuft hat, vermeintlich um die RAF zu besiegen, unter anderer Legitimation weiter auszuhauen.

Trotz aller Kritik und trotz aller Widersprüche war der Kampf der RAF für viele seit sie politisch denken können ein moralischer Ansporn. Die "taktische Option", es mit Widerstand ernst zu meinen, könnte der zukünftigen Linken fehlen.

So folgt denn an dieser Stelle der obligatorische aber herzlich gemeinte Gruß:

VIEL GLÜCK IM NEUEN LEBEN UND LASST EUCH NICHT ERWISCHEN!

Liebe und Kraft den Gefangenen egal welcher Fraktion!

Freilassung !!!

Bis dahin Zusammenlegung derer, die noch wollen!

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