aus: Contraste , September 2003
KURT'S SURF CENTER: GESCHICHTEN VON UNTEN IM GLOBALEN NETZ
Autonome Bewegung im Cyberspace
Die ersten "autonomen Gruppen" entstanden bereits
Ende der siebziger Jahre. Sie waren anfangs
schlichtweg eine neue Militanzkonzeption im
AKW-Widerstand und bezeichneten die Abkehr von
der streng zentralistischen K-Gruppen-Strategie hin
zu lose koordinierten, aber eben "autonom"
agierenden Kleingruppen, etwa bei
Bauplatzbesetzungen.
Im Haeuserkampf der achtziger Jahre wurde hieraus
eine foermliche Autonomenbewegung. Dokumentiert wird dies u.a.
in bis auf 1988 zurueckreichende
Fotos und Plakate des Umbruch-Bildarchivs
(www.umbruch-bildarchiv.de) und etlichen Buechern, etwa dem
"Geronimo" im Verlag ID-Archiv.
Neu hingegen ist das Projekt "Autonome Geschichte von unten"
von unserem eigenen Host nadir.org
(http://autox.nadir.org/projekt.html). "Autonome in Bewegung"
heisst ein seit Juni erschienenes Buch mit der zeitgleich
erfolgenden Webaktion, aus den ersten 23 Jahren dauernden
Geschichte dieser Bewegung eine selbstorganisierte Bewegung
der Geschichte zu machen. Da heisst es:
"Ausgangspunkt: autonome Geschichte wird
von anderen angeeignet, auch von Kronzeugen und
Staatsanwaelten.
Gegenmassnahme: Der Versuch, die "Geschichte von unten", aus
der Sicht der damaligen
AkteurInnen zu dokumentieren. Bei den Texten zu
einem Buch stossen sie auf ihre Luecken, Unkenntnisse,
Einseitigkeiten. Statt kleinlaut aufzugeben, entsteht die
Idee: "Wir fangen einfach schon mal an -
und andere machen weiter".
Hoffnung: gegenseitiges Ergaenzen, Kritik nach
Schema: Ich weiss es genauer, es war naemlich so...
(und nicht: Ihr haettet doch...wie koennt Ihr nur..)"
Das Autorenkollektiv des Buches namens A.G.
Grauwacke sind 5 Berliner autonome Maenner.
Nicht umsonst fragt also bereits der erste Beitrag im
moderierten Internet-Forum "Wo ist die Frauenbewegung?" und
beobachtet, dass diese im Gegensatz
zur autonomen Bewegung zu ueberaltern und damit
auszusterben droht. Vielleicht ist sie aber auch nur
von Regierungen und Eliten aufgesogen und damit
pazifiziert worden, wer weiss.
Wieder andere AutorInnen bringen Korrekturen
an. Bemerkenswert ist u.a. der Beitrag "Die Leiden
eines Nicht-Autonomen" aus der Sicht der
Selbstverwaltungsszene, der bemaengelt, dass Autonome
diese Szene immer wieder als "reformistisch" belaechelt,
andererseits aber auch selber zur Erwerbsarbeit
instrumentalisiert hatten.
Es ist einfach gut, dass mit dem Vorgehen der
Leute von Nadir und Umbruch-Bildarchiv eben niemand Begriffe
besetzen oder Geschichte monopolisieren kann. Folgerichtig
daher auch der Stand im
World-Wide-Web: wer www.autonome.de eingibt,
sieht immer nur noch den Text "under construction"
... und eine Weiterleitung an www.anarchie.de.
Lesetipp: A.G. Grauwacke: "Aus den ersten 23 Jahren. Autonome
in Bewegung".
Berlin 2003. Verlag AssoziationA. ISBN 3-935936-13-3 408 Seiten.
20 EUR.
weitere Infos zu CONTRASTE:
www.contraste.org(externer Link )
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