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aus: Subversives Radio aus West-Berlin (Broschüre), 1982-1985

Radio Ausbruch - ein Sender gegen den Knast


Wir wollen, daß die Knastmauern fallen und nicht nur diese, alle Mauern die uns einzwängen und voneinander trennen. "Reißt die Mauern ein, holt die Menschen raus" ist eine schöne Parole, die aber niemanden hilft. Die Knäste sind nun mal neben den Armeen und der Polizei die Mittel des Staates, mit denen er seine Macht und Herrschaft aufrecht erhält. Deshalb sind sie auch am schwersten angreifbar, was die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen. Für bessere Haftbedingungen wird seit jahren gekämpft, aber viel geändert hat sich nicht.

Reden über miserable medizinische Versorgung im Knast, die schon vor 8 Jahren gehalten wurden, sind heute genauso aktuell wie damals. Es gibt Hochsicherheitstrakte und überall entstehen neue Knäste.

Die Schlußfolgerung daraus ist jedoch nicht Resignation, sondern die Erkenntnis, daß der Kampf gegen den Knast ein langwieriger Kampf ist, der viel Geduld, Ausdauer, List und Phantasie erfordert. Die Knäste können wir heute noch nicht einreißen, aber dafür sorgen, daß die, die immer zahlreicher hinter Mauern verschwinden, die Zeit dort überleben.

Wichtig erscheint uns, sich auf ein Leben im Knast einzurichten, sich seine Identität zu bewahren, nicht alleine zu bleiben, sondern sich mit anderen zusammen zu tun, gemeinsam gegen die Knastscheiße angehen, kleine Gruppen bilden, sich nicht von Psychologen das Gehirn vernebeln zu lassen, Sand im Getriebe zu werden.

Wir wollen mit dem Sender das Leben im Knast erleichtern, ein Kommunikationsmittel zwischen drinnen und draußen sein, die Mauern durchlässig machen, die Abschottung zwischen drinnen und draußen überwinden.

Das heißt für uns: Informationen bringen, die von den bürgerlichen Medien unterdrückt werden, Informationen über die Bewegung draußen, Artikel aus Zeitungen, die nicht in den Knast reinkommen; Musik, die in den offiziellen Radiosendern kaum zu hören ist, Musik, die antörnt und Power rüberschickt.

Über uns selber können wir sagen, daßwir dazu lieber nichts sagen, na ja, halt´ne autonome Gruppe, wie es sie viele gibt. Stellt sich sowieso jeder was anderes dazu vor und wir haben keinen Bock auf das Getratsche und Geplapper in der scene, das schon einmal einen Sender, nämlich Radio Utopia, kaputt gemacht hat. Dieses Schicksal wollen wir uns ersparen.

Soweit nun die schöne Theorie. Wie sieht es nun aber in der Praxis aus ?

Am 19.Januar wurde die erste Sendung für den Moabiter Knast ausgestrahlt. Neben einer Art Selbstverständnis enthielt sie hauptsächlich einen längeren Text, der von Tegeler Gefangenen im letzten Herbst verfasst wurde. In ihm wird dazu aufgerufen, sich gemeinsam gegen die Knastscheiße zu wehren, kleine Gruppen zu bilden. Die Sendung wurde kurz vorher durch eine Einblendung in den SFBeat angekündigt.

Ob sie von den Gefangenen gehört worden ist, wissen wir leider nicht. Das liegt daran, daß es in diesem Knast nur sehr wenige Gefangene mit Radio gibt und keine Strukturen innerhalb und zwischen den einzelnen Stationen und Häusern gibt. Deshlab konzentrieren wir uns auf den Tegeler Knast, wo fast alle Gefangene Radios besitzen und wo es möglich ist, die Sendetermine kurz vorher im Knast bekannt zu geben.

Am 7. Februar spätabends lief dann die erste Sendung für die Tegeler Gefangenen:

kurze Selbstdarstellung, Kommentar zum Tod von Leschorn und den Konsequenzen, Bericht zur Situation hier draußen (Frust, Heroinwelle, Ankündigung der Knasttage) und natürlich Musik. Obwohl wir aus technischen Gründen auf einer anderen Frequenz senden mußten, als wir angekündigt hatten, wurden wir von vielen Gefangenen gut empfangen. Auch im Jugendknast Plötzensee waren wir zu hören. In Tegel wurden Cassetten aufgenommen und an Gefangene weitergegeben, die den Sender nicht im Radio gefunden hatten.

Die positiven Reaktionen, die wir bekommen haben, gaben uns dann die Lust und Power, weiterzumachen. Mitte Februar wurden uns Cassetten aus dem Tegeler Knast zugespielt, auf denen Gefangene über die Vorfälle im Knast berichten (Verprügeln eines Gefangenen durch die Sicherheitsgruppe, mysteriöser Todesfall, siehe auch "offener Brief").

Die snahmen wir zum Schwerpunkt für die Sendung am 21.Februar. Wir informierten über diese Geschichten und spielten Tonbandaufnahmen von der Mißhandlung an Peter Lummert am 15.Februar ab, wo die Schmerzensschreie im Takt der Schläge zu hören sind. Von der Sendung und von der Tegeler Cassette wurden Kopien gemacht und an Knastgruppen und taz weitergegeben. Die Taz hat bisher noch nichts gebracht.

Wir werden weitermachen. Knastgruppen und andere, die Beiträge für Sendungen haben oder vielleicht´ne Cassette (höchstens 10 Minuten) gemacht haben, können diese an unsere Adresse schicken:

Radio Ausbruch
c/o Radikal
Eisenbahnstr.4
1000 Berlin 36

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