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aus: radikal Nr.98, 9/1981
entnommen der: Vollautonom Nr.4
Schwarzer Block
so wenig es den fotografen gibt, der für uns fotoanschläge ausführte, so wenig
gibt es DIE geschichte des schwarzen blocks. was es gibt sind märchen, gerüchte,
geschichten, ungeschichten, spuren und urlaubspläne des schwarzen blocks.
dazwischen bewegen wir uns und es wird weder die enthüllung noch die wahrheit
geben.
wir begreifen uns als teil davon. wir sprechen nicht für gruppen und zusammenhänge,
die sich ebenfalls mit dem schwarzen block identifizieren. wir sprechen vor allem
nicht für bernhard, ändy und toni und auch nicht im namen jener,
die immer noch per haftbefehl gesucht werden. sie müssen es selbst tun.
es gibt kein programm, keine satzung und keine mitglieder des schwarzen blocks. es gibt
jedoch politische vorstellungen und utopien, die unser leben und unseren widerstand
bestimmen. dieser widerstand hat viele namen. einer davon heißt: schwarzer block.
der verfassungsschutzbericht hessen´80 hat uns großzügig platz eingeräumt im rahmen
"linksextreme bestrebungen". folgende definition haben wir verpaßt gekriegt: "sie
lehnen nach wie vor die marxistisch-leninistische konzeption, feste organisationsformen
und jegliche bindungen an programme ab und treten für autonomie und spontaneität ein."
- für diese klarstellung sind wir den herren des morgengrauens wirklich dankbar. und
wenn viele vermeintliche kenner der szene meinen, es ginge uns nur um den putz,
so können wir nun gelassen auf den verfassungsschutzbericht verweisen, der da
zitiert - wir wußten gar nicht, welchen leserkreis die "vollautonom" mittlerweile hat - :
".... ein ,erfolg' bestimme sich wesentlich nach dem, was sich unter uns während einer
aktion bewegt und verändert, was für ein gefühl sich währenddessen unter uns herstellt."
in der tat: "es bildeten sich autonome gruppen militanter prägung für die schwarzen blöcke in
frankfurt a.m., die anarchistische züge erkennen ließen" (vs-bericht´80).
wir begreifen unseren widerstand als einen kampf gegen JEGLICHE staatliche
herrschaft, gegen hierarchische strukturen an und über uns, gegen gefängnisstrukturen
(einschließlich 'Volksgefängnissen'), gegen die ökologische und imperialistische apokalypse
und, und, und....für selbstbestimmung, kollektives leben und und . . . wem sagen wir das . . .
kann mann und frau alles nachlesen. doch das bewußtsein allein ist keine hinlängliche
waffe, mein lieber (hat auch irgendwo gestanden). das war der schwarze faden. was
das für mich konkret heißt, sei an 2 beispielen erklärt.
dieses jahr gab es mehrere demos nach preungesheim, anläßlich des hungerstreiks
der gefangenen in der brd. wir organisierten sie mit, weil wir jedes leben im knast
für unmenschlich und barbarisch halten. diese elementare solidarität schließt jedoch nicht
aus, daß ich soziale und politische widersprüche zu den gefangenen und deren politik habe.
für viele in der szene ist das jedoch grund und legitimation genug, nichts für bessere
überlebensbedingungen in den knästen zu tun.
das gleiche gilt für rnich bei jürgen und miriam, die aufgrund von hungerstreikplakaten für
mehrere wochen eingefahren sind. die mögliche kritik an dem plakat oder an dem
politikverständnis, das dahinter steht, hält mich nicht davon ab, ganz konkret etwas gegen
die kriminalisierung von hungerstreikunterstützern (innen) zu unternehmen. oft fehlte uns
leider die kraft, eigenen vorstellungen zu formulieren und durchzusetzen.
gerade diese beispiele stehen für zweierlei. einmal habe ich angst, daß politische widersprüche
unter uns zugekleistert werden, die seit jahren bestehen. nicht - umsonst entstanden gerade in den
letzten jahren autonome gruppen. zum anderen stehen diese beispiele dafür, daß unterschiedliche
politikverständnisse nicht zur spaltung und ausgrenzung führen müssen. wer aber
auseinandersetzungen darüber als spaltungen denunziert, der leugnet schlicht unsere
gemeinsamen erfahrungen der letzten jahre.
