logo Home Projekt Buch Archiv Diskussion E-Mail

Quellen

Links

Hinweise

Jahreschronik

Themen:

Medien

Unzertrennlich

Themenchronik

 

aus: Unzertrennlich Nr.3, September 1986

Vorläufig letzter Akt

Wir haben uns entschlossen, diese vorläufig letzte Nummer rauszugeben. Vor allem, um die Diskussion um das Zeitungskonzept und die anderen dranhängenden Fragen nochmal öffentlich zu diskutieren, darzustellen.

Die Herstellung dieser Zeitung ist wie die Nummern vorher ein ziemlicher Kraftakt, der nicht von reichhaltigen Zuschriften gestützt ist und nicht auf einer sich aufeinanderbeziehenden Diskussion über die brennenden Fragen basiert.

Damit ist auch schon ziemlich umrissen, worum es bei der Konzeption der "UnzertrennlIch" geht. Die Zustimmung zur Zeitung und Unterstützung der Zeitung blieb die ganze Zeit auf dem Niveau, auf dem die Absicht zu ihrer Gründung sich befand - ja klar, so'ne Zeitung zu haben, war ein echter Fortschritt. Nur, auf dieser Zustimmung allein ist sie nicht machbar.

Als Anfang des Jahres über die "radikal" der Aufruf zur Gründung der Zeitung kam, begann kein breiter Diskussionsprozeß um die Konzeption. Für ein Blatt, daß unser Organ sein sollte zum Wiederaufbau von Strukturen unter uns, zum Austragen der lange nötigen Diskussion über unsere Strategie, wäre schon zu diesem Anfang breite Rückmeldung nötig gewesen. Die Berliner begannen mit der Umsetzung der ersten Probenummer, damit die Diskussion konkret geführt werden kann. Nur sie wurde nicht geführt. Kaum Reaktionen.

Die zweite Nummer wurde schon mit erheblicher Zeitverzögerung hergestellt. Die ersten Reaktionen trafen ein. Spärlich und eher aus einer Benutzerhaltung als eingreifend und konstruktiv. Dann wir das erste Treffen angesagt. Die Teilnahme daran auch spärlich, enttäuschend.
Wir haben uns zuerst für die Möglichkeit entschieden, daß das Treffen nicht ausreichend genug bekanntegeben worden war, daß wohl kaumjemand davun gewußt habe.
Auf diesem Treffen haben wir die geplante Konzepton der Zeitung nochmal ausführlich gerade auch in Abgrenzung zur "Großen Freiheit" und zur "Wildcat" formuliert und uns die 3. Nummer offengehalten mit der Perspektive, sie zum Anti-AKW-Kaimpf als koordinierendes Instrument einzusetzen, und unter der Vorraussetzung, doß bei einem besser vorbereitetem 2.Treffen eine größere Teilnahme da ist und die Zeitung damit dann sowohl kollektiv hergestellt werden kann, als auch die stattfinden Diskussionen auch darstellt und aufeinauder bezieht.

Es kam anders. Auch beim 2.Treffen war die Teilname spärlich. Es zeichnete sich ab, daß die kleineren Orte die "Unzertrennlich" begrüßen, sie auch unbedingt als Draht zu den Geschehnissen begrüßen und benutzen. Das sie aber nicht gerade in der Lage sind, ihre Herstellung zu übernehmen, weil Szene in der Provinz nur klein ist und die Ansätze zu überregionaler Zusammenarbeit auch erst spontan sind und zur Herstellung einer Zeitung noch nicht taugen.

Für die "Zentren" stellte sich anderrerseits klar heraus, daß sie sich überhaupt nicht auf die Zeitung bezogen, keinerlei Reaktionen kamen, uns nicht bekannt wurde, daß duie Zeitung überhaupt in den Plenen zur Diskussion stand. Gerade von dort allerdings könnte einigermaßen realistisch die Herausgabe der Zeitung gewährleistet werden.
Gerade in den größeren Städten wäre die Zusammenfassung leichter, ist die politische Debatte konzentrierter, sind die technischen Mittel leichter vorhanden. Welche Schlüsse sollten wir also ziehen?

Wir haben uns entschlossen, trotz der gegebenen Bedingungen diese Ausgabe noch herauszugeben, vor allem, um die Konzeption der Zeitung noch mal öffentlich darzustellen, damit zur Diskussion zu stellen, und die Bedingungen der Realisierung zu erörtern.

