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aus: radikal Nr.102, 3/1982

Ermittlungsausschuß: Selbstdarstellung

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Den Ermittlungsausschuß gibt es seit den "Adventskrawallen" oder auch den "Kreuzberger Festspielen" vom Dezember 80. Damals wurde der Versuch, ein seit langem leerstehendes Haus zu besetzen, mit massivem Polizeiaufgebot verhindert. Bei den anschließenden Demonstrationen kam es zu extrem brutalen Polizeieinsätzen. 100 Personen wurden verhaftet, 268 Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Einige Betroffene und deren Freunde gründeten daraufhin den Ermittlungsausschuß, um den staatlichen Verfolgungsmaßnahmen auch auf der juristischen und publizistischen Ebene etwas entgegensetzen zu können.

Natürlich sind wir kein festes Kollektiv in dem Sinne, daß wir ständig zusammenarbeiten. Die Arbeit im EA muß nebenher laufen, d.h. neben unseren sonstigen Beschäftigungen. Die meisten von uns sind Anwälte, Studenten, Taxifahrer oder arbeiten in irgendwelchen Kollektiven, repräsentieren also sämtliche bekannte Berliner Bevölkerungsschichten (muß mir wohl´n Kommentar verkneifen, d.säzzerin). Natürlich erhält keiner von uns für seine Mitarbeit Geld.

Unsere Arbeit besteht im wesentlichen darin, Informationen zusammenzutragen, Zeugen für bestimmte Vorfälle zu finden, Verhafteten zu helfen, Gegenöffentlichkeit über das Vorgehen der B. herzustellen. Eine weitere Aufgabe sehen wir darin, die Öffentlichkeit über das Verhalten der Berliner Polizei zu unterrichten.
(...)
Was die Öfentlichkeit betrifft, so wurde der Ermittlung,sausschuß bis zm 22.9.81 von den bürgerlichen Medien, wenn überhaupt, dann als notorischer Üertreiber oder als hysterischer Lautsprecher der Hausbesetzerscene registriert. Nach dem Tode Ratays dagegen wurden wir von den Medien, speziell auch vom Fernsehen, geradezu verfolgt, wurden unsere Untersuchungen plötzlich ernst genommen.

Obwohl wir diese Aufmerksamkeit nur richtig finden, hat sie doch einen üblen Beigeschmack, daß unsere Kritik und unsere Informationen für die Medien erst wichtig wurden, nachdem es einen Toten gegeben hat.

Jeden abend (außer am Wochenende) ist der Ermittlungausschuß offen für Leute, die Emittlungsverfahren am Hals haben, Zeugenaussagen machen wollen oder auf Haftverschonung draußen sind.

Das hört sich alles so an, als ob wir ein Dienstleistungsbetrieb sind, sozusagen die unbezahlten Angestellten der "Bewegung". Teilweise sind wir das auch. Andererseits sammeln wir nicht nur Informationen, sondern machen uns auch Gedanken, wie wir mit diesen Informationen politisch arbeiten können. Welchen Beitrag wir auch dagegen leisten können, daß über viele Entwicklungen nicht nur in der bürgerlichen Presse, sondern auch bei unseren Freunden und Mitstreitern in der "Bewegung" friedlich grünes Gras wächst.

Außerdem ist es wichtig für uns, die Leute zu unterstützen, die wegen ihres berechtigten Kampfes gegen die kapitalistische Wohnungspolitik mit Strafverfahren überzogen werden.
(...)
Die Prozesse kosten eine Menge Geld. Ein Prozeß, der alle Instanzen durchläuft, kostet an die 4.000.- DM. Die Kosten für einen Prozeß in der 1 Instanz belaufen sich auf ca. 1.000 - 1.500 DM (Je nach Anzahl der Prozeßtage). Die Gesamtzahl der eingeleiteten ermittlungsverfahren dürfte an die 5.000 betragen. Wir erwarten in ca. 300 - 500 Fällen Anklageerhebung.

Bisher haben wir bei den Verfahren in einem Viertel der Fälle die Kosten übernommen. In näherer Zukunft werden wir wohl an die 160.000.- DM allein an Prozeßkosten zu übernehmen haben. Deshalb benötigen wir auch weiterhin dringend Spenden.

der Ermittlungsausschuß
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