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aus taz vom 14.5.1988
"Ohne uns Frauen läuft nix..."
Broschüre des Westberliner IWF/Weltbank-Frauenplenums / Wie
Imperialismus und Patriarchat zusammenhängen
(...) Zum Klassenkampf, zur Organisation des Widerstandes gegen
das Kapital, dessen Angriff sich bis in die letzten
gesellschaftlichen Winkel und scheinbare Nischen erstreckt, gibt es
in der Metropole nicht weniger Anlaß als in den Ländern
der sogenannten Dritten Welt. (...) Die Unterwerfung der Frauen ist
die materielle Basis für die Ausbeutung der Arbeitskraft.
Lohnarbeit ist ohne die - unbezahlte, in den Individualbereich
abgedrängte und von den linken Theorien kaum beachtete -
Reproduktionsarbeit von uns Frauen nicht denkbar. In diesem Sinn
ist auch der antipatriarchale Kampf nicht Teil des
antiimperialistischen Kampfes, sondern sein Ausgangs. D.h.,
Klassenkampf ist nach unserer Bestimmung nur antiimperialistisch,
wenn er sich in seinem Kern antipatriarchalisch versteht. Anders
herum betrachtet: der Kapitalismus, oder in seiner politischen
Organisation: der Imperialismus - ist die konkrete, weltweit
vorherrschende Form des Patriarchats. Der antipatriarchale Kampf
hat sich also notwendigerweise auf Kapitalismus und Imperialismus
zu beziehen und alle anderen Formen von Frauenkampf gegen
Männergewalt müssen letztlich in diesem Kontext als dem
übergeordneten münden. In dieser Frage teilte sich das
Westberliner IWF-Plenum vor einem Jahr in ein Frauen- und ein
Männerplenum. Nicht nur an der Theorie spaltete sich die
Gruppe, sondern vor allem an der Praxis unserer Diskussion.
(...)
Vom letzten Sommer an haben wir Frauen uns intensiv um die
Weiterarbeit an unseren theoretischen Vorstellungen und den daraus
folgenden Ansätzen für eine revolutionäre Praxis
(die nur eine feministische sein kann) bemüht. Wir
mußten bald erkennen, daß wir mit den patriarchal
geformten Begrifflichkeiten immer wieder in Denk-Sackgassen
gerieten. Vor allem mit dem Anspruch, patriarchale und
kapitalistische Unterdrückung (z.B. in der Frage der
Klassen-Definition) begrifflich unter einen Hut zu bringen. Aber
wir haben kaum andere Instrumente zum Verständnis unserer
Wirklichkeit als die über Jahrhunderte zusammengemauerten
Männertheorien - das reicht von Karl Marx bis Detlef Hartmann.
Werlhof, Mies und die anderen Frauen der Bielefelder Schule haben
zwar wichtige Beiträge geleistet, die Reproduktionsarbeit als
Basis des Kapitalismus zu verstehen, können aber zur
Neubestimmung der Frauen als revolutionäres Subjekt im
antiimperialistischen Kampf wenig beitragen. In den verschiedenen
Länderbeispielen, auf die sie sich beziehen, schildern sie
Frauen als handelnde, ihrer Unterwerfung widerstehende Menschen. In
ihren theoretischen Ansätzen findet sich die
revolutionäre Subjektivität der Frauen allerdings nicht
wieder. Da erscheinen die Frauen in aller Welt dann doch wieder als
die Hilflosen, doppelt Ausgebeuteten, die sich von Männern und
Kapital beliebig hin- und herschubsen lassen. Und in den
Vorschlägen von Mies und Werlhof zu einer feministischen
Praxis in der Metropole zeigt sich dann, daß sie ihre eigenen
Analysen nicht verstanden haben, wenn sie biologistische
Lösungen empfehlen und meinen, daß die Frauenbefreiung
von den Müttern ausgehen kann, einfach deshalb, weil sie
Mütter sind. Darin finden wir uns nicht wieder, und so sehen
wir unsere Aufgabe auch nicht, die Bürde gesellschaftlicher
Veränderungen auf unsere Last-erprobten Frauen- und
Mütter-Schultern zu nehmen. Frauen sind weder so geduldig noch
so ohnmächtig, wie sie in vielen Analysen dargestellt werden.
Wir sind davon überzeugt, daß die Kapitalstrategien, die
im Rahmen der IWF-Kampagne jetzt von vielen untersucht werden, ganz
wesentlich auch dadurch bestimmt sind, daß sie auf
unsichtbare oder unsichtbar gehaltene, aber auch auf offen
ausbrechende Formen von Frauenwiderstand reagieren müssen. Der
Klassenkampf, der ein Frauenkampf ist, spielt sich auf zwei Ebenen
ab: Einmal da, wo das Kapital Frauen unmittelbar auszubeuten
versucht. Der Kampf der Frauen in Südkorea gegen Adler ist da
nur das spektakulärste Beispiel. Zum anderen da, wo sich die
vom Kapital ausgebeuteten Männer durch sexistische Gewalt an
Frauen entschädigen und sich so mit dem Kapital
verbünden. Als Beispiele sollen nur der zunehmende
Sextourismus oder prügelnde Ehemänner genannt werden, die
ihren Betriebs-Frust zuhause abreagieren. Die Widerstandsformen
gegen diese zweite Ebene von Frauenunterdrückung sind schwer
zu erkennen. Sie sind individualisiert. (...)
Wir wissen zu wenig über diese Widerstandsformen
(Vielleicht entgehen sie uns sogar häufig als Beweggründe
in unserem eigenen Leben!). Das von den Medien transportierte und
in unseren Köpfen festgesetzte Bild von Widerstand ist das des
steinewerfenden Straßenkämpfers. Inzwischen wird es in
autonomen/antiimperialistischen Kreisen oft modisch in das der Frau
mit der Knarre in der Hand übersetzt. Muß feministischer
Kampf zwangsläufig so aussehen? Ist das die einzige
Erscheinungsform, an der wir ihn erkennen? Lassen wir uns von
männlichen Leitbildern nicht einschnüren! Auf der einen
Seite können wir uns nicht damit begnügen, alle
möglichen Formen von Widerstand, egal aus welchem
Selbstverständnis er entspringt, zum Klassenkampf zu
erklären. Nur wenn Widerstand aus seiner individualistischen
Orientierungslosigkeit herauskommt, sich als kollektives Anliegen
begreift und zum offenen Angriff gegen Ausbeutung und
Unterdrückung übergeht, kann er mehr werden als ein
bloßes Hindernis für den Imperialismus und uns einer
revolutionären Situation näherbringen. Auf der anderen
Seite müssen feministische Ausformungen des offensiv
gewendeten Klassenwiderstandes, auch aus einem
internationalistischen Verständnis heraus, erst noch
entwickelt werden. Bis dahin ist es ein weiter Weg. Erste Schritte
dazu haben wir z.B. mit der internationalen Frauen-Demonstration am
8. März in Westberlin versucht. Aus den Vorbereitungen zu
dieser Demonstration entstand ein praktischer Zusammenhang mit
ausländischen Frauen, in dem wir lernen, die
Unterdrückung der Frauen in anderen Ländern besser zu
verstehen und uns mit ihren Ansätzen von Kampf dagegen
auseinanderzusetzen, umgekehrt uns auch ihrer Kritik
auszusetzen.
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