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aus der taz vom 28.04.1993

Dokumentation: zum Anschlag aufs Grundbuchamt Barby

Wider die Junker!

Im Schloß Barby an der Elbe werden die abgeschlossenen Grundbücher, einschließlich der Akten aus der ehemaligen DDR gelagert. Diese Grundbücher sind die Dokumente der Enteignung, die zwischen 1945 und 1949 von den Sowjets durchgeführt wurden. Mehrere Millionen Hektar Junkerland und Großgrundbesitz gingen in Volkseigentum über. Die Enteignungen richteten sich gegen eine wesentliche Stütze des Nationalsozialismus in Deutschland.

Darüber hinaus lagern in Barby auch die Akten, die die "Arisierung" jüdischen Besitzes während der Nazizeit dokumentieren. Diese Akten waren für uns ein großes Problem, und es stand in Frage, ob wir die Aktion durchführen können. Wir haben es trotzdem gemacht, weil wir jede Form des Privateigentums ablehnen. Das Leid, das die Opfer des Faschismus erfahren haben, läßt sich im Grunde nicht mit Geld entschädigen. Daß heute statt den Opfern das Land wieder Junkern und Nazis zugestanden wird, rechtfertigt den Versuch, das Schloß samt allen Grundbüchern niederzubrennen, auch wenn sich das ungünstig für einzelne auswirken könnte.

Damit stellen wir in keiner Weise die berechtigten Ansprüche der Opfer des Nationalsozialismus und ihrer Nachfahren in Frage und unterstützen die Forderungen mit Nachdruck. Dabei geht es uns allerdings darum, daß nicht die Menschen, die jetzt in den Häusern leben, in den Fabriken oder auf dem Land arbeiten, die Zeche zahlen müssen, sondern die Bundesregierung und die großen Konzerne als Profiteure des 2. Weltkrieges.

Wir sagen ganz klar, alle Opfer des Faschismus müssen entschädigt werden: WiderstandskämpferInnen jedes politischen Hintergrundes, die ZwangsarbeiterInnen aus allen europäischen Ländern, Roma und Sinti, jüdische Menschen, Schwule und Lesben und die Menschen, die als "asozial" galten, weil sie in den unterschiedlichsten Arten und Weisen nicht in den faschistischen Staat paßten. Mit ihrem Leben und Sterben wurden Milliarden an Profiten gemacht. Die Konzerne, Großgrundbesitzer und Großbauern, die davon profitiert haben, sollen auch die notwendigen Entschädigungen bezahlen. Millionen von Opfern haben bis heute keine Entschädigung erhalten. (...) Da wir gegen jede Form von Privateigentum an Häusern, Land und Fabriken sind, sprechen wir uns auch gegen das bürgerliche Erbrecht aus. Deshalb sollen die berechtigten Ansprüche der Opfer bzw. Nachkommen nicht mit Häusern und Land beglichen werden, sondern in einer gerechten Ausgleichszahlung, so daß niemand von ihnen in Not und Armut leben muß.

Zum anderen lagern in Barby auch die Unterlagen über enteignete Grundstücke und Häuser von Menschen, die die DDR verlassen haben. In der Regel haben sie von der Bundesregierung ohne größere Schwierigkeiten Entschädigungszahlungen erhalten, im Unterschied zu den Opfern des Nationalsozialismus. Es gab sicherlich die verschiedensten Gründe, die DDR zu verlassen, und wir sind es nicht, die darüber urteilen. Da wir von den Entschädigungen der Bundesregierungen wissen, sind diese Unterlagen kein Problem. Alles in allem kann man sagen, daß in diesen Büchern mehr als die halbe DDR ruhte.

Mittlerweile sind etliche Enteignungen durch Restitutionsansprüche wieder rückgängig gemacht worden. 1,2 Millionen Anträge liegen vor, davon liegen allein 80 Prozent der gebrauchten Dokumente in Barby. Nach dem Einigungsvertrag sollte der zwischen 1945 und 1949 enteignete Besitz bei Bund und Ländern bleiben. Die Sowjetunion setzte im "4 + 2"-Vertragswerk durch, daß die Bodenreform nicht rückgängig gemacht werden konnte. Durch ein Junkerförderungsprogramm, bei dem die Treuhand die Richtlinien festgelegt hatte, wird der ostelbische Adel jedoch bevorzugt. Wenn die ehemaligen Junker oder ihre Nachkommen bis zu 160 ha Land wiederbewirtschaften wollen, dann erhalten sie ein Vorkaufsrecht. Der Zinsdienst ist dabei so niedrig, daß er geringen Pachtkosten gleichkommt.

