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Den Ball beschlagnahmen. Oder: Das Persönliche ist
politisch.
Es ist natürlich gut, dass es dieses Buch gibt. Aber gab es
wirklich keine Frauen, die etwas zu dieser Geschichtsschreibung
beitragen wollten? Warum nicht? Weil es immer noch Männer
sind, die in der informellen Hierarchie ganz oben stehen?
Dominantes Redeverhalten setzt sich in dominantem Schreibverhalten
fort? Oder sollte es nicht wieder der angeklatschte Frauenbereich
sein?
Es ist schon gut, dass es dieses Buch gibt. Sonst wäre uns
wohl nicht nur ein Beitrag zur linken Geschichtsschreibung verloren
gegangen, sondern auch die Chance, Versäumnisse der 80er Jahre
nachzuholen. Dieser Beitrag versteht sich als kleine
Nachhilfestunde, (um das bewußt ein bischen arrogant zu
formulieren) von einer, die feststellen muss, dass sie eigentlich
überall irgendwie dabei war, ohne wirklich was zu sagen zu
haben. Was von zwei Seiten abhing: denen, die das Mikrophon fest in
der Hand hatten, den Blick in die Ferne schweifen lassend, auf der
Suche nach dem revolutionären Subjekt.... Und der, die zu den
Sprechern (und Sprecherinnen) hoch schaute. Und das Maul nicht
aufgemacht hat (um das bewußt ein bischen selbstkritisch zu
formulieren). Bin ich autonom? Gewesen? Vielleicht. Für mich
gibt es außerhalb des Medienkonstruktes der Autonomen nicht
diese Trennung zu anderen Strömungen. Das Buch orientiert sich
für mein Gefühl zu sehr an diesem Konstrukt. Die
Autonomen waren nie das, wofür sie gehalten wurden. Zum
Glück.
Aber nun zur Nachhilfestunde:
Lektion 1: Johannes Agnoli würde sich im Grab umdrehen, wenn
er Seite 175 lesen müsste: Von wegen, das Private ist
politisch: Nicht das Private, sondern das Persönliche ist
politisch, was einen nicht unerheblichen Unterschied macht. Niemand
spricht irgendwem das Recht auf Privatheit, im Gegensatz zur
Öffentlichkeit, ab. Außer bei Big Brother.
Das Persönliche ist der Kern jeder umfassenden
Veränderung. Ansatzweise haben das auch viele so für sich
erlebt, das persönliche und direkte Involviertsein in
Veränderungsprozesse. Die sich aber nicht nur auf der
Straße vollziehen, wenn sie über eine pubertäre
Revolte hinausgehen. Wer dass intensiv erlebt hat, kann auch nicht
mehr wirklich zurück. Darüber muss man persönlich
sprechen. Mit Männern oder Frauen, das ist subjektiv egal. In
den 80ern wollten die Frauen (man/frau achte auf die Unterscheidung
zwischen Frauen und Freundinnen in diesem Artikel) nicht mehr
über Persönliches mit Männern sprechen, eine
objektive Notwendigkeit, um der strukturellen
Mülleimerfunktion von Frauenohren zu entgehen (eine klassische
Variante der Reproduktion von Männerdominanz). Gut so. Schade,
dass es die Männergruppen nicht mehr gibt, bestimmte
Selbstverständlichkeiten, die heute auch unter Frauen nicht
einmal mehr Thema zu sein scheinen. Vielleicht liegt es immer noch
an der Härte, die, von Männern und Frauen
gleichermaßen, (wie du richtig erkannt hast, Genosse,) zur
Schau getragen werden muss, um sich durchsetzen zu können,
damals wie heute? Wie kontraproduktiv! Was wird damit transportiert
außer gesellschaftlichem Schrott? Funktionieren müssen,
Resultate und Erfolge vorweisen, physische und psychische
Gesundheit, Rationalismus statt Intuition... es ist gut, dass es
dieses Buch gibt, denn es ist nicht perfekt. Dass es überhaupt
nicht um Macht oder Dominanz geht, sondern um das Wagnis der
Gleichberechtigung, könnte langsam klar werden.
Nicht-hierarchische Verhältnisse, auf allen Ebenen, sind die
eigentliche Mutprobe des 21. Jahrhunderts.
Lektion 2: Derselbe, der das mit dem Persönlichen nicht
verstanden hat, gibt uns in aller Offenheit das Stichwort für
einen weiteren Schlüssel zur Aufklärung der Schieflage
des Geschlechterverhältnisses - weil er sich über die
Tragweite seiner Äußerung nicht klar ist: Auf keinem
Politikfeld waren in de 80ern Fauen für ihn minderwertig...
