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aus: Unzertrennlich 10/11, Winter 1988

Fragmente zur IWF-Kampagne

"Im September 1988 kommen sie alle her. Die Finanzchefs aus den Kapitalistischen Zentren von Tokio, Frankfurt bis New York; die Schreibtischtäter aus den Schaltzentralen der Multis Toyota, Lockhead, Siemens; die Spekulanten von den Computerterminals des internationalen Währungsdeals....". So hieß es Anfang 1987 im 1. Aufruf zur IWF/Weltbank-Tagung unter der Überschrift "Verhindern wir den Kongress". So hingen die Trauben erstmal sehr hoch.

Seitdem sind Tonnen von Papier dazu produziert wurden, tausende Treffen abgehalten worden, Aktionen vorbereitet und durchgeführt worden. Es gab Risse und Brüche in der Kampagne, viele Schwierigkeiten, die es nocheinmal genauer zu untersuchen gilt. Viele Leute sind erst in der letzten Phase dazugekommen, als es darum ging, die Aktionen während der Tagung konkret vorzubereiten und zu planen, andere sind erst während der Tage selbst aktiv geworden.

Auf der einen Seite hatten wir eine ziemliche Euphorie nach den Aktionstagen, andererseits auch viele Schwierigkeiten mit der gesamten Kampagne. Es wurde immer wieder betont, daß es ganz wichtig ist, was vor und nach dem Kongress läuft, daß bei der Kampagne mehr rauskommt, als ein paar fetzige Tage: daß die Organisationsdebatte geführt wird, die Patriarchatsdiskussion, daß der Internationalismusbegriff hinterfragt und ein neuer entwickelt wird, daß die Ausbeutung in den Metropolen wieder mehr zum Thema gemacht wird. Es stellt sich die Frage, was wirklich davon umgesetzt werden konnte.

Im Moment gibt es ersteinmal einen Einschnitt, ein politisches Vakuum, viele Leute sind weggefahren oder führen gerade ihre Perspektivdiskussion, sind sich am orientieren, am suchen. Ob wir es schaffen können, dieses Vakuum in den nächsten Monaten selber zu füllen, oder ob uns da andere wie die AL usw. zuvorkommen, ist noch eine offene Frage. Wir wollen in diesem Beitrag versuchen, anhand der gelaufenen Ereignisse einige Fragen aufzuwerfen, bezüglich vieler wichtiger Diskussionspunkte während der Kampagne, uns durchwühlen durch die Geschehnisse und Erfahrungen, von der Strategiediskussion bis zur möglichen Perspektive. Doch erstmal zurück zu den Anfängen:

Eine Kampagne sucht eine Bewegung

Als im Frühjahr 87 das Motto "Verhinderen wir den Kongress" ausgerufen wurde, unternahmen wir gerade den Versuch, innerhalb von Anti-AKW-Zusammenhängen die Bewegungsgrenzen zu sprengen und eine sozialrevolutionäre Praxis zu entwickeln, an alltäglichen Konflikten und Widersprüchen anzusetzen und diese zuzuspitzen. Da erschall der Ruf aus Westberlin an uns sog. "Teilbereichsbewegungen", uns in der Anti-IWF-Kampagne zusammenzufinden und zu bündeln.

Nach Westberlin zogs uns auch zurück, denn dort war unser Alltag, und dort sahen wir mehr Möglichkeiten für uns, eine kontinuierliche Praxis zu entwickeln. Eine Praxis, die über den Tellerrand der Szene hinauskommt, und gleichzeitig mit unserem Alltag zu tun hat. Und natürlich wollten wir auch den IWF-Kongress nicht stillschweigend an uns vorüberziehen lassen.

Wir fanden, daß die Diskussion in dieser Phase zu abstrakt und abgetrennt geführt wurde, sich zu wenig auf die eigene Praxis bezog. Zudem bliebs erstmal eine sehr interne Diskussion, viele Leute hatten so keine Lust, auf den angefahrenen Zug aufzuspringen.

