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aus: radikal Nr.112, 01/1983

Paviane in K36
und das
ständige Gieren nach Leoparden.

In letzter Zeit haben sich in "unserem Kiez", in K36 also, Ereignisse gehäuft, wo Typen von uns, aus der Bewegungsscene, sich besonders bescheuert mackerhaft verhalten haben. Wir haben uns echt an den Kopf gelangt und gefragt, spinnen die oder was? Haben die nichts dazu gelernt in den letzten 2 Jahren? Wie kommt es, daß Typen, egal in welcher Umgebung und mit welchem Bewußtsein immer wieder die gleichen Verhaltensmuster draufhaben?

Obwohl es hier in erster Linie nur um Typen gehen soll, ist uns schon klar, daß Frauen auch oft genug Mackerverhalten drauf haben; aber nicht in dem Maß, und wenn, dann als Kopie eines Verhaltens, das in einer Umgebung, in der Typen allein schon zahlenmäßig überwiegen, Anerkennung und Macht einbringt.
Noch einmal kurz zu den Sachen, die so abgelaufen sind:

An zwei Wochenenden gab es Schlägereien auf dem Heinrichplatz, als im SO 36 Musik und auf dem Heinrichplatz die Skins angesagt waren. (Dabei wurde auch einmal einen Frau von Ordnern zusammengeschlagen, die selben Ordnen waren dann auf "unserer" Seite gegen die Bullen). Die Kloppereien endeten mit vielen Verletzten unsererseits, das Vergnügen war auf der Seite der Bullen und die Skins starteten ihren Angriff in Schöneberg. Die dritte Wochenendschlacht fiel trotz generalstabsmäßiger Planung aus (keine Feindbewegung).

Nachdem in der türkischen Kneipe "Orania" am HeinrichPlatz eine Frau vergewaltigt worden war, schmissen die Rächer in der Kneipe die Scheibe ein, ohne daß klar war, ob der Vergewaltiger überhaupt da war und wer es überhaupt war. Der war daraufhin vorgewarnt und verpißte sich.

- Anläßlich einer Fete in der Luckau-er mischten ein paar selbsternannte Wächter über die Reinheit von unse-rem Kiez einen Neon-Schicki Lampenladen auf, weil der Laden zu bunt und zu schick und zu hell war. Daß die Leute schon seit Jahren ihren Laden hier haben, und nur auf die andere Straßenseite gezogen waren, wußten sie anscheinend auch nicht.

- In Flautezeiten, wo gerade nicht viel los ist, wird ein erbitterter kampf gegen die H-Dealer geführt, wobei die Hintermänner gelegentlich in die Reihen des CIA zurückverfolg werden. Die Frage, warum unter uns so viele drücken, muß leider warten, bis der Kampf entschieden ist.

- An einem Samstag, als die "Borns" (das ist ne Rockertruppe) ein Treffen in der Adalbertstraße veranstalten, wurde eine der Frauen, die sie zu ihren Bräuten zählen, von einem Türken in einer Imbissbude angemacht, ihr Typ reagiert explosiv. Das Ergebnis war eine Schlägerei zwischen Rockern und Türken, wobei die Bullen dann die Partei der Borns ergriffen. Das Ganze wurde dann zum Kampf "Faschbs gegen Türken" erklärt und linke Türken, Phoenix (das ist auch ne Rockertruppe) und unsere Jungs schlossen sich zusammen - aus ziemlich verschiedenen Gründen vermutlich.

Die Frage stellt sich: Was geschieht wirklich auf dem Heinrich-Platz? oder:
Pavian sucht Leopard
oder: Wer laust einen ausgewachsenen Pavian?

Paviane (das sind die mit dem roten Arsch) leben bekanntlich in Horden zusammen. Die Pavianweibchen und die Paviankids finden das auch ganz gut. Sie lausen sich gegenseitig, teilen sich die Futtersuche und den Fraß. Aber wenn die Paviankids männlichen Geschlechts erwachsen werden, geht der Stress für sie los: Wer wird der Boss? Es gibt in jeder Pavianhorde so 2 bis 3 Bosse und die müssen dauernd beweisen, daß sie die größten Muckis haben und den rotesten Arsch. (Das macht den Boss aus.) Jedes normale Männchen will natürlich auch gerne mal Boss werden mit den größten Muckis und dem rotesten Arsch. Mit Lausen und nett zueinander sein ist es dann ziemlich Essig. Was machen die armen Männer-Paviane, um zu ihren Streicheleinheiten zu kommen?

