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aus: Unzertrennlich Nr.10/11, Winter 1988

Resümee oder Zwischenbilanz

Gedanken zu einer Aufarbeitung der IWF/WB-Kampagne

Nach einer überwiegend positiv wahrgenommenen Aktionswoche Ende September gegen IWF/WB (bei sicherlich starken regionalen unterschieden) wollen wir versuchen, einige Gedanken zum "derzeitigen Stand" der Kampagne zu entwickeln:

Wir wollen einen Blick zurückwerfen auf die mit der Kampagne verbundenen Hoffnungen und Zielvorstellungen, auf ihre thematischen Schwerpunkte, die Hauplinien der inhaltlichen Kontroversen und schließlich auf die praktische Ausgestaltung bis hin zu den Aktionstagen. Wir wollen damit anfangen, die Kampagne selbst (und weniger die Aktionstage) zu reflektieren, dabei sollten auch die ursprünglich formulierten Ansprüche und Ziele mit dem bisher tatsächlich Erreichten konfrontiert werden.

Ein Blick zurück also, den wir als Beitrag für den Blick nach vorne verstehen, für das, was sich aus der Kampagne entwickeln kann und sollte. Denn wenn wir unsere eigenen Ansprüche an die IWE/WB-Kampagne ernst nehmen woll, dann war die Aktionswoche auf der praktischen Ebene zwar ihr Höhepunkt, nicht aber ihr endgültiger Abschluß. Ob sich diese Hoffnung einlösen wird, muß sich allerdings erst noch herausstellen.

Trotz der thematischen Vielfalt und der Unterschiedlichkeit der an die Kampagne herangetragenen Erwartungen (auch innerhalb des autonomen, sich mit anti-imperialistischer Stoßrichtung verstehenden Spektrums) lassen sich u.E. in den ursprünglichen Zielsetzungen einige Schwerpunkte festmachen:

In jedem Fall wurde mit der Kampagne die Hoffnung verbunden, eine größere theoretische Klarheit über das Funktionieren imperialistischer und patriarchaler Herrschaft zu erlangen, die umstrukturierungsprozesse und die Verschärfung der Situation der "Klasse" (s.u.) in den 3 Kontinenten und den Metropolen zu erfassen. Die inhaltliche Debatte zu führen bedeutete, die Verbindungslinien zwischen den Teilbereichsbewegungen (und ihrem jeweiligen "Teilwissen") über die Kampagne aufzuzeigen und herzustellen.

Ausser dem ersten bundesweit verbreiteten Aufruf (Autonome Gruppen Westberlin, im März 87 von der Unzertrennliuch abgedruckt): "Viele Zusammenhänge ahnen wir mehr, als daB wir Sie wissen und belegen können. Darum sind alle Gruppen, die zu verschiedenen Teilbereicben arbeiten, aufgefordert, die Verknüpfungen, die zu Institutione wie dem IWF und der WB bestehen, anfzuspüren und dagegen aktiv zu werden.

Klar war auch, daß über die inhaltliche Schiene die notwendige Abgrenzung zu reformistischen Vorstellungen (auf den IWF Einfluß nehmen bzw. ihn verbessern zu wollen) deutlicher werden sollte. An die Debatte wurde auch der Anspruch gestellt, die innerhalb des autonomen Spektrums bestehenden Kontroversen sichtbar zu machen, produktiv zu diskutieren und auszutragen.

Aus dem Papier "jedes Herz ist eine Zeitbombe": "Wir jhalten es für entscheidend, die verschiedenen Ansätz und Analysen (diverse autonome und antiimperialistische Positionen, Wildcat, Autonomie, marxistische...) nicht einfach gegeneinander zu diskutieren bzw. den einen oder anderen vorschnell zur Grundlage unserer theoretischen Diskussionen zu machen.