Die Sozialbewegungen und Klassenkämpfe in den drei Kontinenten wurden verstärkt zum Bezugspunkt internationalistischer Politik, ebenso die Patriarchatsdiskussion, die Ausbeutung, die Arbeit, unser Alltag hier in den Metropoloen. Das hätte in der Konsequenz bedeutet, mehr zu schauen, was regt sich hier, sich auf gesellschaftliche Konflikte einzulassen und darin Fuß zu fassen, von dort aus den Kampf gegen den IWF-Kongress anzugehen, die Diskussion vom Kopf auf die Füße zu stellen.

In der Strategiediskussion prallten aber erstmal die verschiedenen Konzepte aufeinander. Die Kopplung dieser Diskussion an die Mobilisierung gegen den lWF hatte zudem einige Haken: es führte oft zum Bruch mit der eigenen Geschichte, die Organisierungsdebatte verselbstständigte sich, wurde in der Praxis kaum mehr überprüft, die theoretische Auseinandersetzung und die eigene Praxis fielen ziemlich stark auseinander.

Weiter bedeutete diese Zentralisierung der "militanten Debatte" bereits eine Vorgabe in der Form der Zusammenarbeit, Struktur und Zielsetzung. Außerdem reduziert sich eine Organisationsdebatte auf eine autonome Apparatdiskussion, wenn sie sich nicht auf eine praktische Perspektive von gesellschaftlicher Ausweitung hin orientiert. Uns schien eine Strategiediskussion auf Grundlage der eigenen Arbeit, der eigenen Erfahrungen sinnvoller. Das wäre für uns eine Basis gewesen, von der aus wir uns auch eine längerfristige Zusammenarbeit gegen die Tagung hätten vorstellen können.

So kam es in der Realität oft dazu, daß unsere Inhalte und eine Praxis, die diese transportiert und ausdrückt, nicht zueinanderfanden, daß Leute sich oft entweder für den Szenepapierkrieg, oder für eine in vielen Fällen recht isolierte Praxis entschieden. Bis kurz vor dem Kongress blieb es auch eine offene Frage, wie dies während der Tage zusammenfinden soll:

auf der einen Seite inhaltsschwere Kundgebungen weitab vom Kongressgeschehen, auf der anderen Seite direkte Eingriffe in den Kongressablauf. Auch bei der Suche nach dem Motto für die Aktionstage trat diese Unterschiedlichkeit zu Tage: eher allgemeine Mottos, die offener sind für viele Initiativen und mehr unsere verschiedenen Formen von politischer Praxis zum Thema haben, oder inhaltlich genau bestimmte und eingegrenzte Mottos.

Von Bündnissen und anderen Dingen

Breiten Raum in der Diskussion nahm die Frage der Bündnispolitik ein. Allgemeine Tendenz war, die eigenen Aktionen vorzubereiten und sich nicht an die Kampagne der Grünen, des BuKos dranzuhängen, nicht wie so oft, zu deren militantem Arm zu werden. So sollte gewährleistet werden, daß sich unsere Vorstellungen und politischen Ansätze auch klar und eindeutig ausdrücken, und unsere Praxis nicht dazu dient, das Augenmerk auf Themen zu lenken, die dann andere politisch vermitteln. Das sehen wir auch als Fortschritt gegenüber bspw. der Mobilisierung zum WWG in Bonn oder der Reagan-Demo letztes Jahr in Westberlin.

Statt sich auf zähe Bündnisverhandlungen mit den Funktionären der AL, des BuKos usw. einzulassen, soll die Politik wieder mehr auf die Unterklassen hier bezogen werden, statt die Auseinandersetzung allein mit den liberalen und linksalternativen Kräften zu suchen, sollte sich wieder mehr auf Prozesse und Konflikte im Alltag der Menschen bezogen werden, auf das, was sich auch außerhalb der linksradikalen Szene und Bewegungen an Kämpfen tut.

