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Autonome
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Mit freundlicher Genehmigung des Autors ein Auszug aus dem
jüngst von Robert Foltin publizierten Buch "Und wir bewegen
uns doch / Soziale Bewegungen in Österreich, edition
grundrisse, Wien 2004, S. 352
Die Autonomen in Österreich
Kapitel "Die Autonomen", S. 170 – 185
Dieser Abschnitt behandelt nur einen Teil der Bewegungen der
zweiten Hälfte der 1980er (z.B. gab es auch die
Studierendenproteste 1987 und die Anti-Waldheim-Bewegung ab 1986).
Daß dieser Abschnitt mit “Die Autonomen” betitelt
wird, hat mit dem Widerschein dieser Bewegung in der medialen
Öffentlichkeit zu tun. Aber auch innerhalb dieser Bewegung
wird nur jener Bereich behandelt, der besonders mit Hausbesetzungen
und den Anti-Opernball-Demonstrationen dieser Zeit zu tun hatte.
Ortsangaben beziehen sich, wenn nicht ausdrücklich anders
erwähnt, auf Wien.
In der zweiten Hälfte der 1980er tauchten die
“Autonomen” auch in den Medien außerhalb der
Szene auf. Immer wenn es Krawalle gab, waren es die Autonomen.
Waren dieselben TeilnehmerInnen involviert, ohne daß es zu
Krawallen kam, wurde von “Jugendlichen” gesprochen.
Natürlich haben die ProtagonistInnen, die als Autonome
bezeichnet wurden, mit dem Mythos der Militanz gespielt,
tatsächlich stand und steht aber mehr dahinter, insbesonders
der Anspruch, die Veränderung des eigenen Lebens mit der
Umgestaltung der Gesellschaft zu verbinden. Während ein Teil
der sozialrevolutionären Ideen, die 1968 gemeinsam mit einer
Subkultur aufkamen, über die “neuen sozialen
Bewegungen” (Alternativbewegung, Frauenbewegung etc.) in den
sich umstrukturierenden Kapitalismus integriert wurde oder
zumindest auf dem besten Wege dahin war, versuchten die Autonomen,
das militante, vorwärtstreibende, umstürzende Element
beizubehalten. Neben den trotzkistischen Sekten, die in ihrer
Fixiertheit auf Machtübernahme im Staat und auf die
fordistische ArbeiterInnenklasse vollkommen daneben lagen, blieb
für sie als Einzige der Traum von einer Revolution. Es gab
keine Bezugnahme auf revolutionäre Staaten, es waren Unruhen
und Guerillakriege im Trikont und teilweise auch in Europa, die in
ihrer Bedeutung überhöht wurden, um für sich selbst
die Gewissheit zu schaffen, daß der herrschende Imperialismus
schon in die Enge getrieben sei. Zugleich waren viele Texte voll
von Katastrophismus und Beschreibung der Repression, wie sie
(natürlich) gegen revolutionäre Bewegungen eingesetzt
wurde und wird. Kulturell waren die Autonomen mit der Punkszene
verbunden, u.a. weil diese am stärksten mit ihrem ganzen Leben
die Ablehnung des herrschenden Systems ausdrückten. Aber es
handelte sich auch um ein gespanntes Verhältnis: die
unpolitischen Punks (oft “Suffpunks“) hatten ein
offenes Verhältnis zur entstehenden Skinhead-Kultur, die zu
einem großem Teil die harte Musik übernommen hatte und
genauso auf Leben und Vergnügen standen. Die meisten
Auseinandersetzungen gab es aber wegen sexistischem Verhalten von
Teilen der Punkszene, die sich dann auch von den “politisch
korrekten” Autonomen (von diesen manchmal
“Automaten” genannt) abgrenzn.
Das soziale Feld der Autonomen war ein Netz von Treffpunkten,
WGs und Einzelpersonen, die in vielen (meist kurzfristigen)
Initiativen aktiv wurden. Ein Teil von ihnen zog es vor, sich als
AnarchistInnen zu bezeichnen, andere sahen sich als
“AntiimperialistInnen”, die mit dem bewaffneten Kampf
der Metropolenguerilla, besonders der RAF (Rote Armee Fraktion)
sympathisierten, wieder andere wollten sich gar nicht einordnen
lassen, waren nur (Polit-)Punks oder HausbesetzerInnen. Entstanden
ist diese Struktur aus den Spontis, aus der Jugend- und
HausbesetzerInnenbewegung und AktivistInnen aus dem Umfeld des
Kultur- und Kommunikationszentrums Gassergasse (GAGA), das 1983
geräumt wurde. Immer mehr setzte sich auch die Vermummung
durch, nicht unbedingt wegen illegaler Aktionen, sondern auch, weil
die Gefahr bestand, von Nazis und Stapo erkannt und gefilmt zu
werden. Von einem Teil der Szene wurde ein Fetisch daraus gemacht,
weil mensch in der Gruppe vermummt gefährlicher ausschaut als
mensch ist.
Bis auf die schon erwähnten AnarchistInnen und
AntiimperialistInnen gab es kaum politische Identitätsbildung.
Mensch traf sich in Lokalen und auf Konzerten und Demonstrationen,
besetzte Häuser oder beteiligte sich an Plenas. Politische
Diskussionen wurden durch eine Strukturdebatte ergänzt. Das
betraf technische Elemente von Rechtshilfe und Demosanis bis hin zu
HandwerkerInnen, die Reparaturen durchführten oder die
Häuser verbarrikadierten. Ein Teil der Szene war
beschäftigt, Plenas durchzuführen, die es auf
verschiedenen Ebenen gab (von Hausplenas und Autonomenplenas bis zu
offenen Treffen, wo aber meistens auch die gleichen Leute anwesend
waren). Oft blieb keine Zeit für theoretische
Diskussionen.
