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aus: Friedrichsfelder Feuermelder, Juni 1988

Potsdamer Erklärung zur IWF/Weltbanktagung 1988

Im September 1988 wird die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in West-Berlin stattfinden. Aus diesem Anlaß tagte vom 3. bis 5.Juni 88 in Potsdam ein DDR-weites Seminar, auf dem wir Probleme der gegenvärtigen Weltwirtschaftsordnung diskutierten. Dabei wurde hervorgehoben, daß die Schulden der "Dritten Welt" sich derzeit auf mehr als eine Billion US-Dollar belaufen. Es steht fest,daß diese Schulden trotz überwiegend positiver Handelsbilanz nicht rückzahlbar sind und Überdies die Exporterlöse nicht einmal für die Zinszahlungen ausreichen.

Aber gerade diese ungeheure Zinslast ist es, die jene Länder heute in ständiger Abhängigkeit hält und immer größere Teile ihrer Bevölkerung in wachsende Armut drängt. Eine entscheidende Ursache dafür liegt wie Erich Honecker im März gegenüber der mexikanischen Tageszeitung "Exelsior" unterstrich "in der untergeordneten, ungleichen Stellung der Entwicklungsländer in der kapitalistischen Weltwirtschaft von heute, in der neokolonialistischen Ausbeutung durch transnationale Monopole".

Das Krisenmanagment von IWF, Weltbank und der Finanzexperten des von ihnen berufenen "Pariser Club" mit Umschuldungen, Neukrediten und Einzelfallbehandlung der Schuldenländer festigt diese Abhängigkeit und verschärft die Krise. Der IWF und die Weltbank sind Instrumente des Internationalen Finanzkapitals, Mittel zur Aufrechterhaltung der mörderischen Struktur der kapitalistischer Weitwirtschaft.

Die Folgen sind bekannt: hunderte Millionen Hungertote, soziale und ökologische Verwüstung nie gekannten Ausmaßes und die sich aus all dem ergehenden ins Unermeßliche gehenden Flüchtlingsströme.

Die jüngsten Entwicklungen in Jugoslawien, Polen, Ungarn und Rumänien verdeutlichen daß auch realsozialistische Länder durch ihre unbewältigten wirtschaftlichen Probleme in den Sog von Entwicklungen auf dem internationalen Kapital- und Geldmarkt geraten. Der direkte und indirekte Druck von IWF, Weltbank und großer Privatbanken ruft auch in solchen Ländern bevölkerungsfeindliche Maßnahmen auf den Plan. Die mit der Kreditvergabe verbundenen Empfehlungen oder Auflagen gegenüber diesen Ländern sind im Kern dieselben wie die IWF-Diktate gegenüber verschuldeten Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, wie z.B. Verbesserung der Investitionsbedingungen insbesondere für das ausländische Privatkapital, drastische Einschränkungen im Sozialbereich und der Abbau von Subventionen, unter anderem für Grundnahrungsmittel.

Die Folgen sind Preiserhöhungen, Arbeitslosigkeit, Lohnstop, welche heute große Teile der Bevölkerung vieler betroffener Länder unter das Existenzminimum gedrückt haben.

Wir sind davon überzeugt, daß jetzt mehr denn je alle progressiven und demokratischen Kräfte gemeinsam in die Verantwortung gerufen sind.

Wir unterstützen deshalb die "Fuldaer-Erklärung" zur IWF/Weltbank-Kampagne 1988, die auf dem 11. Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) vom 28. bis 31.Mai 87 verabschiedet wurde. Wir unterstützen insbesondere die in dieser Erklärung erwähnte "Forderung nach Streichung der Schulden", die von der betroffenen Bevölkerung in der "Dritten Welt" erhoben wird. Die Bildung eines Schuldenkartells kann ein erster Schritt sein, um dem Gläubigerkartell eine Kraft entgegenzustellen.

Die Lasten der Verschuldungskrise, die vor allem durch die IWF-Auflagenpolitik verstärkt werden, müssen nach dem Verursacherprinzip von denen getragen werden, die dafür verantwortlich sind und daran verdienen. Doch wird dies nicht ohne eine tiefgreifende Veränderung der internationalen Beziehungen und gesellschaftlichen Machtverhältnisse zu erreichen sein.

Deshalb unterstützen wir die sozialen und politischen Bewegungen in der "Dritten Welt" und in den Metropolen, die gegen das Machtkartell von Konzernen, Banken, IWF, Weltbank und Eliten kämpfen. Eine Schuldenstreichung allein jedoch wird die Probleme langfristig nicht lösen. Solange die Beziehungen der Völker über den "freien Weltmarkt" geregelt werden, solane also das Prinzip des größtmöglichen Gewinn das politische und ökonomische Handeln bestimmt, werden Mensch und Umwelt nur als Kostenfaktor darin auftauchen. Solange kann es auch keinen wirklichen Frieden geben, und die Kette der wirtschaftlichen Krisen mit ihren verheerenden Auswirkungen auf die Bevölkerung der Peripherie und zunehmend auch in den Metropolen wird nicht abreißen.

Deshalb fordern wir von der Regierung der DDR, daß sie sich auf die Maxime internationaler Solidarität aus sozialistischer Verantwortung besinnt und die Praktiken dieser Mordmaschine anprangert. Wir erwarten, daß den Teilnehmern der Jahrestagung von IWF und Weltbank im September 1988 keine Unterstützunh gewährt wird. Denn wir gehen davon aus, daß die Organisatoren dieser Jahrestagung die zuständigen Behörden der DDR um die Bereitstellung diverser Hotelplätze und Fuhrparks einschließlich des erforderlichen Sicherheitsaufwandes ersucht haben.

Wir fordern alle politischen Verantwortlichen, alle gesellschaftlichen Kräfte und die Kirche der DDR auf, sich mit dem durch die rücksichtslosen Maßnahmen, u.a. von IWF und Weltbank in Armut gestürzten Teil der Weltbevölkerung zu solidarisieren. Wir rufen die genannten Kräfte dazu auf, alle ihre Möglichkeiten zu nutzen, um mit ihren spezifischen Mitteln alle Menschen in der DDR zu informieren und zu aktivieren, sowie eine Aktionswoche vom 23. bis 30.September 1988 zu gestalten.

Potsdam, den 5.Juni 1988

Die Teilnehmer des Seminars

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