Dem zugrunde lagen u.a. die Erfahrungen des 1.Mai 87 (Kiezrandale in Kreuzberg) und der Demo vom 1.Mai 88, wo es gelungen war, eine eigenständige Demo mit mehreren tausend Menschen zu organisieren. Oft fehlt es aber noch an Erfahrung und Geduld, dies auch kontinulerlich im Alltag umzusetzen, der Klassenkampf findet oft mehr in den eigenen Redebeiträgen statt, isoliert von vielen der Prozesse, die tatsächlich in der Gesellschaft ablaufen.

So kam es oft zur Problematik: Leute wollen was zu einem bestimmten Konzern, einer bestimmten Institution machen und rennen die Wochen davor wie Irre rum, um Infos und Kontakte zu kriegen. Da werden dann oft Leute funktionalisiert, zum Objekt unserer Politik gemacht, auch dadurch, daß sie zu kämpfenden Subjekten hochstilisiert werden, oder es werden auf die Schnelle Bündnisse eingegangen, die wir theoretisch schon lange über Bord geworfen haben.

"Die Unteiklassen sind zwar als Subjekt revolutionärer Veränderung ausgemacht, allerdings nur auf der Ebene der Analye, und kaum auf der Ebene gesellschaftlicher Paxis. Wo sie sich wehren und kämpfen, entwickeln sie Widerstandsformen, die sich von denen der neuen sozialen Bewegungen grundsätzlich unterscheiden. Kurze, aber heftige Randale, Krawalle, riots, wie sie sich seit Brixton und Toxteth abzeichnen, haben mit traditioneller Kampagnenpolitik nichts mehr zu tun. Eine Linke, die sich auf die Unterklassein bezieht, muß die Verlaufs- und Organisationsformen ihres eigenen Widerstands überdenken, wenn sie Vermittlungsmöglichkeiten nach 'unten' finden will', sagten einst die Rote Zora und die Revolutionären Zellen.

Aufgrund unserer Erfahrungen hier in Westberlin, daß wir die Bedingungen haben, eigene Aktionen mit breiter Beteiligung zu organisieren (bspw. 1.Mai-Demo 88) und im Interesse, Richtung und Orientierung der Aktionen selber zu bestimmen, sollten so auch die Aktionstage eigenständig organisiert werden. Auch fand diesmal keine einheitliche bundesweite Mobilisierung zentral nach Westberlin statt. Vorgeschlagen wurde, daß nur gut vorbereitete Gruppen nach Westberlin kommen sollten, und daß die Leute in ihren Städten was machen sollten.

Das Konzept wurde, je näher die Tage kamen, zusehends aufgeweichter, eine klare Linie gab es nicht mehr. Real sah es dann so aus, daß einige, mehr oder weniger gut vorbereitete Gruppen nach Westberlin kamen, andere zuhause blieben, in manchen anderen Städten dazu was lief, in anderen nicht.

Aber es blieb ja auch in Westberlin bis zum Schluß unklar, welche Stoßrichtung das ganze haben sollte, ob nun Widerstand im Alltag, den Kongress stören und angreifen oder Schwerpunkt auf inhaltlichen Beiträgen. Dazu kam die Unklarheit über die zu erwartende Repression, Horrorszenarien wurden ausgemalt und viele Leute fühlten sich gelähmt. So kam auch Kritik aus verschiedenen Städten, die vor allem eine eindeutige Mobilisierung erwarteten.

