aus: Interim, Juni 1997
Pressemitteilung einiger durchsuchter Projekte und Einzelpersonen
Gestern, am 12. Juni 1997, ließ die Berliner Staatsanwaltschaft mit 500 Polizeibeamten die Wohnprojekte Yorkstr. 59, Reichenberger Str. 63a,
einen Büroraum der Antirassistischen Initiatve e.V., Wohnungen in der Rigaer Str. 34, Liebigstr. 14 und mindestens fünf weitere Wohnungen und eine
Druckerei in Kreuzberg und Neukölln durchsuchen. Die Durchsuchungsbefehle, die teilweise über einen Monat alt waren, lauteten auf "Belohnung
und Billigung von Straftaten"
Mit den Durchsuchungsbeschlüssen wird 12 Personen vorgeworfen, an der redaktionellen Arbeit, der Herstellung und am Vertrieb der Zeitschrift "Interim" beteiligt gewesen zu sein. Acht der Beschuldigten wurden von der Polizei angetroffen. Sie wurden festgenommen, erkennungsdienstlich
behandelt, vernommen und am späten Nachmittag wieder freigelassen.
Ein weiterer Durchsuchungsbeschluß betrifft zwei Personen, denen vorgeworfen wird, ein Plakat mit der Überschrift "Der General putzt für das Kapital", auf dem Innensenator Jörg Schönbohm als "Mr. Propper" bezeichnet wird, plakatiert zu haben. Da das Plakat kein V.i.s.d.P. hat, werden sie beschuldigt, es auch hergestellt zu haben. Ex-General Schönbohm
hat mit den Durchsuchungen einmal mehr bewiesen, daß die Macherlnnen des Plakates den Nagel auf den Kopf getroffen haben.
Bei allen Durchsuchungen rückte die Polizei mit einem völlig übertriebenen Aufgebot an. In der Reichenberger Str., der Rigaer Str. und der Liebigstr. verschafften sich Schönbohms Büttel mit Gewalt Zutritt zu den Häusern, ohne sich die Mühe zu machen, vorher zu klingeln.
Im Hausprojekt Yorkstr. 59 wurden sämtliche Wohnräume aller 60 Bewohnerlnnen - entweder mit der beliebten Ausrede "Gefahr im Verzug" oder völlig ohne Begründung - durchsucht. Die Bewohnerinnen erhielten teilweise keinen Zutritt zu ihren Zimmern. Eine Touristin aus Uruguay wurde in Gewahrsam genommen - sie könnte ja illegal sein. Auch in Räumen, für die es keinerlei Durchsuchungsbefehle gab, wurden willkürlich Zeitschriften, hunderte von Disketten und Computer beschlagnahmt.
Auch die Durchsuchung der Antirassistischen Initiative fand ohne richterlichen Beschluß statt. Die Vermutung liegt nahe, da8 mit der gesamten Durchsuchungsaktion Überblick und Einsichten in linke Wohnprojekte gewonnen werden sollten. Die Behauptung von Polizei und Staatsanwaltschaft,
die Redaktionsräume der ,,lnterim" befänden sich in irgendeiner der durchsuchten Wohnungen oder Wohnprojekte, ist absurd.
Die "Interim" ist eine Wochenzeitung, die - für alle ersichtlich - aus den Beiträgen besteht, die über eine öffentliche Postadresse zugeschickt werden. Sie ist Diskussionsforum für
das gesamte Spektrum der radikalen, autonomen Linken. Sie wird von den Beiträgen ihrer Leserlnnen getragen. Die kontinuierliche Kriminalisierung autonomer Politikformen richtet- sich immer wieder auch gegen ihre Medien.
Vor zwei Jahren durch- suchte die Bundesanwaltschaft bundesweit Wohnungen wegen der linksradikalen Zeitschrift "radikal" und verwandelte eine Zeitschrift kurzerhand in eine "terroristische Vereinigung". Auch die ,,lnterim" wird seit ihrem Bestehen von Innensenatoren und "Staatsschützern angegriffen. Pressefreiheit existiert eben nicht für alle.
Wir wehren uns dagegen, daß Teile der Berliner Medien - allen vorarb die SFB-Abendschau und die BZ - die Darstellungen der Staatsanwaltschaft als Wahrheit verkaufen und Beschuldigte mal eben als "Redakteurlnnen" und Wohnprojekte als "Redaktionsräume" bezeichnen. Wir werden Gegendarstellungen verlangen.
Mit uns wird es keine "saubere Hauptstadt" geben. Wir lassen uns unsere Medien nicht kriminalisieren. Ein lebendiger Widerstand braucht Zeitungen... Und die werden wir lesen, weitergeben und unterstützen!
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