Die noch vorhandenen LPGs und die BäuerInnen, die das Land jetzt bewirtschaften, haben das Nachsehen. Über diesen Weg wurde die Bodenreform der Sowjets auf kaltem Weg rückgängig gemacht, ohne daß sich die Bundesregierung eines Vertragsbruchs schuldig gemacht hat. Auch der Umgang mit der Liste III (sie regelt die Überführung in Volkseigentum und wurde erst 1949 im Gesetzblatt der DDR verkündet) bildet keine Ausnahme bei der Handhabung. In diesem Fall sollen die Immobilien an die ehemaligen EigentümerInnen zurückgegeben werden. Durch diese Maßnahmen kommen die alten Mächte wieder zur ihrem Reichtum, auch in dem Teil Deutschlands, wo es ihnen 40 Jahre lang verwehrt worden ist. Das sind z.B. das Haus Hohenzollern und die Hermann-Göring-Erben: die Preussag AG. (...)

Die Möglichkeiten, sich Eigentum an Grund und Boden, Immobilien und Produktionsmitteln zu beschaffen, ist eines der wesentlichen Grundübel dieser Gesellschaft. Wir wollen, daß niemand Profit machen kann und von der Arbeit anderer lebt, und wir bekämpfen, daß es möglich ist, aufgrund von Eigentum Macht über andere ausüben zu können. Land steht den Menschen zu, die es kollektiv bewirtschaften. Über Wohnraum sollen die entscheiden, die drin wohnen, egal ob es Haus, Dorf oder Straßengemeinschaften sind. (...) Bei privilegiertem Wohnraum, wie Villen oder Seegrundstücken, sollte ein Rotationsprinzip gelten oder benachteiligten und erholungsbedürftigen Menschen zustehen.

Wir hoffen, daß wir mit unserer Aktion an einer der wichtigstens Grundfesseln dieser Gesellschaft, dem Eigentum, gerüttelt haben. Und daß durch die verbrannten Grundbücher und dem daraus entstandenen Chaos vielleicht kleine Chancen von Freiräumen und Zeit entstanden sind. Nutzt sie! Durch die Grundbüchervernichtung versuchen wir dem weiteren Rollback, der weiteren Vermögensumverteilung zugunsten der wenigen Reichen endlich noch einen Riegel vorzuschieben. Wir hatten die Hoffnung, daß sich in der DDR mehr Widerstand gegen die kapitalistische Vereinnahmung bildet, daß sich die Menschen dort die guten Seiten dieses Landes nicht so einfach nehmen lassen, wissen aber gleichzeitig aus unseren Erfahrungen, wie schwer das ist.

Wir haben nicht gerade zu den Fans des real existierenden Sozialismus gehört, zu spießig, kleinbürgerlich und verlogen erschien uns dieser Weg. Trotzdem sind wir in der Lage zu sehen, daß es in diesem Land für die Altfaschisten nicht möglich war, ihre Macht ungebrochen fortzusetzen, und wir sehen, daß es ein Versuch war, der bessere Teil Deutschland zu sein. Das ist nicht gelungen. Aus unseren Erfahrungen wissen wir allerdings, wie menschenunwürdig das kapitalistische, patriarchale System der BRD ist. Wer die Macht hat und wie diese auf Kosten der Menschen hier und in den Ländern der drei Kontinente immer größer und brutaler wird. Wie die gleichen Strukturen, die gleichen Machtverhältnisse, wie die des Faschismus, wieder an Einfluß und Profit gewinnen. Und mit der Einvernahme der ehemaligen DDR werden wenige noch reicher und viele immer ärmer, und das gerade östlich der Elbe. Diese Aktion ist nicht viel mehr als ein Schrei in der Wüste, denn wir haben die Hoffnung auf eine emanzipatorische, soziale Gegenmacht von unten noch lange nicht aufgegeben.

Ostelbische autonome Gruppe

leicht gekürzte Fassung

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