Die nicht vorhandene politische Identität förderte ein
ausgeprägtes Wir-Bewußtsein auf einer anderen Ebene. Da
das Autonom-Sein auch kulturellen Ausdruck fand, wurde oft bereits
durch die Äußerlichkeit der Bekleidung gezeigt,
daß mensch dazugehört (und andere nicht). Durch die
permanente Bedrohung durch Repression entstand zeitweise ein Klima
der Paranoia, das die Abgrenzung nach außen noch
verstärkte. Oberflächlich gesehen war es erstaunlich,
daß immer wieder und zeitweise sehr viele neue Leute
dazukamen. Die Abgrenzungen wirkten sich aber auch teilweise
untereinander aus. So gab es Rivalitäten zwischen den sozialen
Umfeldern der verschiedenen Treffpunkte (so gab es die
Rotstilzchens, die Aegidis, die vom TU-Club).
Immer wieder gab es die Erfahrung der eigenen Schwäche. So
tauchte immer der Anspuch auf, noch besser organisiert, noch
militanter zu werden, was aber für die entsprechenden Personen
dann wieder stärkere Abgrenzung nach außen bedeutete. So
ist es auch nicht verwunderlich, daß insbesonders der Teil
der Szene, der sich auf den Antiimperialismus berief, den
Leninismus wiederentdeckte, damit die Organisation in einer
kaderartigen Avantgarde-Partei. Die AntiimperialistInnen sahen sich
in Zusammenhang mit den bewaffneten Kämpfen in Westeuropa (und
der ganzen Welt), ihr Orientierungspunkt war die RAF. Eine
Lieblingsmetapher dieser sozialen Zusammenhänge war immer
“eine Front (mit der Guerilla)”, was die eigenen, als
unwichtig empfundenen Aktionen aufwertete. Durch die Gemeinsamkeit
gegen den Imperialismus wurde die Sowjetunion positiver bewerteten
als von “anderen” Autonomen oder die AnarchistInnen.
Der kleine Teil, der nach dem Zusammenbruch des
“Kommunismus” in Osteuropa diese Ideologie beibehielt,
orientierte sich an bewaffneten Kämpfen wie den der PKK, die
in der Türkei für ein unabhängiges Kurdistan
kämpfte, oder an den maoistischen Gruppen, die sich um den
Sendero Luminoso in Peru in der RIM (Revolutionary International
Movement) zusammengeschlossen hatten. Sie blieben aber
Einzelpersonen, die als die aktivsten Teile Plenas mit ihrem neu
entdeckten Stalinismus oder der Verherrlichung jedes
reaktionären antiimperialistischen Kampfes nervten, aber
für die technische Organisation Bedeutung gewannen.
Eine Diskussion, die immer wieder aufbrach, war die des
Antisexismus. Wobei es (so wie überall) keine echte Diskussion
gab. Wenn es sexuelle Übergriffe gab, wurden die
entsprechenden Männer ausgeschlossen, es ging selten um die
Diskussion der Machtverhältnisse, sondern nur um Aus- und
Abgrenzungen. Teilweise wurde das auch für interne
Machtkämpfe benutzt. Es war klar, daß sich mann (und
frau) gegen Sexismus und Patriarchat aussprach, aber die realen
Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen wurden nur
am Rande (und wenn, dann eher unter Frauen) diskutiert. Das war mit
ein Grund dafür, warum sich ein Teil der Frauen in
Frauenzusammenhänge zurückzog. Ein Versuch, sich mit
Sexismus auseinanderzusetzen, bildete die Diskussion um die triple
oppression. Einerseits wurden in diesem Modell die netzwerkartigen
Verknüpfungen der Macht reflektiert: die Macht ist
überall und geht bis in unsere Körper. Andererseits wurde
die Unterdrückung in den drei Hauptelementen Klassismus,
Rassismus und Sexismus gesehen, gegen die gleichwertig
gekämpft werden müsse.
“Autonome” gab es schon in Bewegungen in der ersten
Hälfte der 1980er, u.a. in der Beteiligung als
“autonomer und internationalistischer Block” bei der
zweiten Friedensdemonstration im Oktober 1983 oder beim
Barrikadenbau in Hainburg im Dezember 1984. Gerade in dieser Zeit
erschienen sie als der militante Flügel der sozialen
Bewegungen. Wobei diese zu einem gewissen Teil nur durch die
“gewalttätigen Auseinandersetzungen” ihre mediale
und gesellschaftliche Relevanz bekamen. Auch später
beteiligten sich “autonome” AktivistInnen an allen
sozialen Auseinandersetzungen, die in den 1980ern eine Rolle
spielten – von den antiimperialistischen Demonstrationen
gegen den Militärschlag der USA gegen Libyen 1986 bis zum
Widerstand gegen Abfangjäger, aber auch im Kampf gegen
Sozialabbau im Zusammenhang mit der Studierendenbewegung 1987.
Immer wieder erschienen kurzlebige Zeitungen (Diskussionbulletin
Autonomie 1983, Autonom 1984, notkühlung Ende 1984, Anfang
1985, Permanente Eskalation 1986, Autonomes Stadtinfo 1987, einen
kurzfristigen Höhepunkt erreichte die Zeitungsproduktion nach
der Räumung der Aegidi im Herbst 1988: BesetzerInneninfo,
Anti). Im Herbst 1988 wurde auch das TATblatt mit der Nummer minus
101 gegründet, geplant als Zweitageszeitung. Das war
allerdings doch ein bißchen zu hoch gegriffen, das TATblatt
wurde zu einem zweiwöchigem Informationsblatt der autonomen
Szene, weniger sporadisch produziert als die früheren
Zeitschriften und besteht bis heute. Die Szene war auch mit einigen
Treffpunkten verbunden, einer davon war das Rotstilzchen, das nach
dem Abriß der GAGA ein wichtiger Kommunikationsknoten wurde
und ab 1986 ein expliziter Treffpunkt der Autonomen. Ein weiterer
Kommunikationsraum war der TU-Club, der zwar offiziell von der
HochschülerInnenschaft der TU organisiert wurde,
tatsächlich aber von einem Kollektiv, das diesen Treffpunkt
als Lokal und Kommunikationszentrum in Selbstverwaltung
führte. Ab November 1988 gab es auch einen bis 1994
existierenden Infoladen am Margaretengürtel. Der wichtigste
Brennpunkt wurde aber für einige Jahre das besetzte Haus in
der Aegidigasse 13 (vgl. unten).