Vielmehr wollen wir sie 'miteinander' diskutieren, d.h. offene Fragen, überzeugende Antworten, Lücken zusammenzutragen; die Momente der Metropolenwirklichkeit ausfindig zu machen und sie zu benennen (...)
Die antikapitalistische/antipatriarchale/antiimperialistische Debatte forcieren!" Zu den wichtigsten Punkten der Kontroverse wurden:

- Die Auseinandersetzungen mit dem Patriarchat; wobei hier ein durchaus nicht neuer Diskussionsstrang aufgegriffen wurde, der hier auf theoretische Arbeiten der Bielefelder Soziologinnen (v.Werlhof, Mies, Bennholdt-Thomsen) zurückgeht, innerhalb von autonomen Frauenzusammenhängen schon länger diskutiert wurde und auch bereits bei den Aktionen zum WWG´85 in gemischte Zusammenhänge Eingang fand.

Dennoch erhielt dieser Diskussionsstrang u.E. in der IWF/WB-Kampagne eine in gemischten Zusammenhängen noch nicht vorhandene Bedeutung und löste diverse Diskussionen/Auseinandersetzungen aus: über die Bedeutung und Definition von Subsistenzproduktion, über die Zusammensetzung der Klasse und damit auch über die Bestimmung des revolutionären Subjekts, über den Zusammenhang von Patriarchat und Kapitalismus/Imperialismus und, nicht zuletzt, über Männer- bzw. Frauenverhalten unseren eigenen Strukturen.

- die Auseinandersetzungen um "alten" und "neuen" Internationalismus bzw. die Postulierurrg eines "Neuen Antiimperialismus". Ausgehend von der zumindest teilweise ausschließlichen Orientierung bisheriger Internationalismusarbeit an bewaffneten Befreiungsbewegungen wurde unter dem Stichwort "Blickerweiterung" zunächst die verstärkte Einbeziehung von riots, Landbesetzungen, Aufbau kollektiver Slumstrukturen etc. gefordert.

Die Diskussionslinien verliefen dann entlang der Kritik/Kritisierbarkeit von Befreiungsbewegungen (z.B.: was bedeutet der Vorwurf an die Sandinisten, sie würden letztendlich IWF-Politik unter anderem Vorzeichen betreiben? oder wohin führt die "Empfehlung" an Befreiungsbewegungen wie etwa die FMLN in El Salvador, u.U. auf die politische Machtübernahme zu vezichten ? - für die einen sind dies denkbare Konserquenzen ihrer postulierten Kritikpunkte, für die anderen drückt sich hierin in der Konsequenz die Entsolidarisierung und/oder Zynismus bzw. mangelnde historische Sichtweise aus) bis hin zu den Diskussionen um strategische Angriffsflächen des Imperialismus, wobei die Positionen von der Unterstützung nationaler Befreiung bis hin zur Verwertungsblokkierung auf allen Ebenen reichten und reichen. Dies sind nur einige Diskussionslinien, auch gab es Positionen "dazwischen ". Diese Auseinandersetzungen fanden ihren vorläufigen Höhepunkt auf den Internationalismus Tagen in Bremen im April 88.

- die Kontroverse über die Definition von Klase. Aus "Verhindern wir den Kongreß (august ,87): "Reste alter ML-Positionen (Klasse als freie Lohnarbeiter, als Nichtbesitzer von Produktionsmitteln), Frauen als 'eigentliche Klasse', 'Klasse im wahrsten Sinn', 'Klasse als widersprüchliche Einheit von besonders Unterdrückten: Marginalisierten, Hausfrauen, Entgarantierten - schon in unseren Definitionen gehen wir von sehr unterschiedlichen Ausgangspunkten - aus. " Die Diskussionen führten auch zu der Frage, ob Klasse ökonomisch politisch oder vielleicht in einer Verbindung beider Kategorien herzuleiten sei. Und natürlich ging es dabei nicht um ein akademisches Erkenntnisinteresse, sondern darum, eine konkrete Strategie in den Metropolen aufzuspüren und auch in der Praxis zu entwickeln, um unser Verhältnis zum (oder Stellung im?) revolutionären Subjekt.

