logo Home Projekt Buch Archiv Diskussion E-Mail

Quellen

Links

Hinweise

Jahreschronik

Themen

Häuserkampf

Themenchronik

 

aus: radikal Nr.98, 9.1981 leer siehe auch: Chronologie 1981

Internationales Treffen Padua - Venedig

Der Kampf um Wohn- und Freiräume

Der Kampf um Wohnraum ist in Italien seit Jahren ein erfolgreicher Kampf. Gegen einen Staat und ein Wirtschaftssystem, dessen Wohnpolitik sich darin ausdrückt, einerseits die Wohnungsnot hochzuhalten, um möglichst schnell eine Profitsteigerung zu erlangen, andererseits mit der Öffentlichen Baupolitik genau dann einzugreifen, wenn es explosive Situationen zu entschärfen gilt, hat sich eine Bewegung gebildet - sicherlich fragmentarisch und örtlich begrenzt - , die es aber verstanden hat, lebenswertere Bedingungen zu erkämpfen auch für die Schichten, die nur in ganz geringem Maß in den Genuß der elenden staatlichen Pensionen oder der Zuweisungen der öffentlichen Institutionen gelangen.

Diese Bewegung hat aber außer der schon genannten örtlichen Begrenzung auch andere Fehler und Grenzen. Nur in ganz seltenen Fällen ist es ihr gelungen, die traditionellen Schichten in den alten, historischen Stadtvierteln zu halten und so die Entwicklung von ausgelagerten Schlafstädten aufzuhalten. Das konnte passieren, weil die umfassende, urbanistische Dimension des Kampfes fehlte.

Der Kampf um Wohnraum ist Teil der vielfältigen Initiativen zur Sicherung der Lebensgrundlage ohne die "Notwendigkeit" der Lohnarbeit zu akzeptieren. Es ist ein Kampf, der sich größtenteils außerhalb der Kontrolle von Gewerkschaften und Parteien abspielt, die sich eine gewisse Führungsposition zwar dort bewahren, wo einer sich für den Lohn verkaufen muß, die aber unbefugt und ohnmächtig sind dort, wo es um Reproduktion und ihren Ort geht: im Territorium (Gemeinde, Lebensraum). Aber trotz dieser günstigen Voraussetzung ist nur selten gelungen, andere Produktions- und Reproduktionsbedingungen zu schaffen als die bestehenden.

Der Kampf hat sich oft erschöpft in der Eroberung und Verteidigung von Wohnraum. Der Reichtum an Beziehungen und kollektiver Phantasie hat sich nicht verbreitet. Der Kampf für den familiären, privaten Freiraum hat überwogen gegenüber dem Kampf für kollektive Freiräume, und die damit so eng zusammenhängenden Erfahrungen von sozialer Zusammenarbeit, d.h. Produktion von Gütern und Diensten außerhalb der Logik der Lohnarbeit sind Randerscheinungen geblieben.

Es gab eine Phase (1977) in der in diesemKampf das damals so genannte jugendliche Proletariat eingestiegen ist, während heute gerade dieser Teil der Klasse (im weiteren Sinn)- der die Realität der Zeitarbeit mit ihrem Mangel an Einkommen lebt und der Verweigerung der Arbeit (Fabrikarbeit) und der Logik der Unterdrückung vehement Ausdruck verleiht - auf dem Gebiet des Kampfes um Wohn- und Freiräume bis auf einige Ausnahmen schweigt.

Die Häuserfrage bleibt hauptsächlich eine Frage der Familien. Der Traum, in nicht-familiären Gruppen zu leben, das Bedürfnis nach einer autonomen Kultur im Rahmen von neuen, kollektiven Lebensformen haben noch nicht die Dimensionen einer sich durchsetzenden Bewegung.

Dies alles geschieht, während es klar ist, daß es keine Verbesserung der Lebensqualität, keine Bereicherung von Thematiken geben kann, daß keine neue Klassenzusammensetzung möglich sein wird ohne einen neuen, verbreiteten Widerstand der Massen. In diesem Sinne ist es so wichtig , daß an dem jetzigen Kampf die teilnehmen, die am massivsten die Verweigerung der Zwangsarbeit verkörpern und den Willen und die Fähigkeit zur kollektiven Aneignung des Reichtums und zur grundlegenden Veränderung dieser Gesellschaft ausdrücken.

