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Gegen IWF
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aus: Unzertrennlich 10/11, Winter 1988
Auf zu neuen Zielen
Unsere ersten Gedanken nach den Aktiononstagen waren ersteinmal Erleichterung und Freude
über den gelungenen Ablauf unsererseits. Diese Gedanken haben sich auch bis heute - lange nach
dem September - erhalten. Wir wollen dabei aber nicht übersehen, daß es viele
Unzulänglichkeiten, Chancen, die vertan wurden, und Ängste gegeben hat.
Punkte, an denen wir bei zukünftigen Großkampangen offensiver handeln können. Wir wollen anhand der
Kampagne vorher und den Aktionstagen versuchen, Schwierigkeiten, die wir hatten, zu
benennen und Fehler nicht zu verschweigen, sondern aus ihnen zu lernen.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Kampfansage gegenüber einer Analyse, die keinen Praxis- und Alltagsbezug mehr hat. Es geht darum, nicht auf die Revolution des revolutionären Subjekt in den Metropolen zu warten, sondern hier und letzt unsere Kämpfe und unsere Basis zu verbreitern.
547 Tage
"Wir wollen zu einem bestimmten Zeitpunkt unsere Kräfte bündeln, aber der Prozeß vorher und nachher ist das entscheidende." (aus "Verhindern wir den Kongreß", Frühjahr 87)
Der Aufruf, der eineinhalb Jahre vorher fertig war, gab die wichtigsten inhaltlichen Richtungen an, die auch von vielen so aufgenommen werden konnten, daß er nicht nur konsumiert wurde, sondern auch viele Diskussionen auslöste. Veranstaltungen über konkrete Arbeit des IWF im Trikont und ihre Funktion im kapitalistischen System wurden eifrig vorbereitet und besucht.
Ökonomische Bedingungen der Ausbeutung auf der ganzen Welt waren ein Thema, worin es einen großen
Nachholbedarf in der Scene gab. (Die genaue Zusammenfassung dieser Diskussionen findet ihr im ersten Artikel.)
Doch schon bald tauchten die ersten Probleme auf. Was für praktische Folgen hat die Analyse von
Kapitalstrategien und Klassenkämpfen. Ein Speziallstenwissen wurde in einzelnen Gruppen aufgebaut, das sich in längeren Grundsatzpapieren zur Herangehensweise an PoliLik entlud. Anfangs karnen aus den Diskussionen wichtige "neue" Bereiche, neu zumindest für die gemischte Scene, z. B. das endlich auch von den Typen entdeckte Patriarchat als ökonomisches Ausbeutungsverhältnis neben dem "privaten" Gewaltverhältnis. Die Schlagworte davon drangen dann auch zu ziemlich allen Leuten aus der Scene vor. Schlagworte von Klasse, revolutionären Subjekten über neue imperialistische Angriffslinien gegen Klassenkämpfe, IWF-Riots, neuer Internationalismus bis zur Subsistenzproduktion als Verweigerungshaltung gegen kapitalistische Verwertung.
Doch schon die genauere Vermittlung und Verbreiterung der Diskussionen klappte nicht mehr. In Westberlin z.B. gab es von den IWF-Gruppen lediglich Ende 87 die einzige Informationsveranstaltung. Sie ging dann um die genauere Erklärung der Abspaltung der Frauen vom gemischten IWF-Plenum. Die Diskussionen vorher und nachher wurden im wesentlichen intern geführt. Papiere wurden nicht veröffentlicht, weil sie "noch nicht richtig ausdiskutiert, nicht fertig" sind. Fertig wurden sie nie, so daß auch nie eine richtig breite Diskussion stattfinden konnte. Es gab zwar eine (Frauen) Broschüre und Radiosendungen, aber die analysierten eher die Schweinereien des Kapitals, als
daß sie den Kampf vorwärts brachten.
Gleichzeitig wurden die alltäglichen Kämpfe zu Nebenschauplätzen. Aktuell wurde fast nicht mehr eingegriffen. Der wahre Feind wartete im September auf die Diskussionsteilnehmerlnnen. Ein schönes Beispiel sind die Auseinandersetzungen um das besetzte Kubat-Dreieck in Westberlin. Einerseits die ernsthaften Vorbereitungen für den Kongreß von einer großen Gruppe innerhalb der Scene, andererseits die heftigen militanten Kämpfe von Kids und anderen unorganisierten Autonomen. Die haben dann von den parallel stattfindenden Diskussionen wenig mitbekommen, ihnen wurde auch nicht versucht, etwas davon zu vermitteln.