Ein erster Versuch eines eigenständigen Auftretens der
Autonomen war gemeinsam mit anderen Gruppen die Störung einer
Angelobung des Bundesheeres im Karl-Marx-Hofes zum Jahrestag der
Februarkämpfe 1934 am 12. Februar 1984. Während
VertreterInnen der Zivildiener ein Transparent mit der Parole
“Gehorsam bis zum Bürgerkrieg” entfalteten (1934
wurde das Bundesheer gegen sozialdemokratisch organisierte
ArbeiterInnen eingesetzt, u.a. wurde der Karl-Marx-Hof mit Kanonen
beschossen), wurde die Bundeshymne durch Pfeifen und mit
Knallkörpern gestört. Zivile Polizisten zertraten einem
Teilnehmer die Hoden. (vgl. linke Nr. 4, 29.2.1984). In den
nächsten Wochen kam es zu zahlreichen Vorladungen bei der
Polizei anhand von Filmmaterial, das von BeamtInnen in Zivil
gemacht wurde, und zu einer Reihe von Anzeigen. Ein Grund mehr
für die Verwendung von Vermummung.
Anfang 1985 war das Bild der Polizei in der Öffentlichkeit
etwas angeknackst. Im Dezember 1984 hatten sie in Hainburg
geprügelt, wo es sich doch nur um brave StaatsbürgerInnen
handelte. Im Jänner 1985 fand dann der Prozeß wegen der
Räumung der GAGA statt. Ein Teil der Angeklagten wurde
freigesprochen, nur die, die Aussagen bei der Polizei gemacht
hatten, konnten verurteilt werden. In der Szene wurde das als eine
Bestätigung der Kampagne für Aussageverweigerung gesehen
(linke Nr. 3, 13.2.1985). Die Reaktion der Polizei folgte im
März 1985. Ein Sprayer wurde erwischt und daraufhin gleich
wieder freigelassen. Im Anschluß an eine neuerliche Festnahme
wurde eine ganze WG in Haft genommen, ab dem 14. März wurde
über zehn Personen die U-Haft verhängt. Die meisten
Festgenommenen waren schon bei einer Hausbesetzung am 22.
Jänner 1984 in der Tigergasse aufgefallen. Ungewöhnlich
für die damalige Situation war, daß die Beschuldigten so
lange festgehalten wurden. Vermutlich passierte das, um Rache zu
nehmen für Hainburg und um Aussagen zu bekommen. Am 16.
März fand eine Solidaritätsdemonstration statt, bei der
in der Florianigasse wasserlösliche Farbe verschüttet
wurde. Beim Einsatz der Staatspolizei wurden zwei Frauen
festgenommen, die ebenfalls sofort in U-Haft genommen wurden. Die
Auswahl der Frauen war auffällig: es handelte sich um eine
Vorbestrafte, die dann auch fünf Monate in U-Haft verbringen
mußte und die “Frau Club 2”.: Sie war als
Verletzte auf dem Titelcover des Profil, des österreichischen
Politmagazins, über den Polizeieinsatz in der Hainburger Au zu
sehen und trat in einem “Club 2” (legendäre
Spätabends-Diskussionssendung des ORF) auf und berichtete dort
über den Polizeieinsatz. In den linken Medien erschien ein
Foto, auf dem zu erkennen ist, daß ein Funkgerät eines
Staatspolizisten “zufällig Manuelas Kopf
berührt”, anders gesagt, ihr auf den Kopf gedroschen
wurde. Nach drei Wochen wurden alle bis auf E. (die vorbestrafte
Frau) freigelassen. Es kam zu Freisprüchen der bei der
Demonstration festgenommenen Frauen, nicht einmal der übliche
Gummiparagraph “Widerstand gegen die Staatsgewalt”
konnte nachgewiesen werden, weil der Polizeieinsatz durch Fotos gut
dokumentiert war. Die vorbestrafte E. wurde wegen
Sachbeschädigung (durch wasserlösliche Farbe auf der
Straße!) verurteilt, damit keine Haftentschädigung
für die fünfmonatige U-Haft bezahlt werden mußte.
Die SprayerInnen wurden in unterschiedlichem Ausmaß
verurteilt, u.a. auch wieder abhängig von den durch die lange
Haft erzwungenen Aussagen.
Die Krawalle zum Opernball waren ein jährlicher
Höhepunkt im autonomen Kalender. Der erste Krawall hatte
indirekt mit Wackersdorf zu tun. Nach dem GAU in Tschernobyl Ende
April 1986 hatten sich auch die österreichischen Eliten
– bis auf Ausnahmen in der Wirtschaftskammer – gegen
eine Wiederaufbereitungsanlage für Kernbrennstoffe im
bayrischen Wackersdorf ausgesprochen. Zu Pfingsten desselben Jahres
fanden militante Demonstrationen statt, getragen von der regionalen
Bevölkerung und Autonomen aus der ganzen Bundesrepublik, aber
auch aus Österreich. Zeitweise konnte dort sogar die Polizei
in die Flucht geschlagen werden. Diese Auseinandersetzungen wurden
auch in Östereich mit Sympathie verfolgt. Und dann war
ausgerechnet der bayrische Ministerpräsident, Franz Josef
Strauß, überhaupt ein Feindbild der Linken, zu Gast beim
Opernball 1987 und das noch beim Pflichterfüller Waldheim. Die
Grüne Alternative Wien kündigte aus diesem Grund eine
Kundgebung am Tag des Balles, dem 26. Februar 1987 vor der Oper an.