Daneben durchzog schon früh ein altes doch immer wieder aktuelles Thema die Diskussionen: die Bündnisfrage, die sich vor allem im Hinblick auf die konkreten Aktionen während der IWF/WB-Tagung in Westberlin stellte. Grundsätzlich gab/gibt es zu diesem Thema (wenn mensch Bündnisse nicht so oder so ablehnt) wenigstens zwei verschiedene Standpunkte:

Der eine geht davon aus, daß wir Bündnisse zumindest nicht von uns aus herbeiführen oder suchen sollten. Vielmehr sollten unsere Politik so überzeugend, unsere Aktionen so gelungen sein, daß andere zu uns kommen, nicht wir zu ihnen. Überspitzt gesagt: mensch hätte nichts dagegen, wenn die "magische Anziehungskraft" autonomer Politik die Massen, das revolutionäre Potential oder einfach andere Gruppen zu uns treiben würde. Aber das Führen aufreibender Bündnisgespräche, endlose Debatten nicht nur entlang der leidigen Gewaltfrage etc. werden - gemessen am möglichen Effekt - als zu mühselig empfunden. Auch die Gefahr der Vereinnahmung, instrumentalisiert zu werden als militantes Aushängeschild reformistischer Politik, wird als zu groß erachtet.

Die andere Position geht davon aus, daß Bündnisse grundsätzlich notwendig und richtig sind, aber auf keinen Fall um jeden Preis. (Prinzipiell für sinnvoll gehalten werden sie neben dem jeweils konkret angestrebten politischen Effekt auch deshalb, weil von der Notwendigkeit der Verbreiterung und Vermittlung ausgegangen wird, lapidar ausgedrückt, weil wir alle nicht als autonome Linke geboren worden sind.) Es geht dann hierbei darum, Kriterien zu entwickeln, auf welcher Grundlage Bündnisse sinnvoll sind, unter welchen Bedingungen sie eingegangen werden könnten und sollten.

Wir geben einen etwas längeren Abschnitt aus "Jedes Herz ist eine Zeitbombe" wieder, in dem einige Kriterien aber auch Gefahren benannt werden, die VerfasserInnen aber dennoch differenziert für ein Bündnis (hier: bei d. IWF-Demo/Aktionen) argumentieren, und auch vergangene Bündniserfahrungen wie etwa Hanau-Demo 86, WWG 85 - u.E. zu recht - als positiv bewerten:

"Wir können uns diese Demo, wie die ganze Kampagne, nur mit der Beteiligung möglichst vieler in der BRD existierenden politischen und sozialen Bewegungen vorstellen. Wir sind zwar ebenfalls der Meinung, daß eine revolutionäre inhaltliche Position uns von reformistischen Kräften zunächst bewußt isoliert, daß 'Kampagne' aber deswegen heißen muß, aus dieser Isolierung rauszukommen, zu informieren, zu aktivieren. Wir halten das Bewußtsein und die Bestimmumg dieser beiden Ausgangspunkte für die zentralen Voraussetzungen/Ziele der Kampagne, des Prozesses. Eine Folgerung, die auf der Suche dannach, der Isolierung zu entkommen, getroffen wird, nämlich 'Wir sollten von vornherein klarmachen, daß wir alle Aktionsformen gegen den IWF für richtig halten - von der Menschenkette bis Reden der kritischen Aktionäre', erscheint uns weder unbedingt zwingend noch logisch richtig zu sein.

Vielmehr halten wir sie für falsch und politisch, wie sich oft erwiesen hat, fatal. Denn diese Position unterschätzt die Eigendynamik und Bedeutung reformistischer Aktionen und ihre inhaltlichen Bestimmungen. Wir können uns nicht darauf beschränken, die Tolerierung unserer Aktionsformen zu fordern, an die sich reformistische Funktionäre im Zweifelsfalle noch nie gehalten haben, und ansonsten auf das produktive Nebeneinander vielfältigster Aktionsformen und Inhalte hoffen. Vielfalt von Aktionsformen kann nur innerhalb eines Rahmens produktiv werden, der Ausdruck einer gemeinsamen, inhaltlichen Grundlage ist.