Und umgekehrt die "alte" Scene, der die Kämpfe nicht in ihre Analyse passen, die gerade mal zuschaut
oder höchstens vereinzelt unterstützt in Extremsituationen dort, die auch ein ganzes Stück Überheblichkeit und Abstand mitbringt, obwohl gerade dort eine Zusammenarbeit auf inhaltlichem Gebiet sehr notwendig gewesen wäre, um dieses Gebiet nicht dem Reformistenspektrum zu überlassen, auch weil es ein leichter öffentlichkeitswirksamer Ansatzpunkt war. Militant genug waren die Kubat-Leute schon alleine.
Es gab natürlich von der organisierenden Scene berechtigte Kritik an Strukturen dort, wie das ganz extreme Mackerverhalten und der Militanz als einziger Inhalt. Aber da stellt sich die Frage, wie das ausgesehen hätte, wenn wir von Anfang an dabei gewesen wären, ob sich das so hätte herausbilden können.
Einer der wenigen Versuche, schon im Vorfeld nicht nur Analysen zu betreiben, sondern praktisch Politik zu machen, war die "revolutionäre" 1.Mai-Demo. Dahin kamen dann auch 8000 Leute, Klassenkampf und Internationalismus fanden allerdings hauptsächlich in den Redebeiträgen statt, wo wahrscheinlich wieder nur wenige zuhörten.
Dadurch, daß so viele Leute auf einer "revolutionären" Demo mitlaufen, handeln sie noch lange nicht revolutionär. Es war eben auch das "normale" Demo-Spektrim da, was auch zu HausbesetzerInnendemos oder den Aktionstagen gegangen ist, nicht die Marginalisierten aus den Stadtteilen.
Die theoretischen Diskussionen verselbständigten sich immer mehr (gerade auch in Bremen bei den
Internationalismus-Tagen), der alltägliche Praxisbezug, auch die Planung der Praxis Ende September
waren immer weiter weggerückt. Das revolutionäre Subjekt wurde zum Drehpunkt aller Diskussionen, mit
dem Klassenbegriff wurde wild herumgeschmissen, aber daran gab es kein Weiterkommen, weil dies keine
konkreten Folgen für unsere Kämpfe hier hatte.
Wichtig ist allerdings schon, daß es ohne die inhaltliche Vorbereitung die Aktionstage nicht so vielschichtig mit differenzierten Angriffszielen gegeben hätte, nicht nur als Aktionskonzept, sondern auch als inhaltlicher Gegenpol zur Bündnisgroßdemo und zum Gegenkongreß aus dem reformistischen Spektrum. Aber die Distanz zwischen praktischer Politik und Analyse wurde immer größer. Ganz offensichtlich wurde das im Juli in Westberlin bei der 1. VV zur konkreten Vorbereitung der Tage.
Viele, die hinkamen, erwarteten eine Darstellung des bisher Diskutierten, die konkreten Ideen für die Tage sollten vorgestellt werden. Doch niemand von den IWF-Gruppen sah sich verantwortlich, für diese Vermittlung zu sorgen, weil die Diskussionen bisher noch nicht einmal Zwischenergebnisse gebracht hatten, die alten IWF-Gruppen aufgrund von theoretischen Differenzen, persönlichen Konflikten und fehlendem Praxisbezug am sich auflösen waren, die Koordinationstreffen noch nicht funktionierten. Die Interirn betitelte ihre nächste Ausgabe mit "Nie wieder IWF".
Danach gab es erstmal die kurze Sommerpause (immerhin kürzer als in den Jahren vorher), anschließend kam schon richtige Hektik auf, um die Aktionstage auch praktisch zu füllen, weil nun ja nicht mehr so viel Zeit war.
Aber auch dabei wurde noch krampfhaft an den vorher erarbeiteten Inhalten festgehalten, ohne aus den bisherigen Differenzen zu lernen, z. B. bei der Diskussion um die Benennung der Aktionstage, die dann als Tage Kampfes gegen den Zwang zur Arbeit, gegen Bevölkerungs- und Entwicklungspolitik, der Frauenarbeit und des Internationalismus.
Darunter konnten sich viele außerhalb des inneren Kreises der Scene kaum etwas vorstellen, obwohl
das auch eine Attraktivität in größere Kreise hinein haben sollte. Mehr "volksnahe" Gegenvorschläge (Tage der Aneignung, des Störens und des Feierns), die nicht diese übertriebene Ernsthaftigkeit hatten, wurden als unklar zurückgewiesen, als hinter die bisherigen Diskussionen zurückfallend.
Dieses Nichtzusammenbringen der analytischen Diskussion mit der praktischen Ausführung vor und während der Aktionstage ist aber nicht das einzige lähmende gewesen. (Es gab übrigens auch Versuche, die Diskussion beispielhaft zu konkretisieren. Dies waren Kundgebungen in
Westberliner Einkaufszonen zu den Themen Frauenarbeit, privater Verschuldung und Zwang zur Arbeit. Bloß da blieben die Teilnehmerinnen eher unter sich, wie oft bei solchen Kundgebungen.)