Während der Tage stellte sich ziemlich schnell heraus, daß die Bullen einfach überfordert waren, alles in den Griff zu kriegen. Unter diesen Voraussetzungen wäre sicher bei einer stärkeren bundesweiten Mobilisierung mehr zu erreichen gewesen, den Kongressablauf zu stören. Denn dazu kam, daß viele Leute hier in Westberlin stark in die Infrastruktur (Infostellen, Koordination usw.) eingebunden waren, die aus den bestehenden Strukturen entstanden war und gut funktionierte. Andererseits wurde als Priorität ausgegeben, in der eigenen Stadt oder Region was zu entwickeln, was sicher auch langfristig mehr von Bedeutung ist. Viele hatten eben auch einfach keine Lust auf eine vermeintliche Neuauflage einer Massenmobilisierung nach Westberlin.

An der Frage der Beteiligung an der Sonntags-Demo, der großen Bündnisdemo spitzten sich die unterschiedlichen Positionen und Verhaltensweisen zu breiten Bündnissen noch mal zu, bis zum Schluß war die Beteiligung daran sehr umstritten. Es gab hier in Westberlin in breiten Kreisen eine Absage an eine Beteiligung, andere wollten von Anfang an hin der entschieden sich noch kurzfristig dafür. Wir denken, daß es in jeder einzelnen Situation abzuwägen ist, ob du dich auf so eine Sache einläßt, Bedingung für uns ist aber auf alle Fälle, dies langfristig anzugehen, um auf die Bestimmung der Demo Einfluß zu nehmen, was aber auch eigene Stärke voraussetzt. Für uns war aber im Vorfeld der IWF-Tagung der Zug schon längst abgefahren, zentrale Forderungen auf der Sonntagsdemo waren die "Schuldeustreichung" und die "Gerechte Weltwirtschaftsordnung", Forderungen, hinter denen wir so einfach nicht mitlaufen wollten, ein paar eigene Transparente und Parolen waren uns da zu wenig.

"Nach wie vor besteht die Gefahr, nur ein neues 'Modethema' gefunden zu haben, eine neue 'Ein-Punkt'-Bewegung auf die Beine zu stellen, zur Verschuldungskrise zu arbeiten. (...) Ziel dieser Kampagne darf es nicht werden, sachdienliche Hinweise zur Aufmöbelung eines bankrotten Industrialisierungs- und Entwicklungsmodels zu geben."(W. Rosenka/BUKO, in seiner Rede auf dem Gegenkongress)

Auch stellt sich die Frage nach der politischen Glaubwürdigkeit, wenn vorher von autonomer Seite im wesentlichen zu hören war, sich nicht daran zu beteillgen und letztendlich dann doch viele da waren, da hat sich sicher nicht nur der KB eins ins Fäustchen gelacht. Weiter spielten taktische Gründe eine Rolle: es sollte durch eine Nicht-Beteillgung der Fixierung auf eine Großdemo vorgebeugt werden, damit dabei nicht die Aktionstage hinten runter fallen.

Ein weiterer Grund war, daß wir nicht vor dem offiziellen Beginn der Tagung auf die Straße gehen wollten, im Gegensatz zu den Bündniskräften, für die die Demo Abschluß des Gegenkongresses usw. sein sollte. Von daher konzentrierten sich viele darauf, für die Aktionstage und die eigenständige Demo am Donnerstag zu mobilisieren. Viele waren arn Rand der Demo anwesend, und es wurden teilweise Flugblätter verteilt, um so die DemoteilnehmerInnen noch einmal anzusprechen. Aus einem Flugblatt, das auf der Sonntagsdemo verteilt wurde:

Wir schulden ihnen nichts

'Ich freue mich auf Berlin. Die Kritik, die uns dort erwartet, ist wichtig für uns. Denn sie gibt uns Gelegenheit der Öffentlichkeit zu erklären, war wir tun. Das Schlimmste, was dem Währungsfonds passieren könnte, wäre doch Gleichgültigkeit. Kritik, das zeigt die Geschichte, ist der Motor des Fortschritts.'(Währungfondsdirektor Camdessus neulich zum Spiegel)