Wir sind also nicht grundsätzlich gegen Bündnisse, sondern glauben, daß es in jeder spezifischen Situation darauf ankommt, Bedingungen, Einflußmöglichkeiten... zu untersuchen und danach zu entscheiden (Hanau war richtig. WWG auch - wir können aus beidem lernen). Auf der anderen Seite sind wir dafür, Aktionsformen, die die Entwicklungsmöglichkeiten eines politischen Prozesse massiv behindern/ verunmöglichen aufs schärfste zu unterbinden. Kein Nebeneinander, wo Spaltung und damit "Verhinderung" angesagt wären. Es ist also eine andere Frage, wann und wie (politischer Nutzen für uns) Bündnisse aufzukündigen/ eine Spaltung in der Bewegung notwendig und politisch richtig wird!"

Wir stimmen mit dieser Haltung grundsätzlich überein. Es ließe sich aus unserer Sicht noch ergänzen, daß wir die benannte Voraussetzung "einer gemeinsamen, inhaltlichen Grundlage" für besonders wichtig erachten: klar abgesteckte Zielsetzungen oder auch "nur" strategische Teilziele, die gemeinsam getragen werden können, sind für ein Bündnis notwendig. So ist es bspw. auf der Grundlage der Forderung nach Erhalt der Hafenstraße - relativ gesehen - einfacher, ein Bündnis einzugehen oder herzustellen, als beim Thema IWF wo sich manche Forderungen von reformistischer Seite mit unseren Zielen nicht mehr vereinbaren lassen.

Prinzipiell glauben wir, daß das, was bei einem Bündnis herauskommen kann, stark von unserem Engagement abhängt. Je offensiver und früher wir auftreten (in dem Fall, daß eine bewußte Entscheidung dafür vorausgegangen ist), desto eher können wir den rechten Rand in die Defensive drängen unsere Vorstellungen durchsetzen und das Bündnis zu einem für uns Sinnvollen machen.

Warum es dann bei der Berliner Demo am Sonntag vor der Aktionswoche nicht zu einer Beteiligung unsererseits am Bündnis kam, mag sich aus Gründen erklären, die nicht unmittelbar mit den benannteb prinzipiellen Überlegungen zu tun haben (sie werden in der gleichen UZ von BerlinerInnen dargelegt).

Festzuhalten bleibt dann aber, daß von den konkreten Gründen, die zu einer Nichtbeteiligung der Berlinerlnnen am Bündnis geführt haben, in Westdeutschland nur wenig bekannt wurde (außer, daß die Sonntagsdemo eben am Sonntag, also vor der Tagung laufen sollte). Für viele von uns stellte es sich so dar, als ob die Bündnisfrage in Westberlin hauptsächlich entlang der Einschätzung der eigenen Stärke debattiert wurde. (was wir für ein fragwürdiges Kriterium halten), d.h. am Anfang schien es so, als seien wir stark genug, hätten also die "Reformer" eh nicht nötig und als sei erst mit veränderter Einschätzung der eigenen Stärke und zunehmender Repressionsangst für manche die Bündnispolitik wieder ins Blickfeld gerückt.

Über die Zusammenführung der verschiedenen Teilbereiche sollte die Kampagne - neben den bereits genannten - die Umsetzung vor allem folgender Zielsetzungen ermöglichen:

a) Wir wollten wegkommen von dem Abfahren/Aufspringen auf Themen bzw. Teilbereiche, hin zu der Entwicklung einer revolutionären Strategie. Aus "Jedes Herz...": ",Wir sehen die antikapitalistische Woche, die Libertären Tage, die anlaufende Militansdebatte, Neuorientierungen und Grundsatzdiskussionen in den Städten, die Versuche und Bestrebungen, Teilbereichskämpfe neu zu bestimmen/auf eine qualitativ neue Stufe zu heben (z.B. KWU/Siemens-Kampagne), als reale Basis an für die Einleitung von neuen Entwicklungen und Prozessen."(S.3).

Und daraus die Konsequenz: "Den Sprung von der spontanen Bewegung zur organisierten revolutionären Kraft einleiten (...), die Entwicklung von Vorstellungen und Linien einer relevanten revolutionären Strategie in den Metropolen "(S. 3/4).

