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KEINE ECHTE VERÄNDERUNG WIRD OHNE ECHTE ANALYSE DES PRIVATEN, DES PERSÖNLICHEN, DER EIGENEN, AUTONOMEN PERSÖNLICHKEIT UND PSYCHE AUSKOMMEN!

Achtung: Für alle geradlinigen Kämpfer, die ganz genau wissen, ,,was Autonome zu tun haben“, wird es hier langweilig. Privat. Persönlich. Lest was anderes….

Zu meiner Person: Ich bin 1980 nach Berlin gekommen, in ein besetztes Haus gezogen und habe die folgenden 9 Jahre immer weniger gearbeitet bzw. studiert und immer mehr meine Zeit auf Hausplena, Kiezplena, VV, Demos, Aktionen, Kollektiv-Plenum, Kaffeegenossenschaft, LAZ Plenum verbracht.

2 Jahre habe ich zum Teil mehrmals die Woche damit verbracht, mit einigen anderen Auserwählten mit Vertretern der Geschäftsführung der Neue Heimat und des DGB über die damals 29 besetzten Häuser der NH zu verhandeln (ja genau, Verhandler-schwein) Nachdem das erste Haus dann doch geräumt wurde, war das nicht mehr mein Ding und es ging mehr in Richtung Mittelamerikasolidarität oder auch Internationalismus genannt. Ich zähle mich mehr zu den Pragmatikern, die mehrmals die Woche beim Taxifahren daran erinnert wurden, wie klein diese Bewegung war, wie „das Volk“ wirklich denkt (ob verdummt oder nicht) und was es wohl machen würde, wenn es „an der Macht“ wäre“ und vor allem, wie wenig wir über die Jahre wirklich tatsächlich verändert haben. Insofern nervten mich die tausende Stunden, die damit verbracht wurden, präzise zu belegen, wer warum wieder nicht exakt auf der “richtigen, nicht reformistischen“ Linie war. Mich interessierten mehr praktische Ansätze, was zu bewegen, tatsächliche Öffentlichkeitswirkung und das klitzekleine Gefühl, gemeinsam mit anderen doch das eine oder andere erreicht zu haben. Auch wenn es „der Revolution“ vielleicht nicht diente sondern manchmal ganz konkret nur ein paar Menschen hier oder im „Trikont“. Das Ende meiner mehr oder weniger hauptberuflichen „Aktivitäten“ rund um die Uhr in Sachen Weltverbesserung, Aufklärung und allen erzählen, was richtig wäre, kam mit der Wende, mir dem Ende der IWF Kampagne, dem Highlight für mich damals, aber um ehrlich zu sein, vor alllem auch mit dem Zerfall einiger Gruppen bzw. des LAZ in getrennte Frauen- und Männer/Gemischte Bereiche.

Meine Aktivitäten und mein Engagement steckte ich ab dann in den Versuch, unser damaliges Kollektiv immer größer und erfolgreicher zu machen, was wohl auch gelungen ist, nur leider schon sehr bald nicht mehr als Kollektiv, weil eben doch viele eben nicht den ganzen Tag Stress und Verantwortung haben wollten, sondern lieber einfach einen Job. Heute konzentriert sich mein Engagement eigentlich nur noch auf den Versuch, ein guter Chef zu sein, hin und wieder, zum Teil belächelt, ein Mindestmaß an Bewusstsein zu schaffen und hin und wieder Initiativen oder Menschen finanziell zu unterstützen, sie sich noch engagieren.

Ich habe das Buch sehr amüsiert gelesen, ich denke an viele Sachen zurück, die für mich nach wie vor stimmig sind, ich bereue nichts und durch viele Bilder und „Anekdoten“ denke ich an den Spaß zurück, den das ganze viele Jahre lang gemacht hat. Das Buch ist erfreulich wenig besserwisserisch und ausgrenzend geschrieben.

Ich habe mich im Studium und in vielen Gruppen, jetzt noch in einer Männer/Freundschaftgruppe immer wieder mit der Frage auseinandergesetzt, „was motiviert Menschen eigentlich wirklich“, „ warum mache ich was oder habe ich was gemacht?“ , gibt es wirklich Gutmenschen? Gibt es Revolutionäre? Altruismus ?

Immer wieder bin ich zu dem Schluss gekommen, das ich ,wenn ich ehrlich bin, wirklich NICHTS nur gemacht habe, um die Welt zu verändern, grosse Dinge zu bewegen, anderen gutes zu tun etc. Alles kann ich eigentlich auf simple, im Bewegungssinne „niedrige“ Motive zurückführen:

Es war simples männliches Konkurrenzverhalten (wer beeindruckt am besten die attraktivste Frau), es war immer die Hoffnung, schlau und intellektuell zu wirken, scheinbar zu wissen, wo es lang geht. Meine ganze Rhetorik konnte ich wunderbar verbessern. Mit Fleißarbeit, Organisationstalent und Beharrlichkeit extrem viel erreichen, gerade weil sie oft nicht angesagt war. Bewundert und geliebt zu werden, das war DAS Motiv. Wenn ich anderen gutes tat, dann wollte ich sehr wohl auch Dankbarkeit, zumindest Beachtung erreichen. Einen sehr hohen Anteil an allen Überlegungen hatte instinktiv immer die Frage, was ist angesagt, was trägt man, was sagt man, was hört man usw.