Das Starren auf die Schlange
Das andere wichtige lähmende Moment in der Zeit vorher war die Repressionsangst oder eher -hysterie. Die Angst fing schon in den Vorbereitungsgruppen ein Jahr vorher an. Spitzel wurden überall gesichtet, sogar inhaltiche Diskussionen als Konsequenz in der Konspirativität geführt. Größere bundesweite Vorbereitungstreffen gingen in einer Atmosphäre des gegenseitigen Mißtrauens vor sich. Das sah dann so aus, daß alle einzelnen gefragt wurden, welcher Gruppe sie angehörten. Alle die eine gute Gruppe vorweisen konnten, durften bleiben, aber eine absolute Sicherheit gab es nie und wird es nie geben können, auch wenn sich einige damit eine völlige Sicherheit vorspielten.
Wir wissen nicht, wie die einzelnen Gruppen intern organisiert sind, ob sie vielleicht Spitzel dabei haben. So eine Kontrolle erschwert den Bullen die Arbeit, es muß dabei in jedem Fall aber neu abgewägt werden, ob der Nutzen größer ist als die Nerverei. Die Unklarheit über die Vorgehensweise hat ein paar Wochen später dazu geführt, daß in einer Arbeitsgruppe zu den Aktionstagen rnindestens eine Eblt-Bullenfrau unerkannt 2 Monate lang sitzen konnte.
Ein Beispiel für die zu hoch geschraubte Repressionangst ist die Diskussion darüber, wie unsere Genossinen aus Westdeutschland über die Grenze nach Westberlin kommen können. Ob es realistisch ist, daß sie es überhaupt bis hierher schaffen. Klar gab es in den letzten Jahren oft Vorbeugehaft für Leute von uns, aber dabei haben wir auch gelernt, uns zu tarnen, um durch Sperren durchzukommen. Haben auch gelernt, nicht unsere ganzen Kampfmittel im Auto dabei zu haben.
Auch dann können wir immer noch dummerweise in ASOG-Haft genommen werden, aber das ist ja
praktischerweise noch so, daß das höchstens 48 Stunden dauert und keine direkten weiteren Folgen hat. Also erstmal kein Grund, so sehr Angst davor zu haben. Bei anderen Aktionen gehen wir wesentlich größere Risiken ein. Und da die Bullen auch wußten, daß die Aktionstage länger sind als eine Demo, gab es für sie kaum noch einen Grund, selbst diese zufälligen ASOG-Festnahmen zu machen.
Westdeutsche Genossinnen wurden zusätzlich noch durch die Diskussion abgeschreckt, wegen der
Repressionsmaßnahmen hätte es keinen Sinn mehr, ohne lange Vorbereitung und Ortskenntnisse zu kommen. Das hat sich als falsch erwiesen, weil dadurch viele Aktionen erst gar nicht erst ausprobiert werden konnten. Es wäre für Westberlinerinnen ganz sinnvoll gewesen, militante Unterstützung zu bekommen.
Daß dieser Diskussionsansatz falsch war, hat auch mit der Einschätzung zu tun, was eine handlungsfähige Gruppe ist und wieweit nur genaue Vorbereitungen zu Ergebnissen führen können. Darauf komme ich aber später zurück, weil das gleiche für westberliner Gruppen gilt.
Noch ein Kapitel zur Repressionsangst ist die Panik vor einer Abriegelung von Kreuzberg 36. Das hat zwar sicher zum Teil auch durch die öffentliche Thematisiernng dazu geführt, daß die Bullen auf so eine Art von Repression verzichtet haben, aber unsere präventiven Gegenmaßnahrnen haben aber sehr viel Kraft gefordert. Das hatte zur Folge, daß viele in andere Stadtteile zogen..........Unser Festhalten an unserer Absicherung war völlig starr und lähmend.
Für die konkrete Vorbereitung der Tage das gleiche Bild: Viele Vorschläge werden erstmal als unrealistisch abgetan mit Begründungen wie "nicht durchsetzbar" oder "da können wir so leicht eingekesselt werden". Das Bild, das Westberlin Ende September eine einzige Bullenfestung mit Ausgangssperre ist, hatte sich so in die Köpfe eingefressen, daß nur noch ein Starren auf die Repression möglich war. Für alle Aktionen wurde zuallererst einmal der Fall eines
Verbots durchgespielt. Wie reagieren wir auf Verbote und können trotzdem etwas durchsetzen. Wir haben unseren Ideen gar keinen freien Lauf mehr gelassen. Dann kam erst noch die "militärische Absicherung" der einzelnen Kundgebungen, erste und letzte Ketten wurden organisiert, Transparente als Seitenschutz, Lautsprecherschutz, Melderinnen.