Zugleich wollte ein Salzburger Bürgerinitiativmensch einen
symbolischen Wackersdorfzaun aufstellen, was von der Polizei
verboten wurde. Nachdem der Wackersdorfzaun wieder abtransportiert
war, kam es nach 22 Uhr zum Polizeieinsatz. Als Vorwand diente der
Abschuß von Leuchtkugeln und der Wurf von Eiern und angeblich
auch von Bierflaschen. Die Polizei versuchte, die 500 Menschen
wegzuräumen, was aber wegen dem ungünstig aufgestellten
Demonstrationswagen nicht schnell genug erfolgte, so daß es
zu polizeilichen Prügelorgien kam. Erst jetzt wurde auch von
den DemonstrantInnen mehr Gegenwehr geleistet. Am nächsten Tag
waren die Medien voll von den Krawallen. Freda Meissner-Blau
(Parteigründungs-Leitfigur) distanzierte sich im Namen der
Grünen sofort von den Ausschreitungen, war aber in der Folge
mit Protesten von grünen MitstreiterInnen konfrontiert, die
selbst vor der Oper von der Polizei verprügelt worden
waren.
Einer Gruppe von Autonomen gelang dann noch ein Coup im Sinne
der Kommunikationsguerilla. Das profil vom 2. März 1987
erschien mit einem Titel über die Autonomen. Darin gab es ein
Interview mit (angeblichen?) Autonomen, die sowohl
Straßenmilitanz befürworteten wie auch die Militanz
klandestiner Gruppen. Außerdem wurde indirekt behauptet,
daß das Steyr-Hauptgebäude von Autonomen angezündet
worden sei (diese Brandstiftung war ziemlich sicher
Versicherungsbetrug). Hat es bis dahin die Autonomen nur in der BRD
gegeben, so gab es sie für die Medien jetzt auch in
Österreich, auch wenn die Polizei bei allen Anlässen
immer wieder nach “deutschen
RädelsführerInnen” suchte.
Mit dem Auftreten der Autonomen war immer wieder die
Gewaltdiskussion verbunden. Manchmal waren es krude Kampfmetaphern,
die verbreitet wurden, aber es war immer auch ein Spiel mit den
Medien. Diffizilere Argumentationen in autonomen Texten
begründen die Ausübung von Gegengewalt auf der
Gewalttätigkeit des herrschenden Systems oder struktureller
Gewalt. Ein wichtiges Element ist das Spektakel der Gewalt. Ohne
das werden Bewegungen nicht oder kaum beachtet. So war es bei der
HausbesetzerInnenbewegung, in Hainburg und eben jetzt beim
Opernball. Es gibt keine wirksame soziale Bewegung, an deren
Rändern nicht auch Gewalt und / oder Straßenmilitanz
vorkommt. So ist die Gewalttätigkeit auf der Straße auch
als eine Form des Diskurses zu sehen. Menschen, die im elaborierten
Diskurs der herrschenden Strukturen nicht vorkommen, finden andere
Wege, um sich bemerkbar zu machen. Das macht ein zweites Element
der Straßenmilitanz sichtbar. Gewalttätigkeit ist eine
Kommunikationsform der Unterklassen (“proletarisch”).
Auch wenn im autonomen Diskurs die Beteiligung aus den
“Vorstädten” bei den Opernballdemos sicherlich
überbewertet wurde, die Beteiligung von
“unpolitischen” (männlichen) Jugendlichen in ihrem
Hass auf die sichtbare Ungleichheit durch das Protzen am Opernball
wurde von Jahr zu Jahr bedeutender. Die Diskussion innerhalb der
Autonomen, daß Inhalte vermittelt werden müssten,
wäre auf jeden Fall ins Leere gegangen. Auch die Medien
steigen normalerweise nicht auf inhaltliche Argumente ein, sondern
interessieren sich hauptsächlich für das
(Gewalt-)Spektakel. Ein drittes Element wurde oder wird kaum
diskutiert: Als Sozialrevolutionäre wollen die Autonomen den
Aufstandscharakter von Demonstrationen beibehalten. Das
Demonstrationsrecht wurde eingführt, um Revolten und
Aufstände in geregelte Bahnen zu lenken, um ungewollte –
oft von der Polizei provozierte – Eskalationen zu vermeiden.
Die staatsbezogene Linke hat mit dem Aufstieg der
ArbeiterInnenbewegung und der Aufteilung der Welt zwischen
Kommunismus und Kapitalismus den Aufstand zur Machtübernahme
im Staat zugunsten demokratischer Rituale aufgegeben. Die Autonomen
brauchten sich auch auf keine Siege berufen, der Aufstand hat als
Ziel keine Machtübernahme (im Staat), sondern soll zur
Selbstorganisation der Unterdrückten und Ausgebeuteten in der
Auseinandersetzung führen.
Für das nächste Jahr (11. Februar 1988) versuchte ein
Personenkomitee “Anti-Obern-Ball” eine Kundgebung
anzumelden, die aber untersagt wurde. Schon am Vormittag wurde eine
Kette über den Ring (innerstädtische Hauptverkehrsader)
gespannt, um den Autoverkehr zu blockieren und auf die
Demonstration aufmerksam zu machen. U.a. wegen der durch die
Medienberichterstattung angekündigten Krawalle kamen über
3000 DemonstrantInnen. Sie wurden nicht mehr auf den Ring gelassen
wurden, wie auch in den nächsten Jahren üblich, wie es
hieß, in Steinwurfdistanz. Bis nach 22 Uhr verlief die
Demonstration weitgehend friedlich, danach fuhr ein Polizeiauto in
eine Gruppe DemonstrantInnen und überfuhr eine Frau, die
verletzt unter dem Auto zu liegen kam. Erst um diese Zeit kam es zu
vereinzelten Flaschen- und Steinwürfen.
Neben den Opernballkrawallen waren es immer wieder
Hausbesetzungen, die mit den Autonomen verbunden wurden. So wurde
im Mai 1984 ein Haus in der Westbahnstraße im 7. Bezirk
scheinbesetzt, am 22. September 1984 ein Haus in der Tigergasse.