Wir sind heute nicht auf dieser Demonstration, weil wir eben nicht Motor des Fortschritts, Motor neuer Kapitalstategien sein wollen. Wir wollen nicht der Rettungsanker des Kapitals sein, ihm neue Wege und Strategien von Ausbeutung und Verwertung vorschlagen. Wir wollen nicht daß der Kampf gegen den Imperialismus zu seiner Perfektionierung beiträgt.
Auf der heutigen Demonstration wird eine zentrale Forderung die Schuldenstreichung sein. Schuldenstreichung zu fordern, heißt aber: die Befreiung vom Imperialismus eine Geschäftsangelegenheit der Regierungschefs und Bankenvertreter der verschiedenen Länder sein zu lassen, und nicht eine des Kampfs der Menschen gegen eben diese Politik. Das bedeutet die Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika auf eine passive Opferrolle festzuschreiben, statt sie als aktiven Teil im weltweiten Klassenkampf zu sehen. Was Wunder, wenn eben dieser Klassenkampf bspw. von den Grünen als 'soziale Spannungen' bezeichnet wird, die es eben zu lindern gilt. Wie hieß es doch so schön, der Einstieg in den Ausstieg aus der Schuldenkrise? Wohl bekannt? D.h., sich auf in Szenario einzulassen, wie wir es aus der Atomausstiegsdebatte kennen:
Macht- und Parteipolitik statt selbstbestimmter Kämpfe. Das heißt den Kapitalstrategen Raum und Zeit zu lassen, Kritik und Unzufriedenheit sozialverträglich einzubinden und die Kritikerinnen am Imperialismus der Zukunft mitbasteln zu lassen. (...)"

Für uns bleibt es wichtig, Berührungspunkte und Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit den "Unorganisierten" und der sog. Reformerbasis zu schaffen, auch um Widersprüche innerhalb dieses Spektrums zuzuspitzen, die radikalen Kräfte darin zu stärken. Das wären für uns auf der einen Seite Anlauf- und Treffpunkte, Zentren, wo andere Menschen hinkommen können, Veranstaltungen, Konzerte, Kundgebungen, Diskussionen mal nicht nur in "unseren" Stadtteilen oder in den City-Konsummeilen durchzuführen, auf der anderen Seite auch bei Veranstaltungen von BUKO, DGB, AL usw. zu intervenieren, wie auch auf dem Gegenkongress z.T. geschehen.

Wir finden es auch im Nachhinein richtig, eigene Aktionstage und eine eigenständige Demo durchgeführt zu haben, zu denen sich mehrere Tausend Menschen mobilisieren ließen, und die während der Tage verhinderten, daß wir die militante Würze waren, die andere politisch vermitteln und mit der sie ihr reformistisches Süppchen kochen. Kritisch anzumerken bleibt, daß es bis zum Schluß nur eine begrenzte offene Diskussion über die Demoteilnahme gegeben hat, die Entscheidungen blieben letztendlich individuell, viele, die dann doch hingegangen sind, haben sich vorher nicht getraut, dies öffentlich zu vertreten.

Gafs, Sao Paulo, Paris, Seoul,
oder auf den Spuren des neuen Internationalismus

Es wurde in der Kampagne viel über die Neubestimmung antiimperialistischer Politik geredet, über eine Neuorientierung internationaler Solidarität. Es wurde die Soli-Arbeit mit nationalen Befreiungskämpfen hinterfragt, als deren verlängerter Arm sich viele hier oft definierten, die Sichtweise der Trikont-Länder als allgemeines historisches Subjekt, von dem revolutionäre Veränderungen auch hier in den Metropolen ausgehen. Grundlage eines Neuen Internationalismus und einer antiimperialistischen Praxis sollte der gemeinsame Kampf um soziale Befreiung in den Metropolen wie in den Trikont-Ländern werden.