KONZEPTION

In dem "radikal"-Artikel haben wir geschrieben: "Wenn wir wieder mehr, wenn wir nicht nur in einer Nacht, nicht nur auf einer Demo im Jahr politische Stärke erlangen wollen, müssen wir wieder lernen, unter uns zu streiten, und die Probleme, die zwischen uns liegen, zu benennen. Die politische Aufgabe die das Blatt zu erfüllen hat, ist klar:
die festgefahrene Diskussion unter uns in Fluß zu bringen". Nach wie vor ist die Lage daß die autonome Linke kein überregionales Organ hat, über das sie die Differenzen austrägt, ihre Positionen klärt, ihre Vorgehensweise vereinheitlicht. Wir wollen ausdrücklich kein Linienblatt, das "Standpunkte" vertritt. Wir wollen mit der "Unzertrennlich" den Schritt vollziehen, daß sich die unterschiedlichen Positionen zur Strategie des anti-imperialistischen Kampfes in Bezug aufeinander formulieren und damit klären.
Es macht keinen Sinn den verschiedenen Strömungen in Form einer Zeitung noch eine weitere hinzuzufügen. In der Frage des Umgangs mit der RAF, den politischen Gefangenen, des Konzepts der antiimperialistischen Guerilla z.B. ist die kontrovers ausgetragene Debatte sehr vonnöten. Die Einschätzung der revolutionären Situation ist völlig unterschiedlich und es herrscht eher eine Lageraufspaltung als eine produktive, kontroverse Debatte vor.

In der Frage der Angriffsmöglichkeiten in die herrschende Sozial- und Arbeitspolitik ist es drigend erforderlich, die diversen theoretischen und praktischen Ansatze gegeneinander zu diskutieren. Wie wird die Strategie des Staats bei der gegenwärtig vor sich gehenden Umstrukturierung eingeschätzt. Welches sind unsere Antworten darauf, die über den individuellen Lösungsversuch hinausgeht oder auch die plakative Ebene der beschworenen Massenaufstände verläßt, um zu einer Handlungsfähigkeit zu kommen, die ihnen tatsächlich in die Quere kommt ?
Wie wird sich die Linke zur Bundestagswahl verhalten ? Wo wird die Diskussion um den Bruch mit den Grünen forciert ?

Demzufolge sehen wir die hauptsächliche Wichtigkeit im Aufbau dieser Zeitung in ihrer Funktion als Medium für die produktive Kontroverse unter uns. Uns wird dabei entgegengehalten, daß diese Zeitung oberflächlich bleiben muß, weil sie nur unreflektiert abdrucken würde, was so vorliegt oder reinkommt, daß sie selbst keinen Standpunkt hat und keine Inhalte klären oder verbreiten kann. Wir sehen das anders. Abgesehen davon, daß wir selbst Teil der politischen Kontroverse sind, ist es uns völlig klar, daß die geforderte Linie so überhaupt nicht vorhanden ist. Nach den langen Jahren der K-Gruppen-Erfahrungen sollten wir die Vorstellung über Bord werfen, daß es einen Fortschritt bedeuten würde, wenn sich die kontroversen politischen Vorstellungen organisatorisch voneinander abgrenzen durch zementierte Organisationen oder Blätter.
Sektierertum wird uns nicht gerade stärken. Zum anderen läßt sich hinter dieser festgeschriebenen Abgrenzung auch am besten verdecken, daß keine Konzepte, Linien vorhanden sind, daß im Gegenteil die Linie nur gehalten werden kann, weil sie sich nicht streiten muß im Hinblick auf eine Lösung der Probleme. Und sie muß sich nicht streiten unter dem Gesichtspunkt kontroverser Erfahrungen.

Wir halten es für einen Standpunkt, wenn wir sagen, daß das wichtigste, was uns fehlt, die Kontroverse ist. Sollte es möglich sein, durch ein Projekt wie die "Unzertrennlich" die verschiedenen Argumentationsstränge sich aufeinander beziehend öffentlich zu entfalten, dann hätte sie für die Wiederherstellung der kollektiven Handlungsfähigkeit der autonomen Linken hier ´ne ganze Menge erreicht.

Natürlich ist dazu jedoch auch nötig, daß sich mit uns gestritten wird. Daß eine Debatte, wie wir sie hier beispielsweise anzetteln, um das Konzept einer Zeitung oder um das Konzept der Restrukturierung der automen Linken wie frau es sicher sehr gut auch nennen kann, denn um nicht weniger handelt es sich auch aufgenommen wird, daß öffentliche Antwort stattfindet wenn nicht in dieser Zeitung, dann doch in euren anderen Zeitungen, die es örtlich, regional und themenbezogen ja massenweise gibt. Wir wollen Eure Stellungnahmen dazu hören, lesen, sehen.

Wenn weiter an der "Unzertrennlich" gearbeitet werden soll, wenn uns für den Kampf gegen dieses System, die Entfaltung unseres Widerstandes und die Entfaltung einer Gegenikultur die Strukturen spürbar fehlen, dann ist es von großer Bedeutung daß diese vorläufig letzte Nummer der Zeitung Auslöser für genau diese Debatte in den Städten ist.

Wir wollen ungefähr Mlitte November ein bundesweites Treffen organisieren. Die genaue Einladung mit Termin und Ort wird über unsere schon vorhandenen Strukturen bekannt gegeben. Allerdings werden wir nur auf die Gruppen zugehen können, die auf uns zugegangen sind, d.h. wir verschicken nicht mehr für viel Geld Einladungen an Leute und Gruppen, ohne vorher mitgekriegt zu haben , daß der Sache Interesse entgegen gebracht wird.

Gespant und neugierig, aber keineswegs untätig sehen wir auf die Dinge die da kommen.
nach oben