Dieses wurde erst nach neunstündigen Verhandlungen
geräumt. Ein Haus in der Turnergasse im 15. Bezirk war von der
Gemeinde angekauft worden, um es “Jugendlichen” zu
übergeben. Am 14. Dezember 1985 wurde es besetzt, um Druck
auszuübern, aber auch zur Selbstverständigung der
autonomen Szene. Die Polizei räumte die SympatisantInnen von
der Straße weg, die Anzahl der Festnahmen betrug mit den
BesetzerInnen 30. Das wichtigste besetzte Zentrum war aber die
Aegidigasse 13, durch den Innenhof mit dem Haus Spalowskygasse 3
verbunden, ein Haus, das bereits seit Anfang der 1980er an Gruppen
aus der Szene übergeben worden war. Nach der Räumung der
GAGA waren einige wenige Wohnungen in der Aegidi mit
Prekariumsverträgen vergeben worden, während bereits ein
Großteil der ursprünglichen MieterInnen ausgezogen war.
Ab Herbst 1983 wurde damit begonnen, weitere leerstehende Wohnungen
zu besiedeln (das folgende nach Anti Nr 6, Februar 1989). Neben dem
Bewohnen gab es auch eine Reihe von kulturellen Aktivitäten,
besonders Konzerte in der Culture Hall, aber auch
Straßenfeste sowie Wand- und andere Malereien. Im Juli 1986
wurden die letzten noch bestehenden Verträge von der Gemeinde
gekündigt. Teilweise herrschte Bunkerstimmung, u.a. wurden
Teile des Hauses verbarrikadiert. Im Herbst 1987 wurde versucht,
das noch nicht ganz abgesiedelte Haus im gleichen Block, in der
Mittelgasse, zu erobern. Daraufhin wurden die RestmieterInnen
innerhalb von wenigen Tagen abgesiedelt und das Haus abgerissen.
Immer wieder gab es Auseinandersetzungen u.a. zwischen Punks und
den politischen Leuten, aber auch zwischen Frauen und anderen, die
keinen eigenen Frauenbereich akzeptieren wollten. Aus diesem Grund
zogen Anfang 1987 ein Teil der Politleute, hauptsächlich
Frauen, aus. Immer wieder zogen einzelne Leute aus, eine Gruppe von
Punks z.B. in die Turnergasse. Andere blieben, obwohl es Spannungen
beim Zusammenwohnen gab. Die Unsicherheit in den beiden
Häusern war zwischendurch immer wieder sehr groß, weil
immer wieder die Räumung zu drohen schien. Ein Teil der
BewohnerInnen der Spalowskygasse hatte inzwischen Verhandlungen
für ein Ersatzobjekt aufgenommen. Die BewohnerInnen der
Aegidigasse und die verbleibende Reste in der Spalowskygasse
beschlossen ein gemeinsames Vorgehen bei einer Räumung. Ende
Juni 1988 wurde noch ein fünftägiges
Anti-Räumungsfest durchgeführt.
Anfang August 1988, also mitten in den Sommerferien, zogen 16
Personen aus der Spalowskygasse in ein Ersatzobjekt in der
Dornbacherstraße (das folgende nach BesetzerInneninfo und
Anti 6). Am 11. August versuchte die Polizei die geräumten
Wohnungen in der Spalowsky zu besichtigen, und ein großes
Aufgebot der Polizei versuchte, das Haus zu stürmen, was mit
Kalksäcken, Möbeln und Baumaterial abgewehrt wurde. Von
dieser Aktion stammen die bekannten Bilder von flüchtenden
Polizisten, die sich mit ihren Schildern über dem Kopf gegen
Wurfgeschosse schützen mußten. Versuche, zu verhandeln,
scheiterten. Am Nachmittag versuchte die Polizei über das
Grundstück in der Mittelgasse einzudringen, was aber an einer
brennenden Barrikade scheiterte. Ein Tränengas-Wasser-Gemisch
erzwang den Abzug der BesetzerInnen in das Haus in der Aegidigasse.
Der Abriß der Spalowskigasse begann gleich
anschließend.
Der Häuserblock blieb umstellt, trotzdem war es
BewohnerInenn möglich, das Gebäude zu verlassen oder zu
betreten. Am Freitag, den 12. August, wurde in der Früh
ein Hausdurchsuchungsbefehl für das Haus Aegidigasse 13
erlassen. Bei einem Plenum wurde beschlossen, keinen Widerstand zu
leisten. Ein Bagger drückte das verbarrikadierte Haupttor ein
und drohte damit das Haus zum Einsturz zu bringen, die
BesetzerInnen zogen sich in höhere Stockwerke zurück.
Nach drei Stunden hatte die Polizei alle Barrikaden
überwunden, die BewohnerInnen wurden aus dem zweitem Stock die
Stiegen hinuntergeprügelt. So wurde die Hausdurchsuchung zur
Räumung, am nächsten Tag wurde auch mit dem Abriss der
Aegidi begonnen. An die 60 Personen blieben zwei Wochen in
Untersuchungshaft, die Verfahren wegen der Verteidigung der
Spalowsky mussten eingestellt werden, weil niemandem der in der
Aegidi Festgenommenen eine Beteiligung nachgewiesen werden
konnte.
Nach zwei Wochen U-Haft konnten die BewohnerInnen kurzfristig in
einer Turnhalle eines Alternativprojektes unterkommen (das Folgende
meist nach Hausgemeinschaft Aegidi-Spalo 1989), die Gemeinde Wien
bot ein Haus am Stadtrand von Wien (beim Alberner Hafen zwischen
Friedhof der Namenlosen und Polizeisportplatz), was für die
BewohnerInnen nicht in Frage kam. Die fünzig bis hundert
ehemaligen BewohnerInnen hatten als kollektives Ziel den Anspruch,
gemeinsam zu wohnen, aber auch genügend Räume für
Veranstaltungen zu haben. Solidarische Menschen hatten am 26.