Es erwies und erweist sich aber als schwierig, das, was sich innerhalb der Theoriedebatte herauskristallisiert hat, praktisch werden zu lassen, wo es selbst in Redebeiträgen usw. während der Tage oft nicht aufgegriffen wurde. In der Praxis hat sich die Abkehr von der ausschließlichen Soli-Arbeit mit Befreiungsbewegungen hauptsächlich dahin verlagert, in Nadelstichmethode Konzerne herauszugreifen und diese gezielt anzugreifen, bspw. Shell und Supermarktketten wegen deren Unterstützung Südafrikas.

Was darin weniger zum Ausdruck kommt, sind die aktuellen Prozesse in den dortigen Ländern oder ein Verhältnis zu den Entwicklungen hier. Internationalismus sollte sich nicht über den Kampf gegen die Macht der Monopole und Konzerne, den gemeinsamen Gegner ausdrücken, sondern sich vor allem auch auf handelnde und kämpfende Menschen hier wie in den drei Kontinenten beziehen. An dieser Frage gilt es weiterzuarbeiten, wie lassen sich Kontakte aufbauen, soziale Prozesse mitkriegen, um an diesen mit der eigenen Politik anzusetzen.

Das gilt v.a. auch für die anlaufende EG-Binnenmarkt-Diskussion, um da nicht gleich wieder in eine Kampagne alten Strickmusters einzusteigen. Wir wollen keine Politik eines autonomen Widerstands, der sich zwar geballt gegen die Schweine wirft, aber keinerlei Energie darauf verwendet, Fisch im Wasser zu sein, an realen Konflikten und Bewegnngen in der Gesellschaft dran zu sein.

Internationalismus sollte mehr sein als die Entscheidung zwischen Befreiungsbewegungen und Hungerrevolten, zwischen organisierten politischen Strukturen und spontanen Aufständen in fernen Ländern. Wie verändert sich die Situation für Berber im Rifgebirge durch einen möglichen EG-Beitritt Marokkos, wie verhalten sie sich dazu, was meint der Bauer oder die Bäuerin in Nordhessen dazu, was hat das alles für Auswirkungen für die nach Frankreich emigrierten Nordafrikanerinnen, was passiert dort? Und das nicht als ethnologische Studie entwickeln, sondern als differenzierter Blick für die Wirklichkeit, für die Dynaniik in der Gesellschaft.

Oliver Tolmein bemerkte dazu in konkret 11/88: ,,Welche Bedeutung das weltweite enorme Erstarken des islamischen Fundamentalismus für die Orientierung des Internationalismus hat, wie mit den oft starken nationalistischen Tendenzen in den Befreiungskämpfen umgegangen werden kann, wie die Linke auf die volksfeindliche Entwicklung der nach einem antikolonialen Befreiungskampf an die Macht gekommenen Regierungen, wie sie aktuell bspw. in Algerien sichtbar wird, reagieren kann - das sind Fragen, über die eine Verständigung in Westberlin auch nicht ansatzweise stattgefunden hat."

Es gibt keinen Liegestuhl im Patriarchat

Die ganzen letzten anderthalb Jahre waren auch eine Zeit, wo sich an diesem Punkt einiges getan hat, Frauen haben sich zusehends aus der gemischten Szene verabschiedet, Männer haben angefangen, die Patriarchats-Diskussion zu führen. Es sind überall Männergruppen aus dem Boden geschossen und oft genauso schnell wieder vertrocknet. Es wurde angefangen, feministische Literatur zu wählen, es gab Anlässe wie Vergewaltigungen in der Szene, die zu heftigsten Diskussionen führten. Vieles ist dabei bis heute recht hilflos geblieben:

Angriffe auf Sexshops usw. von Männern, die oft nicht das wirkliche und ehrliche Verhältnis dazu widerspiegeln, bzw. ein Überspringen von Diskussionen sind, die davor eigentlich erstmal geführt werden müßten. Ein so schnelles klares und eindeutiges Verhältnis dazu, macht doch ganz schön mißtrauisch und ist oft verdammt äußerlich. Andererseits dann wieder der Blick über die Schultern der Frauen, wo dann Männer in manchen Redebeiträgen und Erklärungen die besseren Kenner von Frauenunterdrückung sind wie diese selber.