In diese Treffen konnten sich alle wunderbar reinstürzen, sie brauchten dann um die weitere konkrete
Ausgestaltung der Tage keine Gedanken mehr zu machen. Denn alle machen schon so was Wichtiges. Im Nachhinein können wir einfach sagen, diese Angst war völlig unberechtigt. Aber aus unseren Erfahrungen ist eine gewisse Angst zu verstehen. Trotzdem ist es notwendig, eine Umgehensweise mit der Repression zu finden, die diese Widersprüchlichkeiten erfaßt, uns aber gleichzeitig nicht so lähmt, daß wir nur noch Repression im Kopf haben.
Das heißt auch, daß wir begreifen müssen, daß das nur technische Vorbereitungen sind,
notwendige zwar, aber diese techniks dürfen nicht zum Selbstzweck werden, damit noch genügend Platz in unseren Köpfen bleibt für die Umsetzung unserer Politik. Ein bißchen Effektivität kann uns nicht schaden, wenn das nicht gleich in Leistungsdruck übergeht.
Diese Lähmung hat uns jedenfalls zu diesem Zeitpunkt sehr geschadet. In allen Aufrufen vorher stand drin, daß 10.0000 Bänker von den Bullen nicht zu schützen sind, wenn sie sich in der Stadt bewegen.
5 Tage und 5 Nächte sind nicht genug
Die Tage selbst haben ja wohl alle aus dem autonomen Spektrum in guter Erinnerung, gerade auch wegen der Unzulänglichkeiten und Ängste in den Wochen und Monaten vorher. Die gute Erinnerung kommt erstmal aus einem Gesamtgefühl, wir wollen einzelne Aktionen und Tage aber genauer betrachten, weil in unseren Augen nicht alles so richtig gut gelaufen ist. Die Aufzählung der Aktionen ist ja schon in der radikal gemacht worden, wobei wir ihre positive Wertung fast aller Aktionen nicht teilen.
Die Stimmung in Siemensstadt beispielsweise oder am Arbeitsamt war einfach nicht super, es waren auch nicht soviele Leute da. Ebenso an vielen anderen Orten. Es hat keinen Sinn, alles nur positiv zu werten und zu übertreiben, weil wir auch aus unseren Fehlern lernen müssen.
Ein Kennzeichen der Aktionstage war der Unterschied zwischen den von uns Autonomen voll inhaltlich
vorbereiteten Aktionen, die mehrheitlich zur Langeweile neigten und wo wir fast unter uns waren. Dagegen die von reformistischen Kräften vorbereiteten und angekündigten wie das "BürgerInnen beklatschen Bänker" vor der Oper und das Trommeln abends auf dem Breitscheidplatz, das sogar noch als Trommeln für eine neue Weltwirtschaftsordnung angekündigt war. Diese Sachen brachten Schwung in die Leute, die Bullen blickten nicht mehr durch, es taten sich viele Möglichkeiten für uns auf und gleichzeitig hatte es eine gute störende Außenwirkung. Ironischerweise wußten die Bullen besser als wir, was gut wird. Sie verboten fast alle 'reformistischen' Aktionen und erlaubten
unsere.
Doch der Reihe nach. Unsere autonomen offiziellen Aktionen (Siemens, Schering, Arbeitsamt etc.) hatten zweifellos die richtigen Inhalte, es gab sehr gute Redebeiträge, denen auf jeden Fall mehr Beachtung hätte geschenkt werden müssen. Möglichst viele Aspekte unserer Kämpfe wurden in ihnen lang und deutlich dargestellt. Ursprünglich war geplant, daß diese Kundgebungen lediglich das Gerüst der Aktionstage darstellen. Sie sollten Angebote für Unorganisierte sein, um auch ihnen einen Einstieg in Aktionen zu bieten, daß sie überhaupt bei uns teilnehmen können.
Außen um dieses Gerüst herum sollten die vielen anonymen Kleingruppen ihre mehr oder weniger großen Aktionen starten, die dann auf den "offiziellen" Kundgebungen ihre inhaltliche breite Vermittlung bekommen. Die Organisatorinnen hatten dies auch sehr wohl noch im Kopf, aber aufgrund der oben beschriebenen Repressiomangst hatten wir uns schon nicht mehr zugetraut, offensive Kleingruppenaktionen zu machen. Es war dann wohl übertrieben zu erwarten, daß es um uns herum noch so viele genau zuschlagende Gruppen gibt, wenn wir uns schon zurückgezogen hatten.