Höchstens beim Fußball. Fußball, die letzte
Bastion. Die Tragweite dieser gesellschaftlich höchst
funktionalen Reproduktionsinstanz von Männlichkeit wird
weitgehend verkannt.
Autonome spielen Fußball. Fußball ist keine
Privatangelegenheit. Fußball ist ein Politikfeld, in dem
viele Emotionen ausagiert werden, bei den Zuschauern, wie bei den
Spielern. Schau ihn dir an, wie er spielt. Ob er abgibt, oder
lieber alleine draufsemmelt. Ob er meckert, oder mit Niederlagen
leben kann. Wie zielstrebig er ist. Verspielt oder zielstrebig? Und
setzt er sich durch? Am besten, du spielst selber mit; dann
weißt du, was für ein Mann er ist. Und dass ein Mann
Fußball spielen können muss, weiß doch jedes Baby.
Und dann mach ihn rein. Darauf kommt es doch an. Auf das
Endergebnis. Es kann nur einen geben... wer wird Millionär?
Frauen, die letzte Kolonie, auf zur letzten Bastion! Also ran an
den Ball, Ladies, was es heißt, im Abseits zu stehen, das
wisst ihr nur zu genau! Aber denkt dran, es ist ein
Team-Spiel...
Das ist das Spiel, das läuft. Die gesellschaftliche
Zurichtung geht so krass viel tiefer ins Persönliche, als uns
bewußt oder lieb ist. Ein immer noch weitgehend unbekanntes
und unheimliches Terrain. Das hat nicht mehr viel mit Patriarchat
als abgestecktem Politbereich zu tun. Eher mit
christlich-westlicher Kultur oder mit dem Mensch-sein an sich. Mit
Würde und Respekt, mit einer Suchbewegung in Richtung einer
Geschlechter- und sonstige Rollen sprengenden subjektiven
Authentizität. Mit der Auseinandersetzung über die
Objekthaftigkeit der verinnerlichten Beziehungsmuster und
Weltbilder, die sich in politischen Organisationen fortsetzen
müssen, wenn sie nicht auf persönlicher Ebene bearbeitet
werden. Das ist Psycho, das ist Horror, das ist unendlich schwer.
Aber da gehts lang, oder? Und das kann auch Spaß machen, wenn
mensch sich gestattet, nicht perfekt zu sein. Das Ding mit den
nicht-hierarchischen Verhältnissen ist ein persönliches
Problem. Dies auf allen konkreten Ebenen hinzukriegen, egal wo ich
mich bewege, ist weiterhin eine Herausforderung.
Es ist ja schon gut, dass es das Buch gibt... aber die Bewegung
könnte sich ändern, über ihren Tellerrand schauen.
Die großen Erfolge werden nicht in der Zeitung stehen.
Eigentlich... ist es eine Katastrophe, dass es dieses Buch in
der vorliegenden Form gibt. Keine noch so ausgearbeitete und
begrüßte Ergänzung, auch nicht auf Hochglanzpapier
und doppelt so dick, kann wieder wettmachen, was durch die
Veröffentlichung deutlich wurde: Autonome sind
Männersache, ja, Autonomie ist, so verstanden,
Männersache, also eine Sache von und für Männer. Und
damit disqualifiziert sich die Bewegung, zumindest die in diesem
Buch dargestellte, als gesellschaftlich ernsthaft relevant. Frauen
werft die Arbeit hin ganz fix, denn ohne uns Frauen läuft nix
(Anti-IWF-Kampagne 1988). Die Ansätze waren schon in den
80igern da, sind aber bis auf rudimentäre Reste und die
Individuen in der unsichtbaren Basisarbeit dem allgemeinen Rollback
zum Opfer gefallen. Es wird Zeit, die Spielregeln zu ändern:
Jeder gelungene Spielzug, bei dem mehr als die Hälfte des
Teams beteiligt ist, zählt wie ein Tor. Jedes Lachen wie zwei.
Männer nur in der Verteidigung... Das ist ein Vorschlag.
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Dem Löwen in die Augen schauen, ohne sich darin mit den Augen
des Löwen zu sehen, ist eine möglichePerspektive, der
Logik von Fressen und Gefressen werden zu entgehen. Das Spiel mit
der Angst ist einer der wirkungsvollsten Garanten der Macht. Die
Angst zu verlieren ist genauso richtig, wie den Sinn zu suchen, den
es natürlich doch gibt, wenn auch das Absurde, die
Ungleichheit, die Würdelosigkeit, die Gewalt und die Ignoranz
denn Blick darauf immer wieder zu verstellen vermögen. Das ist
ein internationales Problem.
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