genau diese auseinandersetzung möchten wir auch mit der "alt-szene" führen. diese offenen
differenzen sind selbst dem verfassungsschmutz nicht entgangen, wenn er da schreibt:
"deutlich wurde eine trennung in alternativbewegungen, die überwiegend keine extremen
ziele verfolgen, in alt-spontis, die der gewaltanwendung weitgehend ablehnend gegenüberstehen,
sowie in kleinere autonome gruppen, die die militanz in der aktion bejahen. diese,
der alt-sponti-szene ablehnend gegenüherstehend, verstanden ihre politik nicht ausschließlich
als 'kopfarbeit' und vertraten den standpunkt: 'wir nehmen unseren widerstand selber in die hand,
delegieren ist entfremdung !'
wir fragen uns natürlich auch: wo sind die Veteranen des Häuserkampfs geblieben
(wir kennen zumindest deren cafes)? wo sind die, die uns entgegenhalten, sie wären politischer,
taktischer, revolutionärer gewesen? (vielleicht sind sie heute noch politischer und taktischer?) wo
sind die redakteure, die meinen, "der stein ist unser bewußtsein" (PS)?
für uns ist diese verwaltete, selbstverwaltete altszene träger einer doppelten legalität geworden.
sie verfügen über eine eigenen "infrastruktur" (buchladen, drukkerei, weinstube, cafe, kulturbetrieb,
häuser), die wir nicht selten als feindlich erleben. sie sind besitzer eines linken machtmonopols,
das filme, musik, Kultur, zeitungen und meinungen macht. sie sind besitzer geworden von lebensstandards,
von lebensversicherungen, von "alles-gehabt"-erfahrungen und "damals"-erinnerungen.
viele sind besitzer geworden, benehmen sich so und verhalten sich entsprechend besitzstandswahrend.
aber wem sagen wir das. vielleicht haben einige auch schlicht andere sorgen: kindererziehung,
haushalt, urlaub, beruf und häuser kaufen ? hat sich die "revolutionäre ungeduld" samt der
"revolutionären subjektive" davongeschlichen ?
für mich möchte ich festhalten, daß das nicht durchgängig so ist. wir haben viele gesichter der
alt-szene gesehen, anläßlich der schwarzen-blockdemo. so viele leute auf einem haufen sind wir gar
nicht gewohnt. ein richtiges massenfeeling, wie damals. . - echt, ihr habt uns alle
richtig verwöhnt !
vor allem wollen wir nicht unsere "terror"anwälte (-innen) vergessen, die nicht nur juristisch das
äußerste in bewegung setzen, sondern sich gerade auch persönlich solidarisch zu uns verhalten.
selbst einige gute erfahrungen mit den "alternativen geschäftsführern" konnten wir in den letzten
tagen machen. trotzalledem. unsere angst gegenüber diesem linken machtmonopol bleibt, gerade weil
es so "großzügig" sein kann. was wir um keinen preis aufgeben ist unsere eigenständigkeit,
unsere strukturen und unser politikverständnis. einige unter uns haben bereits jetzt die befürchtung,
daß teile der alt-szene uns den politischen background stellen wollen - eine fast logische
schlußfolgerung, wenn der stein unser bewußtsein sein soll. ich denk, es liegt an uns allen,
ob so eine schlußfolgerung sticht.
uns kommt es darauf an, mehr zu werden als die berüchtigten 200. das heißt nicht, daß wir nun
anfangen unsere inhalte zu verramschen, "bündnisfähige" kompromisse zu machen. im gegenteil.
je offensiver und deutlicher wir unsere vorstellungen an allen ecken und enden dieser
stadt zum ausdruck bringen, desto mehr leute haben überhaupt die chance, ihre vorstellungen
einzubringen und ihren frust an die richtige adresse zu richten. einige adressen dürften sich
garantiert überschneiden.
größte terroristische vereinigung...
die kriminalisierung von widerstand ist nicht neu. wir haben uns dran gewöhnt und sollen uns dran
gewöhnen.
die geschichte des §129a ist zugleich die geschichte der systematischen einknastung militanter
Opposition. einst auserkoren als strafrechtliche waffe - neben dem polizeilichen todesschuß gegen die
raf, zielt der §129a heute verstärkt auf knastgruppen, anti-imperialistische initiativen und in
allerletzter zeit massiv auf die hausbesetzerszene. ca. 150 ermittlungsverfahren laufen z.zt. im
zusammenhang mit dem hungerstreik. in ähnlicher größenordnung bewegen sich die verfahren
gegen hausbesetzer/innen.
