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aus: radikal Nr. 94/95, 7+8/1981

Radio Utopia ist tot

Hallo, hier Radio Utopia, nicht Ultrakurzwelle, sondern schwarz auf weiß:
Hiermit wollen wir bekanntgeben, daß Radio Utopia seinen Sendebetrieb einstellt und aufgehört hat zu existieren, nicht als Idee und ein in der Bewegung treibendes Teilchen, sondern als Gruppe, die diesen Sender seit seiner Entstehung funktional getragen hat. Wir wollen versuchen, die Gründe darzustellen, die zu dieser Entscheidung geführt haben, soweit das auf dieser Ebene möglich ist. utopia logo

Leicht gefallen ist es uns jedenfalls nicht, die letzten Wochen, in denen wir nicht gesendet haben, waren ausgefüllt mit Diskussionen über unsere bisherige Arbeit. Daß dies Arbeit nicht nur stressig, chaotisch und angstbeladen war, sondern unseren konspirativen Seelen auch viel Genugtuung bereitet hat, möchten wir an dieser Stelle nochmals mit aller Heftigkeit versichern.

Natürlich auch um andere Genossen anzuturnen auf ähnliche Weise aktiv zu werden. In unseren Auseinandersetzungen rund um den Sender rückte mit dem zu nehmenden Druck der Bullen das Problem der Sicherheit der Gruppe immer mehr in den Vordergrund. Spätestens seit den Durchtsuchungen beim Stechapfelkollektiv und bei der radikal, die in ihrer Erfolglosigkeit etwas Beruhigendes an sich hatten, ist nochmal überdeutlich geworden, was wir auch schon so besprochen und eingeschätzt hatten:

Man fahndet nicht nach uns, weil wir ein Gesetz gebrochen haben, das dem Staat sein Meinungsbildungsmonopol sichern soll, sondern weil die Inhalte der Sendungen unbequem waren. Und dazu benutzen sie ja bekanntlich im ganzen Land den berüchtigten Paragraphen 129 a, der einige Jährchen Knast verspricht, auf die wir nicht sonderlich scharf sind. Natürliech haben uns nicht nur diese Durchsuchungen verunsichert, sondern vielmehr die Informationen, die wir ans unserer eigenen Observation der Bullen und ihrer Helfer von der Post gewonnen haben: Der Aufwand, mit dem sie hinter uns her sind, ist unbeschreiblich !!!

Aber nicht deshalb haben wir uns entschlossen, die Gruppe aufzulösen, denn das Interesse der Bullen an dem Sender spricht ja nur für seine Qualität. Tatsache aber ist, das wir so "namenlos'', wie es in der letzten radikal behauptet wurde, nicht mehr sind.

Und eben an dem Punkt haben sowohl die Gruppe als auch einzelne von uns Fehler gemacht. Hauptsächlich lag es an der falschen Umgangsweise mit Kontakten zu anderen Gruppen oder auch einzelnen "Unterstützern" des Radios. Tja, und dann halt an der Schlampigkeit einzelner im Umgehen mit der anfänglich noch ungewohnten konspirativen Arbeitsweise. Uns standen oft die Haare zu Berge und der Angstschweiß auf der Stirn, wenn uns das eine oder andere Gerücht über den Sender und seine Betreiber an diesem oder jenem Tresen der Szene zu Ohren kam.

Ab´nem bestimmten Punkt waren dann auch die Fehler nicht wieder gutzumachen, die Gerüchteküche hatte sich dermaßen verselbständigt, daß der Kreis derer, die uns kennen bzw Informationen hatten, nicht mehr überblicken ließ. Dieser Punkt, verbunden mit den Spitzelaktivitäten der Bullen in der Szene und ihrem Interesse an uns war für uns der Hauptgrund die Gruppe aufzulösen. In dem Zusammenhang haben wir auch diskutiert ob es nicht grundsätzlich richtig wäre, wenn ein bestimmter Personenkreis eine solche Arbeit eh nur befristete Zeit macht, um sich nicht allzuseh der Gefahr der Illegalisierung und des Knastes auszsetzen. Bei dieser Gelegenheit haben wir nochmal über Sinn und Unsinn des Senders überhaupt gesprochen.

Eine Menge von Fragen kamen wieder hoch, geerade weil wir in letzter Zeit kaum noch Beiträge bzw. Cassetten von anderen Gruppen bekommen haben, wir deshalb die letzten Sendungen selbst zusammenschustern mußten. In wieweit besteht also gerade hier in Wall-City neben den etlichen Zeitungen und täglichen Flugblättern eine Notwendigkeit für ein freies Radio?

Steht der Aufwand und das Risiko, welche das Radio-Machen mit sich bringen überhaupt noch in einem vernünftigen Verhältnis zu seiner politischen Effektivität, oder ist das ganze nur´ne nette Spielerei, auf die die Bewegung bisweilen mit Stolz verweisen kann ?

Und wo hat sich Utopia eigentlich ansatzweise unserem Anspruch nach entwickelt, nämlich zu nem Medium, das weitreichende Funktionen innerhalb der Bewegung übernehmen kann, wie z.B. während ner Demo i nformieren, oder originale Höreindrücke zu vermitteln und durch feeling anzuturnen, das die verschiedenen Gruppen durch ihre Beiträge rüberbringen und dergleichen.

Wir finden, daß das alles Fragen sind, die man weder mit ja noch mit neien beantworten kann, sondern die weiterdiskutiert werden müssen. Gerade deshalb, weil die Sender ja nach wie vor hier in der Stadt sind, da es den Bullen trotz ihres Aufwands nicht gelungen ist, einen in ihre Klauen zu bekommen. Und auf Grund der gemachten Erfahrungen haben neue Leute bessere Startbedingungen.

Wir sind allerdings der Überzeugung, daß grundsätzlich Bedarf nach einem Medium besteht, das unkontrollierte Informationen verbreiten kann. Gerade der letzte Hungerstreik in den Knästen hat dafür´ne klare Notwendigkeit bewiesen. Zig Genossen/innen sind eingefahren schon beim Versuch die Tatsache des Hungerstreiks überhaupt und die Forderungen der Gefangenen öffentlich zu machen. Linke Zeitungen werden mit Verfahren in die gleiche Richtung versucht, langfristig kaputtzumachen, und immer gehts dabei um unser unbequemes Denken, das nicht angepaßte Handeln und das unzensierte Rausschreien unserer Wut !!!

Radio Utopia ist tot !!!
Es lebe die Bewegung der freien Radios !!!

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