Zum Glück für sie gibt es den Leopar-den, der größte Feind für die Paviane (so wie für uns zum Beispiel die Yanks). Taucht der Leopard auf. stellen die Männchen sofort alle Konkur-renzkämpfe ein, klopfen einander auf die Schulter, lausen einander kurz mal und fühlen sich gut - bis der Kampf mit dem Feind vorbei ist. Sollte über längere Zeit kein Leopard aufzutreiben sein, halluzinieren sie einfach einen. (Sonst wüßten sie echt nicht, wie sie das mit den Streicheleinheiten machen sollten!) Sie tun einfach als ob, Kampf ist Kampf, man (Pavian) kann wieder ein bißchen nett zueinander sein, bis...

So kommen auch Männchen zu dem, was sie brauchen. Die Verhaltensforschung nennt das "Bildung von Männerbünden auf der Basis von Aggression". Die Zusammenhänge mit uns werden klarer, wenn man Paviane und Leoparden nach K 36 verlegt.

Die Skins marschieren z.B. mit einem Leopardenfell über der Schulter zum Heinrichplatz. Danach wurde es bei den Türken gesichtet, denen es die Borns abnahmen, die verscheuerten es an die Schickis, die es mit Neon bestrahlt an der weißen Wand aufhängten. Zwischendurch kriegten es auch die H-Dealer in die Finger, verdealten es aber immer gleich weiter.

Und getreulich folgte jedem Auftauchen des Leoparden ein marschierender Männerbund, der sich, nach Kampf und Sieg, wieder in die alltäglichen Konkurrenzkämpfe auflöste, bis die Frustration wieder einen neuen Leoparden auf den Plan rief.

"Und die lohnende Empfindung der, feindlichen Erregungen gegen den Gegner wird vertieft und bereichert' durch die wärmere und noch stärkere Belohnung der kameradschaftlichen Liebe zum Waffenbruder und die Solidarität mit ihm. " (Zitat aus Lionel Tiger: Men in Groups)

Wir glauben, daß es euch bei den aufgezählten Ereignissen nicht (jedenfalls nicht hauptsächlich) um das geht, was wirklich passiert und wie so eine Scheiße wirklich bekämpft werden kann, sondern daß ihr in eurer Kampfgeilheit abspritzen könnt und Fronten schafft, die euch ein Gefühl von Zusammengehörigkeit geben, wozu ihr sonst nicht fähig wärd. Die Tatsache, daß ihr eure Kriegsspiele ausgerechnet da abzieht, wo wirklich eine Auseinandersetzung stattfinden müßte, macht die Sache noch schlimmer.

Erstens, weil ihr Bandenkrieg führt, und diese Auseinandersetzung erschwert oder verhindert;

Zweitens, weil ihr mit euren Kraftmeiereien dieselbe Scheiße macht, die zu bekämpfen ihr vorgebt. Was ist der Unterschied zwischen dem Überfall auf den Lampenladen und Rockern, die eine Schwulenkneipe aufmischen?
Was ist der Unterschied zwischen einem Bürger und einem Linken, wenn beide ihre Freundinnen verprügeln? Da stehen sie, die linken "Softis", und werfen zum Schutz ihrer Frauen dem Türkischen Vergewaltiger die Scheibe ein. Faschogehabe?
Macht doch mal ne Männerdemo zu Vergewaltigung und bezieht als Typen einen Standpunkt dazu ! Oder habt ihr Angst, auch lächerlich zu machen ?
Beim Einschmeißen der Fensterscheibe habt ihr wenigstens bewiesen, daß ihr Muckis habt und auf eure Frauen aufpaßt, nicht wahr ?

Also, ihr vorm Bund aus Westdeutschland geflüchtete Soldaten, schlagt euch jedes Wochenende am HPlatz (oder in der KiezDisco), haut euch die Köpfe ein, beweist euch, wer die größten Muckis hat und den rotesten Arsch. Das zahlenmäßige Verhältnis von Männern und Frauen in der Bewegung (2:1) läßt sich dadurch nur verbessern!

Anna Bolika
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