Diese nicht unbescheidenen Forderungen haben in der Reichweite nicht alle von uns erhoben, aber in jedem Fall ging es darum, "von den Teilbereichen aus weiterzugehen, in der inhaltlichen Auseinandersetzung und im praktischen Widerstand" (aus dem Aufruf der Autonomen Gruppen W-Berlin), nicht einem neuen Modethema aufzusitzen, sondern in der Kampagne "Kräfte zu bündeln" (aus"Verhindern wir ..").

b) Daneben wollten wir über die "militante Debatte" und die Zusammenführung der Teilbereiche an diesem Punkt die Strukturen unter uns, die Organisierung autonomer Kräfte vorantreiben. "Inzwischen sind fast alle Linksradikalen für 'Organisierung' aber auch hier wimmelt es von unterschiedlichen Konzepten." (aus "Verhindern wir ..") Einigkeit herrschte vielleicht insofern, daß über die Kampagne die Möglichkeiten und Notwendigkeiten eines Austauschs, einer forcierten Debatte untereinander durch bundesweite und regionale Treffen, über Infos, Broschüren etc. verstärkt, und damit unsere Strukturen ausgebaut würden. Die (nicht eingelösten) Vorstellungen reichten von einem Kongreß, einem Camp, regelmäßigen Infos, Broschüren bis hin zu einem Archiv.

c) Schließlich sollte die Orientierung der Kampagne an der Politik des IWF und der bevorstehenden Tagung in Westberlin, die Möglichkeit schaffen, sowohl unseren praktischen Kampf und Protest dagegen, als auch die Auseinandersetzungen über (bzw. Anstrengungen für) Organisierung und die inhaltliche Debatte auf einen konkreten Punkt zu beziehen.

In einem Papier vom Nov. 87 ("Ansprüche an die IWF-Kampagne/Neuer Internationalismus") wurde grundsätzlichen Einwänden gegen eine IWF-Kampagne damit widersprochen, "daß ein praktischer Bezugspunkt die theoretische Debatte auf den Boden der Realität zwingt, daß z.B. inhaltliche Angriffslinien wie auch praktische Bündnisfragen sich ganz direkt stellen, Ansprüche zumindest als Momentaufnahmen auf ihre Machbarkeit und Umsetzung überprüft werden können".

Und nicht zuletzt hatte die Kampagne das erklärte Ziel, den Kongreß zu verhindern. Noch einmal aus dem Aufruf der Westberlinerlnnen von Anfang 87: "Wir meinen diesen Vorschlag nicht als militärisches Problem. Wir müssen erreichen, daß ihnen jede ihrer feierlichen Erklärungen im Halse stecken bleibt, daß sie sich in ihre Hochsicherheitshotels, in ihre Tagungsbunker und militärisch abgesicherten Zufahrtswege verschanzen müssen, weil zuviele in der gesamten übrigen Stadt sind, die ihre Lügen erkannt haben, vor deren Ablehnung und Wut sie sich zurückziehen müssen. Verhindern heißt, ihnen klar zu zeigen, es wird keine Prestigetagung der Reichen und Mächtigen werden, sondern eine Demonstration des weltweiten Widerstands - und das wird nicht in ungestörter Harmonie verlaufen.

Dieses Ziel haben wir dann doch zumindest ansatzweise recht gut eingelöst, was den Widerstand und die Aktionstage in Berlin betrifft. Bundesweit war der Widerstand dagegen eher dürr. Insgesamt waren die Vorstellungen von breiteren Massenaktionen, von flächendeckenden Sabotageaktionen von vor allem lange vor der Tagung in Berlin über das gesamte Bundesgebiet verstreut laufenden Sachen, viel höher. Ab dem Sommer 88 war dieser Optimismus auf ein Minimum gesunken.