offensichtlich haben weder die öffentlichen hetzkampagnen noch die bisherigen
strafverfolgungsmöglichkeiten die gewünschte wirkung erzielt. mit dem § 129a werden nun 2
fliegen mit einer klappe geschlagen. zum einen lassen sich dadurch erneut ungezügelt
berührungsängste vor blindwütenden und allgemeingefährlichen terroristen schüren.
zum anderen ermöglicht der § 129a eine verfolgungshatz nicht gekannten ausmaßes.
sobald die terroristische vereinigung "schwarzer block" gerichtsbekannt ist, können die
terrorfahhnder vermeintliche mitglieder erfinden, produzieren und schiießlich ausheben.
für monate verschwindest du hinter gitter, denn bei § 129a besteht automatisch flucht- und
verdunklungsgefahr. für eine haftaussetzung gibt es dann kaum noch eine chance.
das ist die internierung auf kaltem wege. denn die unschuldsvermutung wird faktisch ins
gegenteil verkehrt. nicht die justiz muß beweisen, daß du schuldig bist, sondern du mußt
belegen können, daß du unschuldig bist. andernfalls kannst du im knast auf deinen
gerichtstermin warten. das sind nichts anderes als geiselnahmen mit dem ziel,
unschuldserklärungen abzupressen.
was ist nun das neue an diesem kriminalisierungsversuch? unserer meinung nach versucht
die bundesanwaltschaft erstmalig eine ganze soziale bewegung in eine terroristische
Vereinigung umzurüsten. eine bewegung, die selbst für den verfassungsschutz, nicht unter dem
pflaster, sondern in aller öffentlichkeit, fast vor aller augen, ihr unwesen treibt.
unseres wissens ziehen die vom bka ausgemachten terroristen anonymität, unauffälliges
verhalten und gepflegtes auftreten vor. doch was lesen wir dazu im vs-bericht:
"maskiertes auftreten, schwarze fahnen und die verwendung anarchistischer embleme
waren kennzeichen ihres militanten auftretens bei demonstrationen und aktionen."
eine terroristische vereinigung, die auf der straße flugblätter verteilt, öffentlich plakate klebt,
an demos teilnimmt und sogar die unverfrorenheit besitzt, zu pressekonferenzen einzuladen.
die 4. generation grüßt ihre schwestern und brüder in freiburg, nürnberg, göttingen, berlin..
heute muß mann und frau nicht guerillero sein - militante/r sein reicht auch.
berechnungsgrundlage ist die zahl der festnahmen multipliziert mit der höhe
der strafandrohung. für juristen unter uns: land-hausfriedensbruch, widerstand, körperverletzung
etc. werden ab nun nicht mehr als demonstrationsdelikte sondern nach § 129a geahndet. das
kommt einem demonstrationsverbot gleich. in militärkreisen prägte man dafür das wort:
krieg in der grauzone.
zu Zeiten des kalten krieges ist bekanntlich einiges erlaubt, was ansonsten als verboten gilt. so
mußten wir aus strafrechtlichen gründen zu einer festgefügten terrororganisation zurechtgestutzt
werden, um den anforderungen des § 129a gerecht zu werden. da hilft auch kein frankfurter
kriminalhauptkomrnissar, der folgendes zum besten gab: "als geschlossene gruppe .... habe es
einen 'schwarzen block' nie gegeben." KHK neitzel: "organisatorisch sind die nicht geordnet."
(aus Spiegel nr.32/1981) wir sind und bleiben eben chaoten, herr neitzel.
mittlerweile ist es auch ruhig geworden um die bombenanschläge, die geradezu obligatorisch einer
terrororganisation zugeordnet werden. schließlich haben sie längst eingeschlagen, die veröffentlichte
meinung war auch flugs aufgewühlt und empört, das timing stimmte wieder einmal.
die terrorfahndung selbst war ein totsicherer schlag ins wasser. was jedoch zurückbleibt, sind
die ungewissen wochen im knast, die durchsuchung unzähliger wohnungen, die angst und ungewißheit
vor neuen verhaftungen. und sie haben erreicht, was sie legal nicht bekommen hätten: ein
soziogramm des widerstands - adressen, tagebücher, artikel, notizen, freunde, mitbewohner usw.,
die nächsten blankohaftbefehle sind schon vorprogrammiert.