Wie oft werden Versatzstücke aus Frauendiskussionen einfach nur drangehängt und wird mit einer Eindeutigkeit suggeriert, daß inzwischen alles klar ist, im Grunde können wir ja wieder zusammen Politik machen, wir haben genug aufgeholt. Wir wollen aber weiter daran festhalten, getrennt zu arbeiten, weil die unterschiedlichen Bedingungen in der Gesellschaft sich keineswegs geändert haben, weil Patriarchat keine Theorie ist sondern ein Herrschaftsverhältnis, von dem alle Frauen betroffen sind, und um das sich kein Mann herumwinden kann. Unsere Anseinandersetzung sollte darüber hinauskommen, immer wieder die besondere Unterdrückung von Frauen und deren Widerstand dagegen zu benennen, sonst bleibt es ein dekorativer Schlenker. D.h. viele Fragezeichen zuzulassen und unter Männern vorsichtig die Debatte darüber zu beginnen, was es heißt, von unserer Sozialisation, unseren Bedingungen aus gegen patriarchalische Strukturen und Verhaltensweisen zu kämpfen.

D.h., sich an Themen ganz anders annähern zu müssen wie Frauen, dabei immer auch auszugehen von den eigenen Bedürfnissen, Schwierigkeiten und dem, wo wir Veränderungen wollen. Wenn Frauen für das Selbstbestimmungsrecht über ihre Körper in ihrer Politik, bspw. gegen Gentechnologie oder den §218 kämpfen, so entwickelt sich das aus ihrer Situation,: ihrem Verhältnis dazu. Für Männer reicht es nicht aus, dies einfach zu übernehmen, ohne die eigenen Verantwortlichkeiten und Vorstellungen bspw. in Fragen der Sexualität, Fruchtbarkeit, Verhütung usw. miteinzubeziehen. Sonst passiert es leicht, daß sich diese Fragen zu "neutralen" Unterdrückungs- und Herrschaftsverhältnissen entwickeln, regelrecht statisch werden, wo du als linker Mann, als Handelnder gar nicht mehr darin vorkommst.

Nicht zu Unrecht haben viele Frauen Bedenken, wenn Männer sich plötzlich sog. Frauenthemen aneignen und diese einfach in ihre gängigen Politilkunster übernehmen. So verkommt vieles oft zu einem Argument mehr gegen das System im Allgemeinen. Dann kommen dann so Sachen raus wie "Die Frauen bringen unseren Widerstand an die Plötze" in einem Flugblatt zum ersten Aktionstag, was sicher nicht nur ein peinlicher Ausrutscher war, sondern was Strukturelles.

Nachdem es schon ziemlich zu Beginn der Kampagne in die Auftrennung in Männer- und Frauenplenum gekommen war, organisierten Frauen und Lesben ihre eigenen Aktionstage für die Tagung. In der gemischten Szene gibt es noch ein ziemlich ungeklärtes Verhältnis dazu, zum Verhältnis von Frauengruppen, Männergruppen und gemischter Szene. Das drückt sich in einem Durcheinander bspw. in den Aufrufen der gemischten Szene aus: da werden Frauen- und Lesbenaktionen mal weggelassen oder vertuscht, mal einbezogen oder vereinnahmt, mal herausgehoben. Es gibt die Position von vielen Frauen und manchen Männern, konsequent getrennt zu arbeiten, in Zeitdruck, aufgrund bestehender Kontakte usw. gab es dann doch viele Überschneidungen, als Bündnis, zur Beobachtung, in Zusammenarbeit, die in dieser Weise oft Ausdruck eines völlig ungeklärten praktischen Verhältnisses waren.

