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aus Dokumentation Dezember 1980 Berlin

Schwere Vorwürfe gegen die Polizei

Während der Krawalle in Kreuzberg wurde ein 27-jähriger Forstarbeiter von einem Mannschaftswagen der Polizei angefahren und schwer verletzt. Er erstattete Anzeige gegen die Polizei wegen versuchten Totschlags. In einer drei Seiten langen Strafanzeige schildert Rechtsanwalt Dr. Zieger den Ablauf des Geschehens aus der Sicht seines Mandanten.

  "ln der Nacht zum Freitag auf Samstag stand ich gegen 2 Uhr in der Oranienstraße mit dem Gesicht zum Oranienplatz; die Oranienstraße war an der Einmündung zum Oranienplatz, Ecke Erkelenzdamm durch eine Barrikade gesperrt, die aus gebündelten Dachziegeln, einem Kasten und einem Betonblumentrog bestand. Auf dem Erkelenzdamm standen ein paar Wannen. Eine von ihnen fuhr entweder plötzlich los oder kam von weiter hinten herangefahren. Weil der Motor sehr hoch drehte, nehme ich an, daß der Wagen direkt losgefahren ist. Der Wagen hatte eine Geschwindigkeit von etwa 30 Stundenkilometern und fuhr direkt auf die Barrikade zu. Vor der Barrikade standen mehrere Leute, in die der Wagen hineinfuhr. Ich sah, wie einige zur Seite geschleudert wurden. Einer jedoch wurde von dem Wagen gegen den Blumentrog gequetscht. Ich rannte mit zwei anderen hin und sah, daß die Beine offensichtlich gebrochen waren. Den Anblick habe ich nicht gepackt und bin wieder zurückgegangen. Die anderen transportierten ihn ab und zwar durch dicke Tränengaswolken, da in diesem Moment mehrere Tränengasgranaten geworfen wurden. Gleichzeitig stürmten Polizisten knüppelschwingend vor und wir rannten alle weg. Auf dem Heimweg kam ich die Adalbertstraße entlang, als drei Wannen ohne Blaulicht die Straße lang kamen. Sie hielten an, und als ich wegrennen wollte, erwischte mich ein Tritt in die Seite, der mich gegen das Gitter vor einer Fensterscheibe warf. Ich fiel hin und wurde mit Tritten gegen den Kopf und Knüppelschlägen bearbeitet. Dann ließen sie mich liegen und sagten: "Der hat seine Lektion weg."

Einer der Herumstehenden konnte nicht rechtzeitig zur Seite springen, wurde angefahren und am Bein schwer verletzt. Das Fahrzeug blieb in der Absperrung hängen. Aus dem Mannschaftswagen und den anderen Wagen, die inzwischen auch eingetroffen waren, wurden sofort Tränengaskörper geworfen. Daher war die Bergung des Verletzten sehr schwer. Ich bat einen Polizisten über Funk einen Krankenwagen zu rufen. Er erwiderte wörtlich: "Für euch doch nicht." Ich sagte ihm darauf, daß ich auch für ihn einen Krankenwagen gerufen hätte, wenn er ihn benötigt hätte. Das ließ ihn völlig unbeeindruckt. Als dann die Feuerwehr, die von einer jungen Frau von einem Lokal aus gerufen worden war, eintraf, wurde der Abtransport des Verletzten behindert, da einige Polizeibeamte Tränengaskörper in Richtung Feuerwehrauto geschossen hatten."

 

Zwischen dem Mannschaftswagen und dem Hindernis stand noch ein Mann, der versuchte wegzukommen, auf ihn fuhr der Wagen zu. Der Mann stolperte über einen Betonkübel und fiel. Der Wagen fuhr mit lauten Krach auf den Betonkübel auf. Inzwischen war ich wieder auf die Füße gekommen. Dann setzte der Mannschaftswagen einige Meter zurück und fuhr nochmals mit heulendem Motor vor und prallte wieder mit lautem Krachen gegen den Kübel und den Mann, der dort lag. Ich hörte dann, wie der Mann anfing zu schreien. Das Kennzeichen des Mannschaftswagens habe ich ablesen können."

Durch die Wanne wurde mein BIick auf den Blumenkübel in der Barrikade versperrt. Ich habe nicht gesehen, was auf der mir abgewandten Seite der Wanne mit den Demonstranten geschah. Als die Wanne ohne zu stoppen weiterfuhr, sah ich, daß ein Mensch in dem Blumenkübel lag und schrie. Seine Beine hingen über den Rand des Kübels. Ich lief hin und versuchte, ihn an den Beinen herauszuheben. Er schrie noch lauter und forderte mich auf, seine Beine loszulassen. Ich ließ die Beine wieder los. Gleich darauf kamen zwei andere und wir trugen ihn in die nächstliegende Türkenkneipe. Nach ca. 20 Minuten wurde der Schwerverletzte von der Feuerwehr abgeholt. Dabei wurden wir von Tränengasbomben in unserer Tätigkeit schwer behindert. Dem Verletzten wurde in der Kneipe das eine (linke) Bein geschient. Nach ca. 20 Minuten wurde der Verletzte von der Feuerwehr abgeholt, wobei erneute Tränengasbomben den Abtransport behinderten".

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