September ein Haus in der Unteren Augartenstraße im 20.
Bezirk besetzt. Da eine Geschäftsräumlichkeit noch
regulär vermietet war (die “Vogelhandlung”),
konnten sich die BesetzerInnen nach dem Polizeieinsatz dort
zurückziehen. Permanente Belästigungen durch die Polizei,
aber auch innere Schwierigkeiten führten dazu, daß auch
die Vogelhandlung nach zwei Wochen aufgegeben wurde. Im Herbst 1988
und zu Beginn des neuen Jahres führten die Aegidi-Spalos eine
Reihe von Aktionen durch. Eine Gruppe von mehr oder weniger
prominenten Personen setzte sich dafür ein, den Aegidi-Spalos
das ehemalige Arbeitsamt in der Embelgasse zu geben, außerdem
bildete sich ein sogenannter Siebenerrat zu Verhandlungen mit der
Gemeinde. Am 5. April 1989 ergriffen die Aegidi-Spalos wieder die
Initiative und besetzten ein leerstehendes Gebäude der
ÖBB in der Oswaldgasse in Meidling (12. Bezirk). Vorerst zog
die Polizei wieder ab. Als sich am nächsten Nachmittag
abzeichnete, daß es zu einer Räumung kommen würde,
zogen die BesetzerInnen freiwillig ab (Nicht schon wieder meier
gehen!). Als Argument für den Hinauswurf der BesetzerInnen
galt die Sorge des Elternvereins einer naheliegenden Schule vor der
angeblichen Bedrohung durch Punks und DrogenbenützerInnen.
Sofort begann der Abriß des Gebäudes. Einige wenige
blockierten noch den Bagger, indem sie sich davor setzten, wurden
aber unsanft von der Polizei entfernt. Die Abwesenheit wurde vom
WUK-Vorstand benutzt, die Restbelegschaft der Aegidi-Spalos
hinauszuräumen. Außerdem wurde allen Menschen mit bunten
Haaren der Eintritt durch einen privaten Sicherheitsdienst verwehrt
(Es könnten ja Aegidis sein). U.a bekam auch das dort im Haus
befindliche Frauenzentrum Probleme, weil Frauen der Zutritt
verwehrt und Schlüssel ausgetauscht wurden. Am 17. April
besetzten die Aegidi-Spalos noch einmal kurzfristig das WUK, zogen
aber nach Verhandlungen wieder ab. Am 22. April wurde versucht, das
Areal zu bewohnen, auf dem in der Aegidigasse die Häuser
gestanden waren, aber auch dort wurden die BesetzerInnen nach zwei
Tagen von der Polizei vertrieben. Das war das vorläufige Ende
des Versuchs, ein gemeinsames Projekt durchzusetzen. Die
Frustration brachte immer mehr Menschen dazu, sich in befreundeten
WGs einzuquartieren, ein Teil konnte zumindest zeitweise im
Rotstilzchen übernachten. Am 15. September (ungefähr zum
Jahrestag) demonstrierten dann weniger als 1000 gegen die
Sanierungspolitik der Stadt, es kam zu keinen nennenswerten
Auseinandersetzungen, nur zum Schluß wurde die Demobusse von
der Polizei durchsucht.
Einzelne Leute aus der Aegidi, eher die Kulturfraktion,
gründeten Anfang 1990 in der Arndtstraße im 12. Bezirk
das Flex als Veranstaltungslokal. Nachdem im Sommer 1991
gegenüber ein Skinheadtreffpunkt aufgemacht wurde, die
Holu-Bar, kam es immer wieder zu kleineren Reibereien zwischen
BesucherInnen des Flex und den Skinheads (das folgende nach
Tatblatt minus 43, 24.9.1991). Am 7. September eskalierte die
Situation: FlexbesucherInnen hinderten die Skinheads, eine Frau zu
verprügeln und trieben sie zurück in ihr Lokal. Wenig
später stürmten zwei einzelne Polizisten das Flex, wobei
sie Warnschüsse in die Luft abgaben. Später kam die
Alarmabteilung und nahm vier Personen nach Gegenüberstellung
mit den Skinheads fest, während das Flex nach
“Waffen” wie Mikrophonständer, Holzlatten und
einer Gaspistole durchsucht wurde. In der Früh griffen die
Skins ein weiteres Mal das Flex an, worauf die Polizei auch die
Holu-Bar durchsuchte. Das Ergebnis der Auseinandersetzungen war die
Kündigung der Räumlichkeiten. 1994 wurde ein Lokal am
Donaukanal gefunden und neu eröffnet, obwohl BürgerInnen
vorher noch dagegen mobilisierten, bis hin zu einer Demonstration,
die aber nicht einmal hundert eingefleischte FPÖler
mobilisieren konnte. Heute ist das Flex ein schon beinahe
legendärer Veranstaltungsort, von Teilen der Szene als nur
mehr kommerziell beschimpft, aber immer noch mit linken Sympathien,
z.B. wenn es um die Organisation von
Solidaritätsveranstaltungen geht.
Die HausbesetzerInnenszene strahlte auch auf die
Bundesländer aus. Am 13. Jänner 1989 wurde in Graz das
Haus Aegydigasse 14-16 besetzt. Die Feuerwehr nagelte Türen
und Fenster zu und die Polizei beschränkte den Zugang. Am 19.
Jänner wurde das Haus freiwillig verlassen. Seither gab es
Verhandlungen um ein Ersatzobjekt (TATblatt minus 97, 27.1.1989).
Im Frühjahr 1989 wurde kurzfristig das Büro des
Bürgermeisters besetzt, als Übergangslösung wurden
die Häuser Körösistraße 26 und 28 zur
Verfügung gestellt. Aufgrund des baulichen Zustandes war es
unmöglich, in diesen Gebäuden zu überwintern. So
wurden sie abgerissen, die Korösistraße 28 versiegelt.