Auch kann es für uns keinen geschlechtsneutralen Internationalismus geben, keine geschlechtsneutrale Form internationaler Solidarität. Aktionen, die es offen lassen, ob sie von Männern oder Frauen durchgeführt wurden, behalten ein Fragezeichen, wir wollen eine antiimperialistische Theorie und Praxis entwickeln, die dieses auflöst. Für Männer ist Neuer Internationalismus dann was anderes, als der allgemeine Blick auf die Klassenkämpfe und Sozialbewegungen im Trikont, was anderes als das Einbeziehen von feministischer Theorie in die gängige männliche Theorie. Neben den Versuchen, hier an den Verhältnissen, der eigenen Biographie zu rütteln, auch genau zu schauen, wie sich dieses Herrschaftsverhältnis in anderen Kulturen, Ländern und Konflikten ausdrückt.

Schafft 1,2,3,4,
viele Aktionstage

Es gibt im Moment viele Diskussionen darüber, wer nun eigentlich die Handelnden auf der Straße waren, Altlinke, die aus ihren Löchern und Palästen in 61, Charlottenburg oder sonstwo hervorgekrochen sind, die Malocherin von Bilka, Hertie oder Siemens, Schülerinnen aus den Schulen Westberliner Außenbezirke, Kritische, Linke, Fortschrittliche der BuKo-Basis, angereist aus Bottrop, Schleswig oder Regensburg.

Zu schauen wäre eigentlich, wo wir jetzt noch mit Leuten zu tun haben, in unseren Alltagskonflikten im Stadtteil, in der Schule, auf Arbeit, beim Einkaufen. Wo sich was vom Schwung der Aktionstage in den Alltag retten läßt, und nicht auf die rein nostalgische Suche nach dem revolutionären Subjekt zu gehen. Wir sollten uns die Frage stellen, warum wir kaum was darüber wissen, wer mit uns in den Tagen auf der Straße war, warum wir z.B. wenig mitkriegen, was an den Schulen alles läuft, und dann ganz überrascht sind, wenn so viele SchülerInnen mit uns auf der Straße sind.

Zu den Aktionstagen selber, deren Verlauf, ist bereits in diversen Publikationen ausführlich geschrieben worden, daß es ja einige ganz schwungvolle erfrischende Tage waren. Inwieweit die Stärke, die sich in diesen Tagen entwickelte, End- und Höhepunkt einer Kampagne war, oder ein Schritt in einer Entwicklung, hängt von den Auseinandersetzungen und der Praxis der nächsten Zeit ab. Was auf alle Fälle dabei auch zu untersuchen wäre, sind unsere eigenen Strukturen: ist es mit diesen möglich, daß sich viele Leute darin organisieren, bieten sie die Chance zur Ausweitung?

Mit Sicherheit sind viele neue Leute auf der Straße aktiv gewesen, die Verantwortlichkeiten und Mobilisierung blieb an viel weniger Leuten hängen. So ist es natürlich kein Wunder, daß sich einige Leute immer mehr zu Funktionären und Funktionärinnen entwickeln, die bei jeder Gelegenheit in die Bresche springen und fast nur noch übergreifende Organisationsarbeit machen, dabei total überfordert sind.

Daneben viele Kerne und Zellen, die an ihren Projekten was auf die Beine stellen und viel zum Gelingen der Tage beigetragen haben, ohne jetzt IWF-Kampagne gemacht zu haben, sondern eben einfach nur ihre kontinuierliche Praxis auch gegen die Kongresstage gestellt haben, wenn die kommen, sind wir auch da, wenn sie die Normalität zuspitzen, dann greifen wir sie an und in sie ein. Es gilt das beliebige Nebeneinander aufzulösen, aber nicht durch die Bündelung an einem Fixpunkt, einer Kampagne, einem Thema, sondern durch die lebendige Aufeinanderbezugnahme in einer lebenslangen Kampagne.

Autonome Männergruppe Steglitz

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