Jede Menge Frust und Resignation machte sich in unseren Strukturen breit. Die Vorstellungen von dem, was noch möglich und vorbereitbar ist, waren eher düster, ganz besonders stark außerhalb Westberlins. Dies drückte sich z.B. in zugespitzter und ironischer Form auf der Rückseite der letzten Unzertrennlich so aus: Verhindern wir den Kongreß am Urlaubsstrand.

Auf der Aktionsebene gibt es ein deutliches Gefälle Berlin - bundesweit. Nicht nur der schwache Widerstand in Westdeutschland macht uns nahdenklich, sondern wir stellen uns auch die Frage, warum die Aktionstage so wenig Leute nach Westberlin mobilisiert haben. Einen Grund sehen wir in der Einschätzung der Repression: "Im September anläßlich des IWF-Kongresses, werden wir wieder eine eindrucksvolle Machtdemonstration der Staatsmacht erleben. Die 21.647 Polizeibediensteten werden den Apparat auf hochtouren bringen. Kewenigs Söldner werden ausschwärmen und sie werden sich nicht auf Stockschläge und Verhaftungen auf der Demo beschränken. Bespitzelungen. Abhöraktionen, Hausdurchsuchungen, Verhaftungen im Vorfeld ("Gefahr im Verzug"): Sie werden sich alle Mühe geben, schon vorher Unruheherde zu beseitigen!"

Schreckensszenarien von Massenfestnahmen bereits an der Grenze, von der Abriegelung Kreuzbergs und und und haben wir ausgemalt. Der Staat hat seinen Teil dazu beigetragen, wie die vollmundige Bemerkung Kewenigs zeigt: "Bis zum Sommer is das Problem der Autonomen vom Tisch."

Die Einschätzung der Repression kmmt allerdings nicht von ungefähr, sie beruht ja auf Erfahrungen. Die Einschätzung vorher war deshalb im Prinzip nicht falsch. Auch wenn wir damit eher zu Verunsicherung, Abschreckung und Angst beigetragen haben, als zu einer konstruktiven Auseinandersetzung.

Die Überlegungen, um der Paranoia was entgegenzusetzen waren eher dünn, zu ungenau und nicht mit aller Konsequenz in die Diskussion gebracht worden. Viel schärfer hätten wir Vorstellungen überlegen und einbringen müssen, was wir dann trotzdem machen - und letztendlich Aktionen trotz der Repression und der zu erwartenden Konsequenzen durchzuführen.

Gerade auch um die Repression zu unterlaufen, haben Autonome das Kleingruppenkonzept entwickelt. Dies war sicher der weitgehendste Versuch, trotz Horrorszenarien über Bullenstrategien, Wege von Widerstand zu finden. Wir haben dennoch jede Menge Kritik an diesem Konzept-Vorschlag und sehen darin auch einen wesentlichen Grund für die schwache Mobilisierung. Das Konzept vermittelt einen recht hohen Anspruch:

"...es werden aber dennoch viele Leute aus dem Bundesgebiet nach Berlin im September kommen wollen. Das hat aber nur dann Sinn, wenn diese Menschen sich bestmöglichst vorbereiten, die Situation in dieser Stadt kennen. Und vor allem wissen, was sie hier wollen. Das setzt voraus, daßsie sich vorher mit Leuten aus Berlin, die sie kennen, zusammen setzen und alle Informationsmöglichkeiten, die angeboten werden, nutzen.
Noch mal klar ausgedrückt: Wir legen eigentlich keinen Wert auf GenossInnen, die unvorbereitet und ohne Konzept,ohne Vorstellungen welche Aktionen sie hier machen wollen, nach Berlin kommen."

Dieses Konzept setzt recht in takte Strukturen der bundesweiten Gruppen voraus, die es zu diesem Zeitpunkt der Konzeptvorstellung nur (noch) vereinzelt gab. Gerade in Süddeutschland und im Rhein-Main-Gebiet (bedingt durch die Ereignisse nach dem 2.11. ) ist die autonome Bewegung und deren Strukturen eher schwach. Zudem hat das Konzept die Angst gerade bei den westdeutschen Gruppen verstärkt und dadurch eher demobilsierend gewirkt.