Die Obdachlosen waren inzwischen, teilweise nach Wien, weggezogen
(TATblatt minus 57, 15.1.1991). Am 19. März 1991 besetzten
Frauen ein ehemaliges Tierspital in der Zimmermanngasse und
gründeten ein autonomes Frauenzentrum. Nach zwei Tagen
Belagerung durch die Polizei wurde das Frauenzentrum vorerst in
Ruhe gelassen. Um die Frauen rauszukriegen, wurde aber eine
Räumungsklage eingebracht. Mitte April sollte ein
Lokalaugenschein im Haus stattfinden, die Frauen wollten aber die
Männer des Gerichts nicht einlassen, sondern machten davor
eine Kundgebung. Am 19. April 1991 kamen BauarbeiterInnen und
begannen mit dem Abriß, die Frauen konnten gerade noch das
Notwendigste aus dem Haus retten. In Linz und Wien kam es am 20.
März zu solidarischen Scheinbesetzungen mit den Frauen in Graz
(TATblatt minus 52, minus 51, minus 50). Selbst in Salzburg kam es
zu einer kleinen (Punk)-HausbesetzerInnenbewegung. Seit Ostern 1990
gab es jeden Freitag Renn- und Krachdemos des Komitees
“Stadtlauf gegen Wohnungsnot”. Am 13. April wurde im
Rahmen des Stadtlaufes die Unterführung bei der
Staatsbrücke besetzt, was für mediale Aufregung sorgte.
Als die Stadt für Anfang Juli ein Haus in der Innsbrucker
Bundesstraße anbot, wurde das am 25. April besetzt (TATblatt
minus 67, 19.6.90). Am 25. September gab es eine Hausdurchsuchung
wegen angeblicher deutscher Autonomer, die natürlich nicht
gefunden wurden. Ein Monat später, am 21. Oktober
übergoss sich ein Bewohner (“Giuseppe” –
Helmut Kofler) mit Benzin und zündete sich an. Die
resignierenden anderen BewohnerInnen wurden in ein anderes Haus
übersiedelt, das Haus in der Innsbruckerstraße
abgerissen (TATblatt minus 61, 6.11.1990). Im April 1991 wurde aus
Protest gegen die Wohnungsnot für eine Stunde Mozarts
Geburtshaus in der Getreidegasse besetzt (TATblatt minus 49,
7.5.1991)
Während das Rotstilzchen am 28. September 1990 nach
vierjährigem Prozessieren geräumt werden mußte (mit
einem Straßenfest und danach mit einer illegalen
Demonstration, bei der das Buffet eines Hotels besucht wurde und
einige Scheiben von Banken kaputtgingen), gab es inzwischen ein
neues besetztes Haus. Die Krise der KPÖ und ihre
Ankündigung einer Öffnung zur übrigen Linken hin
wurde benutzt, um das Haus in der Wielandgasse 2-4
(“Wielandschule”) zu besetzen, weil es von der KPÖ
nur zum Teil und sporadisch benutzt wurde. Ein weiteres Motiv war
natürlich die Hoffnung, daß es sich die KPÖ nicht
leisten könne, die Polizei zu holen. Das Haus wurde in
Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) umbenannt, nach einem Kommunisten, der
1965 bei einer antifaschistischen Demonstration von einem
Burschenschafter erschlagen wurde. Es gab eine Reihe von
Auseinandersetzungen, die KPÖ versuchte eine
Gegenbesetzung, es wurde mit hunderten steirischen
BergarbeiterInnen gedroht. Über den Sommer 1990 beruhigte sich
dann die Lage, die KPÖ fügte sich (vorerst) dem
Unvermeidlichen (TATblatt minus 66 / 65). Bevor die ReformerInnen
wegen interner Auseinandersetzungen vom Vorsitz der KPÖ
zurücktraten, unterzeichneten sie am 15.3.1991 einen
akzeptablen Mietvertrag bis März 2001. Das EKH blieb das
wichtigste soziale Zentrum in Wien, von wo eine Reihe von
Aktivitäten ausgingen, von der Antifa 10 bis zur
Volxtheaterkarawane.
Nach der Räumung der Aegidi steigerte sich noch die
Militanz bei den Opernballdemos und überraschte 1989 (2.
Februar) und 1990 (22. Februar) sowohl Polizei wie Autonome. Obwohl
keine etablierten Gruppen für die Demonstration mobilisierten,
kamen 1989 wieder tausende. Die Autonomen stellten Strukturen zur
Verfügung: Sanigruppe, Rechtshilfe und eine Gruppe, die sich
für den Schutz der Demonstration verantwortlich fühlte.
Aber: Die OrganisatorInnen [...] konnten so auch nicht mit der
konkreten Situation umgehen. So standen die Leute, die sich
für den Schutz dieser Demonstration verantwortlich
erklärt hatten, mit – unter ihrer Vermummung ratlosen
– Gesichtern da, und schauten den “unvermummten
ChaotInnen” nach, die wie wild auf die Polizeisperre in der
Kärntnerstraße zurasten. (TATblatt minus 96, 10.2.1989).
Bei dieser Demonstration wurde von DemonstrantInnen ein Mercedes
gekapert, der dann gegen die Absperrung geschoben wurde. Von vielen
wurde die Demonstration auch als Antwort auf die ein halbes Jahr
vorher erfolgte Aegidi-Räumung gesehen, aber wie schon
erwähnt, ging es auch um die Randale der
“Vorstadtjugendlichen“. Die Polizei setzte neben
Knüppeln Feuerlöscher und Wasserwerfer ein, ca. 60
Personen mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden, viele andere
wurden von den Demosanis verarztet. Der Demonstration-LKW wurde von
der Polizei angehalten, der Fahrer mehrere Wochen in U-Haft
genommen.