Viele von uns hatten in den Tagen vorher den Wunsch, daß der Kongreß möglichst schnell ohne größere Verluste vorbeigeht. In dieser Situation haben sich große Teile der organisierenden Gruppen nur noch mit zwei Dingen befaßt. Als erstes mit der Vorbereitung der Kundgebungen und Demos, womöglich noch Redebeiträge inhaltlich diskutieren und schreiben und als zweites mit der Logistik, die wir für nötig gehalten haben, um Infos weiter zu geben.
Diese Logistik hatte einen dermaßen hohen Stellenwert, der nötig schien, weil so viele Informationshungrige Leute erwartet wurden. Das hat viele Leute gebunden, in den Infostellen, auch in den Meldegruppen, Fahrwachen, Zeitung (Zahltag). Schon allein die Vorbereitung dieser Logistik war zeitraubend. Die Infos waren dann auch gut und schnell, alle Festnahmen wurden so schnell wie selten dem EA gemeldet, bloß es gab nicht so viele Leute, die Infos wollten.
Es gab einfach nicht diese anonyme Masse von Kleingruppen. Mit diesen beiden Dingen konnten
wir uns gut die Zeit vorher beschäftigen und das Gefühl haben, wir machen viel, und dadurch verdrängen, daß wir eigentlich den Kongreß praktisch verhindern wollten.
Für die Kundgebungen während der Aktionstage hatte das zur Folge, daß das Gerüst gut stand, bloß die Füllung dazwischen fehlte einfach ziemlich. Die Langeweile kam auch daher, daß wir auf diesen offiziellen Aktionen ziemlich unter uns waren, noch nicht einmal unser anpolitisiertes Urnfeld von Kids und Sympis kam, erst recht nicht unser so schön hergeleitetes revolutionäres Subjekt in den Metropolen von der Hausfrau über die Flüchtlinge bis zu den ganz Marginalisierten. Und wir selber wollten die Kundgebungen auch nicht unbedingt hören, wir kennen den Inhalt zum großen Teil, wir wollten ja auch die konkrete Aktion, wenn schon unsere AnsprechpartnerInnen nicht kommen.
Wir müssen einfach wissen, daß auf "normalen" Kundgebungen schon so wenige Leute zuhören, in Aktionszeiten! erst recht nicht. Sie sind nicht schwungvoll genug, es wird eine interne Sprache benutzt, unsere Inhalte können nicht einfach nur trocken dargestellt werden. Die inhaltliche Vermittlung kann doch vor Aktionstagen laufen, soviel mehr Leute erreichen wir in diesen Tagen auch nicht.
An den Tagen selbst ist es doch möglich, daß wir die lange erarbeiteten Inhalte in praktische Politik umsetzen, d.h., Angriffe auf Herrschende und ihre Einrichtungen. Wir müssen auch gucken, daß wir andere oder bessere Vermittlungsmethoden finden, um unsere Basis zu verbreitern.
Dies kann auch nur durch eine Wiedererlangung unserer Anziehungskraft auf andere Leute gehen, die wir mit so trockener Langeweile nur abschrecken im Gegensatz zu einer Spontaneität und Frechheit, die wir schon mal hatten.
Nicht langweilig waren für uns die offiziell angekündigten Aktionen aus dem reformistischen Spektrum. Nicht langweilig deshalb, weil sie umfunktioniert wurden zu praktischem, direktem Widerstand. Direkt, weil sie an den Punkten stattfanden, wo die Schweine selbst waren, wie beim Empfang an der Oper, bei den Hotels oder in der City.
Umfunktioniert wurden sie zuerst von Leuten, die nicht aus dem autonomen Spektrum direkt stammen, aber eine gewisse Sympathie für uns hegen. Typisch war ja, daß die erste unangemeldete City-Demo stattfand, während wir am Sonnabend auf einer VV noch unsere Repressionängste austauschten, letzte Infos weitergaben, unser Verhalten noch absprechen mußten, hauptsächlich also viel reden, obwohl jetzt langsam Praxis angesagt war.
Die Unbekümmertheit, mit der Leute in der City rumliefen, steckte langsam aber sicher, Tag für Tag mehr, uns Autonome an. Wir haben uns nun Sachen getraut, die wir eine Woche vorher nie für möglich gehalten haben. Dazu kam, daß die Bullen bei ihrer Gratwanderung zwischen Demokratie und Bürgerkrieg nicht vor der Weltpresse in die Leute reindreschen konnten, auch hatten sie sich völlig verplant, waren auf offene Straßenschlachten aus, die für uns aber so offensichtlich nicht angesagt waren.
Der Schutz innerhalb der trommelnden Menschen für uns war ganz praktisch, und wir hatten überraschenderweise viele Möglichkeiten. Es war natürlich nicht nur Schutz, wir haben die Leute nicht nur benutzt, sondern es sind ja auch Leute, die uns nahestehen, die unsere Aktionen gut finden, sich selbst aber vielleicht nicht zutrauen. Gleichzeitig stellten unsere Aktionen in der Menge auch Beispiele dafür dar, was möglich ist an praktischem Widerstand, daß es auch relativ leicht nachahmbar ist.