nachdem die terrorschlagzeilen abgespeckt wurden, kamen die wahren "anschläge" in den mittelpunkt
der berichterstattung. deren chronologie ist in jeder schlechten zeitung nachzulesen: geboren
wurden wir laut vs-urkunde am 1. mai 1980, ungestillt besetzten wir anläßlich des 17. juni die
siesmayerstr. 4, gerade der eigenen sprache mächtig, riefen wir dem erlauchten opern-publikum
entgegen: hundert jahre oper und kein tag mehr. noch nicht gelebt und schon dermaßen brass,
daß es selbst 22 scheiben des zürichhochhauses nicht mehr in ihren rahmen aushielten (noch
nachträglich grüße an unsere züricher genossen/innen) u.v.a.m., das hier nicht gewürdigt
werden kann.
übrigens lädt auch auch dieses Jahr der schwarze block alle gäste aus dem in- und
ausland zur wiedereröffnung der oper ein.
nachdem roßbach als terrorzentrale aufgeflogen ist, entschlossen wir uns in geheimer
abstimmung für ein repräsentatives objekt in zentraler lage: die oper !
um dies noch einmal deutlich zu machen: für uns steht die umrüstung des schwarzen blocks zu
einer terroristischen vereinigung in EINEM zusammenhang zur gewaltsamen räumung der eschersheimer
79 und des freilandes "indercity nied", kurzum, in zusammenhang zu jedem militanten widerstand
hier in dieser stadt. dafür bürgt ganz offensichtlich auch unsere geschichte. und so erlebten wir auch
die ereignisse der letzten wochen. ein schlag auf den anderen erfolgte, mit dem ziel uns auszuradieren.
musikantenweg, eschersheim, nied.
als vor der katharinenkirche einige von uns aus protest gegen die räumung der eschersheimer eine
holzhütte bauten, kamen die bullen mit maschinenpistolen, verhafteten einige und schlugen sie auf
dem revier zusammen. in der eschersheimer machten sie das unvorsichtigerweise auf der Straße.
nun gibt es einen film darüber.
nachdem indercity plattgewalzt wurde - in den nächsten jahren wird dort bestenfalls Gras drüber
wachsen - bewegte sich ein autokonvoi richtung innenstadt. mit gezogenen pistolen stoppten bullen
und zivile den konvoi. restlos alle wurden festgenommen und für eine nacht in den knast schafft.
am 27.7.81 im morgengrauen umstellten ca. 500 panzerwesten mit bullen im anschlag ein haus
in nied, das von einer wg bewohnt wird. sie stürmten das haus und rissen die bewohner/innen mit
vorgehaltener mp aus dem schlaf. 2 bewohner/innen wurden auf der stelle verhaftet.
einer sitzt heute noch im knast. trennscheibe, einzelhofgang, keine gemeinschaftsveranstaltung usw.
der staat diskutiert richt über gewalt, er übt sie aus und gießt sie in gesetze. vielleicht ergibt sich
das schon aus dem gesagten: wir werden keine unschuldskampagne führen. im gegenteil. je mehr
leute sich "terroristisch" verhalten, d.h. häuser besetzen, staatsopern bekämpfen, die
startbahn-west verhindern, gegen militarismus kämpfen usw., desto größer ist die chance,
daß sie wieder rauskommen, und desto eher verhindern wir, daß weitere einfahren.
wir wissen, daß wir sie stören. wir sollen verschwinden, aus ihrem parfümierten gesichtsfeld,
aus ihrem klinischen stadtbild. der geruch von sakrotan breitet sich aus: reinigend,
desodorierend, wohlriechend.
dennoch
wir werden überall da sein, wo wir nicht sein sollen
überall da auftauchen, wo wir verschwinden sollen
überall da leben, wo leben verboten ist !
bevor wir's vergessen: wenn bernhard, andy und toni bis zum heutigen mittag nicht raus sind,
kündigt das wetteramt offenbach vorsorglich längere und heißere nächte an. wenn die nacht am tiefsten ist, ist der tag am nächsten. Ton. Steine. Scherben.
schwarze qualle nordsee 883. konföderation
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