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aus: radikal Nr.85,12/1980

hallo, hallo hier ist radio UTOPIA

in kreuzberg konnte man uns diesen Sommer fünfmal zwischen 100 und 104 mhz empfangen. wir, die piraten von UTOPIA, basteln seit über einem jahr an unseren stationen. die technischen probleme waren für uns eine lange durststrecke, aber wir haben es geschafft und sind funktionsfähig. die praxis konfrontiert uns mit neuen problemen. ENTSOLIDARISIERUNG und ISOLATION, begriffe, die auf der veranstaltung im mehringhof immer wieder auftauchten, erschweren uns die arbeit als gruppe, die gezwungen ist konspirativ zu arbeiten, noch mehr als leuten, die offen auftreten können. wir wollen hier jetzt nicht in das trauerblashorn der zersplitterten linken dröhnen, aber wenn wir nicht bald aus der isolation rauskommen, sprich mehr Unterstützung von euch spüren, wird unsere weiterarbeit schwierig.
andererseits wurde hier in berlin kaum über RADIO diskutiert, und die möglichkeiten eines funktionierenden piratensenders im täglichen widerstand sind nicht klar.

grafik piratensender sind in der BRD relativ selten. die öffentlichen rundfunkanstalten schmeißen laufend kritische beiträge aus ihren programmen raus, während immer mehr SCHEISSKOMMERzsendungen ausgestrahlt werden. die bürgerlichen parteien streiten sich über die privatisierung des rundfunks, d.h. privatunternehmen mit kohle können sich darin, wie in den USA eine lizenz erwerben und ihren mist durch den äther verbraten. die linke macht sich bis jetzt noch kaum gedanken, wie wir die vorhandenen medien ausnutzen können. in der schweiz, frankreich und italien läuft da schon mehr ab.

in italien kommt es zeitweise zu einem richtigen wellensalat, weil so viele schwarzsender auftauchen. es gibt ne menge initiativen und gruppen, die ihre eigenen programme ausstrahlen und dadurch nicht abgehoben über irgendetwas berichten, sondern sich direkt vermitteln. die hörer beteiligen sich durch telefon und eigene kasetten. in frankreich und italien werden piratensender aber auch nicht so stark verfolgt wie in deutschen landen.

die schweizer linke hat trotzdem eine breite radiobewegung auf die beine gestellt, obwohl sie genau ,wir wir hier kriminalisiert wird. bei den auseinandersetzungen um das autonome jugendzentrum in zürich wurde über radio zu demos und aktionen aufgerufen. ähnlich wie in amsterdam wurden dadurch schnell leute informiert und zusammengerufen. die kraker benutzen eine sendeanlage, die in einem verbarrikadierten haus sicher steht. wenn irgendwo in amsterdam z.b. eine räumung läuft, wird über funk durchgegeben, wo und was los ist.

diese beispiele sind für uns in der BRD und westberlin noch zukunftsmusik. radio UTOPIA ist ein ansatz, diese praxis auch für den widerstand hier auszunützen. piratensender sind unkontrollierbar, können schnell und direkt informieren, entziehen sich jeglicher staalicher zensur. diese möglichkeiten sind dem bka auch klar, und herold versucht durch exemplarische abschreckungsurteile, die radiobewegung gleich im keim zu ersticken. in münchen sitzt seit dem 25 januar 1980 jan van de loo in u-haft. er soll einen piratensender gebaut haben, von dem im nachhinein klar wurde, daß er nicht funktionsfähig gewesen wäre. nun versuchen die bullen krampfhaft verbindungen zwischen jan van de loo und der RAF herzustellen. ein zitat von jan: piratensender sind medien, die als einzige in krisenzeiten nicht mit nachrichtensperre belegt werden können.

trotz der bedrohung, bei jedem senden in den knast wandern zu können, entstehen in den letzten zwei jahren immer wieder radiogruppen, wie z.b. RADIO ZEBRA aus bremen. es gibt einen "freundeskreis radio zebra", der als anlaufstelle dient, die öffentlichkeitsarbeit macht und die dringend benötigte knete beschafft. ohne so einen (legalen) unterstützerkreis ist die existenz eines piratensenders fast unmöglich. einmal wegen der kriminalisierung, zum andern wegen der entsolidariserung verschiedener gruppen der scene, durch rückzug zum alternativen leben, konsum und angst, was konspirative gruppen in einen engpaß bringt.

jetzt wollen wir mal ein paar konkrete punkte los werden, wie wir uns eine wirkungsvolle unterstützung von radio UTOPIA vorstellen.

leute, wenn ihr meint, daß mehr auf den berliner wellen los sein sollte, bildet einen Unterstützerkreis. so ein unterstützerkreis kann unsere isolation als konspirative gruppen durchbrechen. wir bekommen darüber auch rückkopplung, was in anderen gruppen so läuft. dadurch können unsere probleme auch nach außen vertreten werden. wir mußten auf der veranstaltung im mehringhof ruhig sein, weil die gefahr, von spitzeln aufs korn genommen zu werden zu groß war, obwohl die themen, die diskutiert worden sind auch unsere situation betreffen.

macht selber programmkasetten. wir haben keine lust, nur unseren eigenen mist zu verbraten. direkt betroffene, knastgruppen, hausbesetzer etc. können viel besser als wir über ihre speziellen sachen informieren. nur so werden unsere sendungen besser. die kasetten sollten nicht länger als 20 minuten sein und nicht die letzte qualität haben.

knete, knete, knete.

veröffentlicht unsere sendetermine in euren infos, Zeitungen USW.: was man von der linksradikalen tageszeitung inzwischen zu halten hat, ist klar. trotzdem ist es ein ganz schöner hammer, wenn die macher dieser zeitung unsere ankündigung einfach verschlampen. projekte wie radio UTOPIA können an solchen schludereien eingehen.

jede art von dummer neugier ist gefährlich für uns. wer vermutungen über uns anstellt, macht bullenarbeit ! überlegt euch das mal !

jetzt noch ein paar tips für einen guten empfang. in erdgeschoßwohnungen ist es schwierig uns zu empfangen. je höher das stockwerk, desto besser sind wir zu hören. auf alle fälle empfiehlt sich eine UKW-dipol-antenne. die gibts schon in ganz einfacher ausführung für 2DM zu kaufen. falls wir während der sendung plötzlich weg sind, nicht gleich ausschalten, sondern erstmal zwischen 100 und 104 MHZ suchen.

so erstmal tschüß, wir melden uns wieder.
hoffentlich hören wir auch mal was von euch bei unserer kontaktadresse "radikal".

p.s. bei dem diskussionswochenende im mehringhof wurde vom überschuß 500 DM an uns "gespendet". beim nächsten samstagstreff (14.00 uhr) in der oranienstraße 45, wo bisher über die unterstützung der hausbesetzer geredet wurde, sollten wir/ihr auch (endlich) mal über die unterstützung von radio UTOPIA reden. also großes treffen der radiofreunde am kommenden samstag !
auch die verschiedenen gruppen sollten sich konkreter überlegen wie sie die möglichkeiten des piratenradios besser nutzen können.

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