In unseren Gruppen war es problematisch, daß wir uns so in die Unfähigkeit, praktisch was zu machen,
hineingesteigert hatten, daß wir schwer davon runterkamen. Eine Grundlage für praktische Aktionen ist natürlich, daß wir uns in den Gruppen gut kennen, Vertrauen haben und eine lange Kontinuität da ist. An sich haben wir eine gewisse Palette millitanter Möglichkeiten vor uns, aus denen wir auswählen können. Vom Sprühen, Steinen über Zwillen, Mollies bis hin zu Bomben (für die, die sich sowas zutrauen). Vor den Tagen wäre es richtig gewesen, sich die Möglichkeiten alle offen zu halten.
Denn wir haben immerhin gemerkt, daß wir nicht vorhersehen können, wie die Bullen sich auf Widerstand einstellen, auch sie verplanen sich oft. Wir haben auch solche Entscheidungsstrukturen, wo alle ihre Ideen sofort einbringen könnten. Unsere kleinen Gruppen könnten sehr flexibel sein, aber dem stehen natürlich die individuellen Ängste und die Grenze dessen, was wir uns zutrauen entgegen.
Eine Variante wäre es, sich auf mehrere Aktionen vorzubereiten, sich aber nicht völlig frustrieren zu lassen, wenn sie wegen der Bullen unmöglich werden. In den Tagen war es eher so, daß wir einfach gucken mußten, schnellerr gucken, als wir es getan haben, um eine angemessene offensive Strategie auf die Reihe zu kriegen. Es standen uns, im nachhinein gesehen, nun wirklich viele Möglichkeiten offen. Das heißt, daß die Erfahrungen, die wir bisher mit der Repression, uns nicht lähmen dürfen, sondern daß wir sie bewußt verarbeiten, Angriffe daraus entwickeln. Beim IWF waren wir noch zu gelähmt und unflexibel.
Ein interessantes Beispiel ist das Stadtspiel der Lateinamerikagruppen am Dienstag, das als Raddemo durch die Stadt fuhr. Die Vorbereitungsgruppe hatte an verschiedenen Punkten öffentliche Aktionen geplant und bis dahin alles im Griff. Als die erstrmal vorbei waren, die Radlerlnnen aber Lust auf mehr hatten, machten sich alle gemeinsam auf den Weg zum ICC, wo der Kongreß tagte. Die Bullen blickten es nicht so recht, rannten teilweise vollbepackt zu Fuß hinter den Fahrrädern hinterher, sogar die Bullen in den Wannen wurden abgehängt. Die RadlerInnen dachten alle sowieso, daß sie nicht weit kommen, einfach mal ausprobieren, was möglich ist. Die Vorbereitungsgruppe fuhr inzwischen auch nur noch mit, andere Leute hatten spontan die erste Reihe übernommen und auch so konsequent durchgeführt, daß es ausgereizt wurde, daß alle zum ICC fahren konnten.
Nur da hat sich die neue erste Reihe auch nichts mehr zugetraut. Es war zwar unübersichtlich, und von allen Seiten rauschten lange Wannenkolonnen an, aber eigentlich hätten sie noch genügend Zeit gehabt, auf den Vorplatz zu fahren und zu gucken, ob die Türen offen sind, und reinzugehen. Stattdessen warteten sie ein bißchen, bis die Bullenhundertschaften alle dastanden, reckten die Fäuste vor den spazierengehenden überraschten Kongreßteilnehmern und mußten dann aber auch bald fahren, weil die Bullen immer aggressiver wurden. Ein unbekümmerteres Verhalten hätte dieser guten Aktion zu noch größerem Erfolg verholfen.
Auf den Pressekonferenzen stellten wir uns dann als Motor der Aktionstage vor, was auch vollkommen richtig ist. Bloß dazu gehört eine bessere Vermittlung von dem, was wir gemacht haben, sowohl inhaltlich als auch praktisch. Die Herrschenden mit ihren Medien haben ein Interesse daran, das zu verschweigen. Deshalb ist es notwendig, nicht nur die Brandanschläge mit Erklärungen zu versehen und öffentlich zu machen, sondern an solchen Tagen auch die vielen "kleinen" militanten Aktionen.
Das ist umso mehr wichtig, weil wir in den Medien gar nicht als Aktive angesehen wurden, weil es diesmal nicht angsagt war für uns, in Lederjacke und mit schwarzer Maske rumzulaufen, und deshalb viele uns nicht als politische Kraft wahrgenommen haben. Es ging ja soweit, daß wir organisierende Autonome durch Bullensperren laufen konnten, während die Kids neben uns mit ihren bunten Haaren festgenommen wurden. Diese Fähigkeit zur Verkleidung sollten wir weiter ausbauen und nutzen, aber unsere Kultur dabei nicht grundsätzlich verstecken.