Am 22. Februar 1990 versuchte eine kleine Gruppe Prominenter um
den Schriftsteller Gerhard Ruiss einen “runden Tisch”
in der Kärntnerstraße durchzuführen, um die
Situation zu deeskalieren. Zugleich wurden Teile der Demonstration
schon den ganzen Abend von Hooligans und Skinheads mit
Schlagstöcken, Leuchtraketen und Messern angegriffen (das
folgende TATblatt minus 75, 27.2.1990). Pünktlich um 22 Uhr
begann dann wieder die Räumung durch die Polizei, diesmal war
der Pulk der DemonstrantInnen nicht in der
Kärntnerstraße, sondern in der daneben liegenden
Operngasse. Daraufhin kam es zu stundenlangen Scharmützeln
zwischen Polizei und Anti-Opernball-DemonstrantInnen, die Nazis
hatten sich zurückgezogen. An diesem Abend wurden die Scheiben
einer Billa-Filiale auf der Wienzeile eingeschlagen und der
Supermarkt teilweise geplündert. Neben dutzenden Verletzten
gab es über dreißig Festnahmen, drei Personen wurden
länger in Haft gehalten.
Die Bereitschaft zur Militanz wuchs einem Teil der Autonomen
schon 1990 über den Kopf, außerdem tauchte vorsichtige
Kritik auf, daß die Krawalle zu einem jährlichen Ritual
werden. So wurde für 1991 vorgeschlagen, sich am
Südtirolerplatz zu treffen, um eine Demonstration
durchzuführen und die ritualisierte Schlacht bei der Oper zu
vermeiden. Wegen dem Irakkrieg wurde der Opernball zwar abgesagt,
aber die Demonstration trotzdem durchgeführt. Sie
konzentrierte sich auf das Thema Irakkrieg. Ein Häuflein von
gut 300 DemonstrantInnen wurde von der Polizei eingekesselt und
jedeR Einzelne wurde perlustriert. In den folgenden Jahren wurden
zwar immer wieder Demonstrationen angemeldet und angekündigt,
die Beteiligung beschränkte sich im besten Fall auf ein paar
hundert Schaulustige und es kam zu keinen militanten
Auseinandersetzungen mehr.
Das Umfeld der Autonomen änderte und erweiterte sich immer
wieder, dazwischen gab es Phasen, in denen interne Streitereien und
Abgrenzungen dominierten. Den Höhepunkt erreichte diese
politische Strömung zu Beginn der 1990er Jahre. 1990 erreichte
das TATblatt einen ersten Höhepunkt in seiner Verbreitung (der
zweite Höhepunkt war nur kurzfristig und hat mit den Toten von
Ebergassing beim Versuch, einen Starkstrommasten zu sprengen, zu
tun). In dieser Zeit bildeten die Autonomen den Kern verschiedener
Bewegungen, die früher stärker von “braveren”
Gruppen dominiert wurden. Insbesondere das TATblatt erfüllte
eine wichtige Kommunikationsfunktion, weil es zwar
hauptsächlich von sich selbst so bezeichnenden Autonomen
gemacht wurde, sich aber als offene Zeitung sah. Sie war damit ein
Kristallisationspunkt für alle, die Aktivitäten nicht in
einem institutionellen Rahmen durchführen wollten, wobei es
sich zu einem großem Teil um “gewaltfreie”
Aktionen wie Besetzungen und Verweigerungen handelte. Bis auf die
wenigen spektakulären Ereignisse wie die Opernballdemos
handelte es sich um direkte Aktionen im Sinne des sozialen
Ungehorsams, keinesfalls gewalttätig, meist aber illegal und
Normen und Regeln überschreitend. So fanden in dieser Zeit
eine Reihe von Besetzungen statt, um umweltzerstörende
Bauprojekte zu verhindern, wie die Pyhrnautobahn und eine
Ölbohrstelle bei Kleinreifling in Oberösterreich, ein
Kraftwerk an der Mur bei Fisching und die ennsnahe Trasse in der
Steiermark oder die Autobahnbaustelle für die A4, die
Ostautobahn, und einige Bäume in Hetzendorf in Wien. In vielen
BIs waren in dieser Zeit SympathisantInnen der Autonomen wichtiger
als die Grünalternativen, die schon von Anfang an im
Parlamentarismus gefangen waren. Auch der Antimilitarismus
erreichte neue Höhepunkte: Nach dem Widerstand gegen den Kauf
neuer Abfangjäger, der nicht erfolgreich war, erreichte die
Zahl der Totalverweigerer um 1990 seinen Höchststand. Viele
junge Männer verweigerten auch den Zivildienst, weil er in die
Landesverteidigung integriert ist, und waren dafür auch
bereit, ins Gefängnis zu gehen. Wobei die Verurteilungen
teilweise skurrile Züge annahmen, so z.B. wenn jemand wegen
“listiger Umtriebe” verurteilt wurde, weil es nicht
zumutbar sei, die Formulare für die Stellungspflicht in das
besetzte Haus in der Aegidiggasse zuzustellen. In dieser Zeit wurde
auch der “Aufruf zur Nichtbefolgung von
Militärgesetzen” mit hunderten Unterschriften in der AZ
(Arbeiterzeitung, Parteiblatt der SPÖ), im TATblatt und in der
akin (Aktuelle Information) veröffentlicht. Noch die ganzen
1990er über wurden Verfahren gegen die UnterzeichnerInnen
durchgeführt und unterschiedliche Urteile gefällt.
Daneben gab es noch den Boykott der Volkszählung 1991 und den
Widerstand gegen die Durchführung der Expo, der
Weltausstellung, in Wien (die in einer Volksabstimmung abgelehnt
wurde). Auch im Widerstand gegen die rassistischen
Verschärfungen der Fremden- und Asylgesetze, gegen das
verstärkte Auftreten von Rechtsradikalen, gegen die FPÖ
wie auch gegen Gen-und Reproduktionstechnologien waren die
Autonomen aktiv. Sie bildeten auch einen wichtigen Teil der
Bewegung gegen den Golfkrieg, die direkten Ungehorsam wie die
Blockade der Panzertransporte durch das Inntal ausübte.
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