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aus: Terz 29.9.2003

Terz book: Autonome in Bewegung

An eine wahre Fleißarbeit haben sich fünf Autonome aus Berlin gemacht. Um nicht den Mainstream- Medien und den repressiven Staatsorganen die Definition von Autonomen zu überlassen, haben sie sich hingesetzt und mal aufgeschrieben, wie das so war und so ist. Herausgekommen ist erstmal ein dicker Schmöker mit vielen Bildern. Da alle fünf Schreiber aus Berlin kommen, ist dieses Buch natürlich schwer Berlinlastig. Es ist nicht nur aus Düsseldorfer Sicht sehr bedauerlich, dass die Provinz hier weitestgehend fehlt. Trotzdem gibt es einen sehr guten Einblick in die, vor allem damalige, autonome Welt. In vielen unterschiedlichen Kapiteln stellen sie 23 Jahre autonome Politik dar. Herausgekommen ist kein schweres theoretisches Machwerk, sondern ein ziemlich lebendiges Mosaik von einzelnen Bausteinen, das sich nicht unkritisch mit autonomer Politik auseinandersetzt. Die Kapitel sind thematisch sortiert. Neben dem Erzählstrang, was es zum Beispiel mit der Kampagne gegen den IWF (Internationaler Währungsfond) oder gegen Olympia auf sich hatte, finden sich auch Anekdötchen, kleine Artikel oder Auszüge aus Flugblättern, oder die Schilderung damit im Zusammenhang stehender Ereignisse. Der Schwerpunkt in den Texten, aber vor allem bei den Anekdoten, sind militante Geschehnisse. So erzählen ehemalige AktivistInnen mal aus dem Nähkästchen über kleine und große Aktionen und Aktiönchen. Erfrischenderweise sind dies keine HeldInnengeschichten, sondern Stories erlebter Ängste, Gefühle, Misserfolge, Zufälle und natürlich auch Erfolge. Vor allem über die freut man sich beim Lesen immer noch. Das Buch gibt einen erstaunlich guten Eindruck über die damalige Zeit und das damalige Leben als Autonomer.

Mit zunehmender zeitlichen Nähe zur Gegenwart offenbaren sich aber auch Schwächen. So erscheinen mir die meisten aktuelleren Kapitel als zu unkritisch dargestellt. Das mag daran liegen, dass einige der Politikfelder, bspw. Antifa oder Globalisierungsbewegung, schließlich heute noch hochaktuell sind. Schade ist dies trotzdem.

Dass in so einem Buch natürlich Themen fehlen, ist auch den Autoren klar, sie rufen deshalb auf, die autonome Geschichte online weiterzuschreiben (http://autox.nadir.org). Trotzdem bleiben für mich ein paar unerklärliche Leerstellen. Nach der Lektüre hat man den Eindruck, dass die Aktivitäten der Autonomen zwar beständig abgenommen haben, das aber des weiteren nichts besonderes passiert sei. Ende der 80er Jahre gab es jedoch ein paar Momente, die für einen erheblichen Einbruch sorgten. Zum einen waren dies die im Buch nur am Rande erwähnten, tödlichen Schüsse auf zwei Polizeibeamte an der Startbahn West, die zur Erosion der unter Repressionsdruck stehenden Frankfurter Szene führten und auch in vielen anderen Städten für erste Auflösungstendenzen sorgten, zum anderen war es die Patriarchatsdiskussion, die nicht nur in Düsseldorf praktisch die vollständige Auflösung der autonomen Szene zur Folge hatte (und als Spätfolge dieser Auflösung zur Idee zur Gründung der Stattzeitung Terz gebar). Das gerade dieses bis heute ein Thema ist, mit der sich (nicht nur) Autonome schwer tun, zeigen die Beiträge der Autoren zum Thema Patriarchat. Da schreiben von schweren Diskussionen gebrannte Kinder, ist zu vermuten.

Trotz dieser wenigen Kritik haben die ausschließlich männlichen Autoren eine wahre Fleißarbeit abgeliefert, die man unbedingt lesen sollte. Dies gilt vor allem für die jüngeren, die vieles in dem Buch höchstens vom Hörensagen kennen. Es ist zu hoffen, das man die Autoren demnächst auch mal in Düsseldorf zu einer Lesung zu sehen bekommt, damit man sie bis zum geht-nicht-mehr löchern kann und auch mal die autonome Geschichte aus der Provinz darstellt. Unbedingt lesen.

MEIKEL F

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