Die Donnerstagsdemo konnte nur mit der Drohung der Auflösung weiterhin durchgezogen werden nach den
vorangegangenen Bullenangriffen. Am Schluß wurde sie auch gerade im richtigen Moment aufgelöst, doch nicht, damit wir nach Hause gehen, sondern um unseren Widerstand eindeutig und militant an bestimmten Punkten zu zeigen, die Herrschenden an verschiedenen Stellen anzugreifen. Diese Auflösungsdrohung kann nur eine Drohung bleiben, wenn es genug Leute im Kopf haben, anschließend auch spontan militant zu sein in Kleingruppen.
Das klappte diesmal gerade so noch, weil viele in die City gingen und andere sich als Kleingruppen anderweitig vergnügten an Banken und anderem. Diese Demo war übrigens eine der Demos, wo wir das Gefühl hatten, nicht alleine zu stehen und zu kämpfen, sondern daß sich viele Leute bewußt bei uns einreihten, wo wir also schon eine Anziehungskraft auf Menschen am Rande haben. Das Anwachsen der Demo im Laufe der Zeit war schon beeindruckend.
Eine Schwierigkeit der Tage war, daß wir an unsere analytisch hergestellten revolutionären Subjekte nicht rankamen. Sie hörten sich unsere Kundgebungen nicht an und bei den Konzernen waren sie auch kaum sichtbar. Andererseits aber sind schon bei der Sonntagsdemo viele Unorganisierte in unserer Nähe mitgelaufen, so daß dadurch nach außen ein relativ starker radikaler Block in Erscheinung trat.
Bei den City-actions an den Abenden waren ungefähr dieselben Leute vertreten, von uns gab es ja nur kleine Gruppen. Diese Leute, die da ziemlich unbekümmert und unvorbelastet rumsprangen, sympathisieren sicher zu einem Großteil sowieso mit uns und unseren Inhalten und Aktionen, gehen jedes Jahr auf drei Demos, beschäftigen sich aber sonst nicht soviel mit politischer Arbeit. Es sind nicht die Marginalisierten, eher die, denen noch viele Möglichkeiten offenstehen, die SchülerInnen und StudentInnen, Altlinke, Leute aus Kollektiven etc. Wir finden es wichtig, wenn wir es schaffen würden, gerade sie in eine kontinuierliche Arbeit miteinzubinden.
Ein erstes Problem dabei ist, daß sie politisch noch vereinzelt sind, keine Gruppenzusammenhänge haben, die ausdrücklich politisch sind. Bisher gibt es kaum Versuche, an sie heranzukommen, oder gescheiterte Versuche, die aus einer Oberlehrerposition heraus gestartet wurden. Wir haben auch die Angewohnheit, uns nach außen viel zu sehr abzugrenzen, daß wir nicht einmal mehr unsere Diskussionen vermitteln. Positive Ausnahmnen sind in Westberlin die Antifagruppen, die bei Schülerinnen eine große Anziehungskraft haben, weil sie auch an deren konkreten
Lebensbedingungen ansetzen.
Und dann gibt es auch .......[ eine Zeile fehlt].... daß sie unbedingt in unsere halbwegs festen Kleingruppen hineinkommen, was wir auch aus Sicherheitsgründen nicht wollen. Sie können sich ihre Politik auch anhand von den Erfahrungen anderer und eigenem Erleben erarbeiten, wobei sie nicht unbedingt von Anfang an vollkommen revolutionär sein müssen. Der Austausch kann auch als Gruppe mit anderen Gruppen möglich sein. Ohne diese Oflenheit geraten wir in Gefahr, unsere Politik voranzutreiben als Avantgarde, ohne unsere Basis oder Scene zu vergrößern. Dann sind wir die perfekte Kaderorganisation im besten K-Gruppenstil.
Dazu gehört natürlich auch, unsere Inhalte offensiv darzustellen, z. B. bei der Sonntagsdemo, wo es richtig war, doch daran teilzunehmen, aber auch in den vorbereitenden Gesprächen dazu. Es waren inhaltliche Unterschiede ("Schuldenstreichung"), die dazu führten, daß Autonome zu der Demo nicht mobilisierten, ebenso taktische Gründe. Es sollte keine Konzentrierung auf die Demo allein stattfinden. Sie war vor Kongreßbeginn und stand somit direkten Aktionen erstmal entgegen.