Die Repressionswelle verlief dann bedeutend schwächer, als wir vorher angenommen hatten. Viele der Horrorszenarien traten gar nicht ein. ".. nach den nächtlichen Auftritten habe man 'die Wunden geleckt', sagt ein hoher Beamter ohne Umschweife, "es war keine gute Veranstaltung für die Polizei'." Wir haben auf diese veränderte Situation nicht flexibel genug reagiert. Das gilt sowohl für die Aktionstage in Berlin, als auch für Aktionen in der BRD.

Kampagnenbegriff

Wir wollen nochmal genauer eingehen auf das gesamte Verständnis der Kampagne. In vielen Papieren vorher wurde der Begriff nicht genau definiert und nicht exakt getrennt von dem, was wir mit einer langfristigen politischen Strategie meinen. Dadurch entstanden bei vielen von uns falsche Erwartungen. Wir wollen versuchen, den Begriff Kampagne etwas genauer zu definieren und unsere Erwartungen an die Kampagne gegen IWF/WB bzw. an das, was darüber hinausgeht, beschreiben.

Einig sind wir uns darin, daß Kampagne nicht gleichzusetzen ist mit Kampf/Strategie, daß aber beides im Zusammenhang stehen muß. Die Kampagne innerhalb eines politischen Kampfes ist Mittel und Motor, über den sich Widerstand gegen Imperialismus breiter ausdrückt und zuspitzt. Kampagne als Moment, Kräfte zu bündeln und aktiv werden zu lassen, als Möglichkeit, breiter zu mobilisieren, als Verbindung, Theorie umzusetzen.

Kampagnen sehen wir im Unterschied zu Bewegungen als bewußt initiiert, mit einer bewußt getroffenen Entscheidung und einer konkreten Zielsetzung. Im Gegensatz dazu sind Bewegungen eher etwas gewachsenes. Wir haben versucht, über die Kampagne gegen IWF/WB diesen Ansprüchen ein Stück näher zu kommen. Von dem, was darin steckt, war die Möglichkeit auch da, weit mehr noch an Ansprüchen und Vorstellungen von uns einzulösen.

Was bleibt, ist die Widersprüchlichkeit von Kampagnenarbeit und der alltäglichen (politischen) Arbeit. Diesem Widerspruch wollten wir dadurch begegnen, indem wir aus unserer bisherigen Arbeit, aus den Teilbereichen raus, uns auf den IWF/die WB beziehen, das Thema mit einbeziehen, anstatt auf ein neues "Modethema" aufzuspringen. Damit wollten wir ein Stück weit auch das Loch/Vakuum am Ende der Kampagne, wie wir das aus früheren Erfahrungen kennen, auffangen. Dem Widerspruch konnten wir so nicht befriedigend begegnen.

Logischerweise war es in den letzten Wochen vor dem Kongreß so, daß wir zum größten Teil aus der alltäglichen Arebit rausgerissen wurden und, zumindest gilt das für Berlin besonders, daß zur Zeit erstmal die Luft raus ist. Aber insgesamt können wir auch sagen, daß das Thema IWF/WB aus den "Hitlisten" autonomer Politik wieder eher einen der unteren Ränge einnimmt.

"Zudem steht in bisher formulierten Ansprüchen an die Kampagne außer Frage, daß der September 88 nicht Endpunkt ist, sondern maximal eine erste Zwischenbilanz ermöglicht, ein Punkt eben, auf den hinzuarbeiten ist im Rahmen einer langfristigen Organisierung der autonomen Linken (aus "Ansprüche an die IWF-Kampagne/Neuer Internationalismus").

Um diesen Anspruch genauer zu verstehen, wollen wir uns die Besonderheiten der IWF/WB-Kampagne ansehen; wir haben von vorneherein die Kampagne als Möglichkeit gesehen, auf drei verschiedenen Ebenen zu arbeiten:
Auf der praktischen Ebene sollten und haben die Aktionstage als Momentzustand ihren Ausdruck gefunden. Diese Ebene ist mit Ende der Tagung in Berlin als Zuspitzung auch abgeschlossen.
Auf der organisatorischen und letztendlich auf der theoretischen Ebene liegen die Ansätze, die sich an der Kampagne entfacht haben und die über sie hinausgehen werden.