Um diese Teilnahme am Kampf zu erreichen, erscheint es uns wichtig und nützlich, die Erfahrungen dessen, was in den europäischen Metropolen geschehen ist und geschieht, zu diskutieren. Wir wollen im Gespräch mit denen, die die Bewegung vorantreiben, die ökonomischen, politischen und urbanistischen Grundlagen verstehen, die große Teile der nord-europäischen Jugend zur Aktion geführt haben. Und wir wollen gemeinsam die Kenntnisse und Erfahrungen der Wirklichkeit von Neapel, Rom und Nord-Italien vertiefen und aus all dem praktizierbare Perspektiven ziehen, Ansätze und Hinweise für die Verbreiterung einer reichen und artikulierten Bewegung, ausgehend von dem grundsätzlichen Kampf um Wohnraum.

Subversive Kommunikation

Die Kommunikation als subversive Praxis der Befreiungsbewegung. Kommunikation als "Produktion" von realen Fakten, als Veränderung der Klassenverhältnisse und nicht als überflüssige Wiederholung dessen, was mit der politschen Aktion bereits gesagt ist.

Das Proletariat entwickelt heute ein eigenes Wissen, eine eigene Sprache. Die Kommunikation ist eins der grundlegenden Elemente für den Aufbau des Proletariats als autonomer Klasse. Von daher ist es unser Interesse, ein autonomes Kommunikationsnetz der Zeichen der Arbeitsverweigerung aufzubauen und voranzutreiben.

Einkommenskämpfe, Kampf gegen die Macht, aber auch Entwicklung von Zellen proletarischer Institutionalität. In der neuen sozialen Form des städtischen Proletariats bilden visuelle Kommunikation, Musik, kollektive Literatur, illegale Radios ein engmaschiges Netz von Gegenmacht.

Wir wollen ausgehen von unseren Erfahrungen und uns auseinandersetzen mit der Veränderung der Kommunikationspraktiken innerhalb der Revolte des modernen Proletariats.

Kämpfe und Gewalt

Die PCI tut als ob sie nichts sähe und verstünde. Nachdem sie mit den Panzern von Zangheri die Aufstände vom März 1977 niedergeschlagen hat, blickt sie nun mit weitblickender Distanz auf die Kämpfe des Proletariats in Nord-Europa (ob die uns meinen?? d.S.). Sie lädt - ob nun aus Frechheit oder Draufgängertum - die Jugendbewegungen Nord-Europas zum Kongress gegen den Terrorismus nach Bologna ein.

Aber im spätkapitalistischen Europa kann es keine Momente von proletarischem Aufstand geben ohne die Explosion proletarischer Gewalt. Die Trennung zwischen den Klassen ist mittlerweile so tief, daß der Gebrauch von Gewalt Teil des technischen Selbstverständnisses der Klasse ist. Außer man meint, es seien infiltrierte italienische Autonome, die in den verschiedenen europäischen Metropolen enteignen, Barrikaden bauen, Banken zerstören und sich Straßenschlachten mit der Polizei liefern. Aber es gehört schon eine Portion Phantasie dazu, sich unsere Provinz als internationale Megaorganisation vorzustellen, die mit außergewöhnlicher Synchronie alle Fäden in Europa bewegt.

Realität ist, daß die europäische Gemeinschaft auf dem Gebiet des Terrors, der Innenministerkonferenzen und der polizeilichen Informatik von Wiesbaden schneller voranschreitet als auf dem Gebiet der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit. Ersteres scheint sogar das zweite zu ermöglichen. Hochsicherheitstrakte, Anti-Terrorgesetze, Spezialeinheiten gegen den Terrorismus und die Guerilla kehren mit ekelhafter Regelmäßigkeit wieder im Tempel des Neoliberalismus.

Die Zeit ist reif für eine Auseinandersetzung mit diesen Problemen.

Kongresskomitee

Kommunistisches Komitee gegen die Repression, Padova
Kollektiv Gegeninformation, Padova
Komitee für den Häuserkampf, Padova
Komitee für das Recht auf Wohnraum, Mestre/Venedig

nach oben