Nun waren die Aktionstage aber mittlerweile schon fest verankert in den Köpfen vieler, die wichtigen IWF-Gremien tagten jetzt schon, diese Gründe fielen also für uns wieder weg. Das Gesamtbild der Demo wurde dann auch nicht von der "gerechten Weltwirtschaftsordnung" bestimmt, unsere Parolen standen genauso im Vordergrund. Außerdem war das Wetter schön. Es wäre aber wichtig gewesen, die Pro-Argumente vorher auch öffentlich darzustellen, um die Diskussion am Laufen zu halten, stattdessen gab es nur die alten, damals passenden Gegenargumente.
Wir wollen dabei natürlich kein Bündnis mit irgendwelchen Funktionären eingehen, sondern an die Basis der Organisationen herankommen, weil die ja nun erstmal noch nicht so platt reformistisch sind und auch gar nicht in den Organisationen eingebunden sind. Das ist die eine Möglichkeit, die Scene zu verbreitern.
Die andere ist während der Aktionstage ziemlich vernachlässigt worden. Es geht dabei um die Leute in Kreuzberg oder anderen Sanierungsvierteln, die die Auseinandersetzungen des letzten Jahre oder gerade am 1.Mai 1988 .....[fehlt eine Zeile]... ten" wie Ausländerinnen, Alkies, ArbeiterInnen, Kleinkriminelle, Junkies. Dadurch daß die Auseinandersetzungen so völlig aus Kreuzberg herausgehalten wurden, kamen sie gar nicht in Berührung mit dem Widerstand gegen den IWF. Es war zwar genau richtig wegen der Bullevorbereitung und der Weltöffentlichkeit unsere Störungen in der City zu starten, aber da handeln wir mit anderen Leuten gemeinsam als in Kreuzberg. Das ist ein Widerspruch, mit dem wir umgehen könnten.
Die übliche Form von offenen Straßenschlachten in Kreuzberg war ohne ein Überraschungsmoment diesmal unmöglich, weil die Bullen sich sehr intensiv die bekannten Straßenzüge angesehen haben. Schon kleine Ortswechsel innerhalb Kreuzbergs hätten helfen können, weil Bullen nie alles kontrollieren können. Außerdem gibt es ja noch andere Formen von Militanz und Anwesenheit auf der Straße, als den Bullen mit Steinen in der Hand gegenüberzustehen und militärisch jede Barrikade zu verteidigen.
Ein richtiger Ansatz war die erste Idee, die Donnerstagsdemo in Kreuzberg beginnen zu lassen, um auch hier sichtbar zu sein und eine Kraft auszustrahlen, die Attraktivität nach außen hat, wo Leute mitmachen können. Aus technischen Gründen, zu langer Weg in die City, Repressionsangst wegen ungünstiger Wege, wurde er aber wieder fallengelassen.
Unsere Basis zu verbreitern muß eine der wichtigsten Aufgaben in der Vorbereitung und während solcher Tage sein. Die verschiedenen Konzepte, die es dazu gibt (Stadtteilarbeit, Bezug auf die Klasse, unser anpolitisiertes Umfeld mit einzubinden) stehen nicht gegeneinander, sondern können sich nur ergänzen.
In den Tagen danach ist unser Umgang mit der Repression auch nicht sehr offensiv gewesen. In der täglichen Zahltag-Zeitung wurden zu häufig nur die bösen Bullen kritisiert. Wir wurden nur als Opfer dargestellt, nicht als aktiv Handelnde. Unser Widerstand, der offensiv war, kann nur nebenbei vor. Die richtig ins Bild passenden großen und kleinen Anschläge wurden nur am Rande erwähnt. Anschläge, die ganz genau auch unsere Linie auf der Straße und inhaltlich unterstrichen.
Das Konzept, das legale und illegale Arbeit zu einer Politik miteinander verbindet, wurde nicht offensiv genug vertreten, auch nicht auf den gut besuchten Pressekonferenzen. Und gegen dieses Konzept wird gearbeitet, wenn wir uns nur die Opferrolle der Repression womöglich noch selbst zuteilen. Das heißt noch lange nicht, daß wir die Repression schnell vergessen sollen. Auch die Realität von 1.000 Festnahmen und die inzwischen eingeführte Kessel-Normalität müssen wir weiter bekämpfen, um Kampfbedingungen für uns in den nächsten Jahren zu erhalten.
Es ist schon richtig für die einzelnen, ASOG-Festnahmen nicht so wichtig zu nehmen, damit wir uns nicht lähmen lassen. Aber wir dürfen das politisch nicht so einfach hinnehmen und auf den refomistischen Protest dagegen geringschätzig herabgucken. Wir können auch dagegen eine Strategie entwickeln als eines von vielen Angriffszielen unserer Politik und Militanz, auch wenn das in so einem Falle nur eine Re-Aktion ist.
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