Auf der theoretischen Ebene liegt sicher einer ihrer größten Erfolge. In der inhaltlichen Diskussion haben wir versucht, viel weniger über IWF/WB als Institutionen zu reden, als über imperialistische Angriffslinien. Am Anfang, so 1 1/2 Jahre vor der Tagung in Berlin, gab es schnell Treffen und Gruppen, die sich über das Thema IWF der Analyse des Imperialismus und den Kämpfen dagegen genähert haben. Bei uns sind mehr Fragen als Antworten entstanden. Wir haben es nicht erreicht, eine konstruktive Auseinandersetzung der verschiedenen Richtungen/Pole zusammenzuführen, wir waren nicht fähig zu einer produktiven Konfrontation. Viele der Treffen und Gruppen sind dann wieder zusammengebrochen.

Die Organisierungs- Diskussionen reichen in viele Zusammenhänge hinein, auch wenn sich diese nicht mit IWF beschäftigen oder beschäftigt haben, gerade an diesem Punkt wird es sicher weitergehen.

Insgesamt haben wir uns sehr viel mehr als die Jahre vorher mit Theorie auseinandergesetzt. Innerhalb der Kampagne entstand dadurch eine relative Theorielastigkeit. Das Verhältnis von Theorie zu Praxis war ungleich auf Kosten der praktischen Umsetzung. Unsere permanente Diskussion um Imperialismus, imperialistische Angriffslinien bis hin zur Sicht das Kapital als ,transnationales Kommando' zu sehen, was uns 'scheinbar unangreifbar aus den Weltkathedralen des Monopols entgegentritt', hat uns eher ohnmächtig werden lassen, anstatt von der globalen Sichtweise zum lokalen Handeln zu kommen.

Im Spätsommer 1988 gab es dann doch kurzfristig jede Menge Versuche noch was auf die Beine zu stellen. Sowohl die Aktionstage in Berlin, als auch mehrere Demos und Aktionen in anderen bundesweiten Städten (Bremen, Hamburg, Hannover, Stuttgart, Frankfurt).

Außerhalb der sog. Lutter-Treffen gab es eigentlich kein größeres bundesweites Zusammenkommen der Autonomen und Anti-Imperialisten im direkten Bezug auf die Kampagne, wie das als Idee mit dem Oster- Kongreß vorgesehen war. Die Bremer Internationalismus-Tage wurden dann mehr oder weniger zu diesem größeren (einzigen) Diskussions-Punkt, wo mehrere hundert Leute aus der ganzen BRD sich trafen. Die Diskussionen während der Tage blieben für Viele unbefriedigend. Die verdeckte Dominanz der Autonomie Richtung, der starre Veranstaltungsrahmen haben viel erschwert bzw. verunmöglicht.

In Bremen wurden dann die Kontroversen des Patriachats, zwischen Frauen und Männern und am Punkt des 'neuen' und 'alten' Anti-Imperilaismus nochmal deutlich sichtbar und haben viel aufgerissen und eher wenig Annäherung gebracht.

Abschließend ist zu sagen, daß die Ziele, die an die Kampagne gestellt waren/sind, sehr hoch sind. Wir konnten zu Beginn nicht absehen, oh wir auch nur einen Teil davon erreichen können. Wir hatten bisher allerdings auch keinerlei Erfahrungen mit dieser Art von Kampagnen-Arbeit. Durch die zu hoch gesteckten Ziele und Erwartungen war Frust, Resignation, Unlust und die Nichtbeteiligung vieler Leute von vorneherein vorprogrammiert, trotz der zu hohen Erwartungen hätte mehr laufen , die Diskussionen genauer geführt und die Organisierung stärker vorangetrieben werden können. Wenn es uns gelingt, den Widerstand an den über die Kampagne aufgedeckten Angriffslinien weiterzuentwickeln, ist das auch schon ein Erfolg.
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