Aber es war natürlich einfach ein geiles Gefühl, wenn man mit Menschen, die man mochte, denen man sich verbunden fühlte, gemeinsam was erreicht hat. Das geht mir auch heute noch so, selbst wenn es sich um unternehmerische Initiativen handelt

Wenn wir ehrlich sind: Wer hat jemals auch nur ansatzweise geglaubt, das wir diese bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft aus den Angeln hebeln und von Grund auf erneuern würden? Das konnte und kann nicht das konkrete Ziel sein. Es kann nur ein theoretisches Konstrukt sein, ein fester, im Grunde irrationaler Glaube daran, dass es auch anders gehen könnte. Ein Versuch, ein bisschen danach zu leben, sein Bewusstsein zu schärfen, das seiner Mitmenschen um sich herum.

Fremd ist für mich insofern auch die theoretische Fragestellung am Ende des Buches, „wie geht es weiter?“

Ich kann nachvollziehen, dass alle Buchautoren, die sich derartig viel Mühe machen (ich gehe davon aus, natürlich unbezahlt, für die gute Sache…) auch etwas bewirken wollen. Und wenn sie so viel wissen und sich so lange engagiert haben, dann reicht es ihnen nicht, wenn sie anderen nur einige nette Stunden bereitet haben, Schmunzeln und Erinnern bewirkt haben, einfach schöne Momente, wie mir.

Am liebsten ist es ihnen, wenn sich daraus neue Zirkel bilden, neue Foren, neue Aktivitäten und die nächsten 23 Jahre. Das ist mir klar.

Aber wie soll das bei mir gehen? Für mich gehört dazu eben nicht nur die gute Idee, der tolle Gedanke, das ferne Ziel. Für mich gehören dazu Menschen, Freunde, gute Bekannte, die ich mag und die mich mögen und mit denen ich gemeinsam was anpacken kann. Und die habe ich einfach nicht. DAZU nicht. Und die gibt es, wenn man 45 ist, eben auch nicht mehr so, wie vor 20 Jahren. Ich würde mich sehr freuen, wenn das anders wäre. Heute sind mir Freundschaften, gerade auch mit Männern, sehr wichtig, aber wenn ich sie nur nach der revolutionären Gesinnung aussuchen würde, dann hätte ich glaube ich ein großes Problem.

Ich bedauere sehr, wie wenige Freunde mir gerade aus den Hochzeiten der Bewegung geblieben sind. Was da zählte, was oftmals sehr kurzfristiges und sehr hartes Vorgehen gegen angebliche Abweichler. Man hat einander benutzt, konsumiert, als bewegbare Masse missbraucht. Jeder Gedanke daran, auf breiter Basis einen etwas anderen Umgang zu etablieren, wurde nie verfolgt. Ob er von „den“ Frauen kam oder den halbwegs „bewegten“ Männern. Vielleicht habe ich mich auch damals zu sehr auf Frauen fixiert.

Was sich anders machen würde könnte ich noch einmal anfangen, dann wäre es das: Hauptaugenmerk richten auf den Aufbau eine ganz, ganz festen Gruppe von Männern, mit denen man gemeinsame Aktionen machen kann, mit denen man ohne scheu offen alles diskutieren kann, mit denen man in die Tiefe gehen kann, in das was „mann“ eben auch bewegt. Ohne permanentes Konkurrenzverhältnis und Leistungsdruck untereinander. So wenig offene oder versteckte Reproduktion dessen, was man eigentlich abschaffen will, wie nur möglich. Mit ehrlichem Hinterfragen all dessen, was einen täglich bewegt, motiviert, umtreibt. Und mit der man auch aus so einer Gruppe auf Dauer Aktivitäten unternehmen kann, die ohne Frage heute genauso wichtig oder wichtiger sind, als vor 15 oder 20 Jahren. Und vom Gefühl her wären das auch heute noch für mich „autonome“ Aktivitäten, Aktionen und nicht Parteiarbeit oder ähnliches.

Dieses Buch hat für mich insofern noch einmal ein mehrfaches Nachdenken darüber bewirkt, warum was eigentlich wie geworden ist und dafür bin ich den Autoren dankbar! Ich wünsche allen heute noch „bewegten“ viel Ausdauer, Geduld, Power und viel Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit untereinander!

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